Die Produktion von Passagiersitzen für Flugzeuge ist das bisherige Kerngeschäft der ZIM Aircraft Seating. Das Unternehmen, das seinen Hauptsitz in Immenstaad am Bodensee und eine Produktionsstätte in Markdorf unterhält, hat nun die Übernahme der HAECO Cabin Solutions LLC angekündigt.
Branchenbeobachter werten die Übernahme durchaus als Coup. HAECO sei im Mai zum Verkauf gestellt worden, sagt Sven Achilles, Geschäftsführer von ZIM Aircraft Seating dem SÜDKURIER. Man habe sich gegen sechs Kaufinteressenten durchgesetzt. Wie teuer die Übernahme ist, will Achilles nicht sagen. Die Vorteile, die sich durch den Unternehmenskauf ergeben, seien jedoch vielfältig.
Fusion ist von strategischer Bedeutung
HAECO Cabin Solution, der im amerikanischen North Carolina ansässige Ausstatter von Flugzeugkabinen, werde im Rahmen der Fusion in ZIM Aircraft Cabin Solutions umbenannt. Beide Unternehmen sollen künftig unter dem Namen ZIM Group auftreten.
Durch den Zusammenschluss und mit der Expansion nach Nordamerika kann nach Angaben des Immenstaader Unternehmens die Präsenz am globalen Markt deutlich gesteigert werden. Vor allem einen Fuß in Nordamerika zu haben, dem weltweit größten Flugzeugmarkt, sowie dort künftig über eine zweite Produktionsstätte zu verfügen, sei von großer strategischer Bedeutung, bekräftigt Achilles.

Achilles ist im August 2021 zum CEO von ZIM Aircraft Seating ernannt worden. Er war zuvor Geschäftsführer eines europäischen Flugzeuginnenausstatters und arbeitete bereits in der Flugzeugindustrie in den Vereinigten Staaten und Asien.
Die neue ZIM Group werde gemessen am Umsatz an vierter Stelle der weltweit tätigen Flugzeugsitzhersteller ihren Platz einnehmen, sagt er. Achilles prognostiziert ein deutliches Wachstum: Der Umsatz soll von aktuell 35 Millionen Euro im kommenden Jahr auf 60 Millionen steigen und in 2025 sogar 75 bis 80 Millionen Euro erreichen. „Die Aufträge dafür sind bereits da“, so Achilles. Nach dem Investitions-Stopp, der in der Luftfahrtbranche in den Corona-Jahren ausgerufen worden war, bestehe nun großer Modernisierungs- und Nachholbedarf.
Aus der Insolvenz zurück in die schwarzen Zahlen
Für die ZIM Aircraft Seating, die 2008 aus dem Luftfahrttechnik-Dienstleister ZIM GmbH ausgegliedert worden war, bedeutet die jetzige Fusion eine beachtliche Weiterentwicklung. Immerhin musste der Betrieb Mitte 2020 Insolvenz anmelden. Wenige Monate zuvor war ZIM Aircraft Seating mehrheitlich in den Besitz der Aurelius Gruppe gelangt, einem europaweit tätigem Unternehmen, das Gelder vermögender Anleger verwaltet.
Die unter anderem in München, London und Amsterdam sitzende Investment-Gesellschaft hält an 40 Unternehmen Kapitalbeteiligungen. Investor Aurelius führte ZIM Aircraft Seating durch das Insolvenzverfahren. Die Produktion konnte fortgeführt und stabilisiert werden. Nach der Sanierungs- und Restrukturierungsphase wurden 2021 erstmals wieder schwarze Zahlen geschrieben.

ZIM Aircraft Seating werde mit der Übernahme seine Produktgruppen und vor allem den Kundenstamm weiter ausweiten können, bekräftigt Raffael Rogg, Operating Partner bei Aurelius und Vorstandsmitglied der ZIM Group.
Bisher wurden in der Produktionsstätte in Markdorf Sitze für kommerzielle Passagierflugzeuge entwickelt, konstruiert und hergestellt. Auf der Unternehmensseite im Internet werden Sitze für die Economy , Premium Economy und Business Class präsentiert. Das Unternehmen wirbt mit dem Spruch: „Maximaler Komfort für eine angenehme Reise über den Wolken.“
Lufthansa und Swiss sind Kunden
Zu den Kunden zählen nach Unternehmensangaben 40 Airlines, darunter sind renommierte internationale Fluggesellschaften und Flugzeughersteller wie etwa Airbus und Boeing sowie Lufthansa, Eurowings, Swiss und Singapore Airlines. Selbst ein Truppentransporter der Flugbereitschaft der Bundeswehr ist schon mit Sitzen vom Bodensee ausgestattet worden.
Zur künftigen Produktpalette werden nach Angaben von Achilles nicht nur Flugzeugsitze, sondern auch Bordküchen, Bordtoiletten, Gepäckfächer und Kabinenteiler zählen, die bisher allesamt von HAECO produziert wurden. Interessant seien auch die Umrüstungsprogramme, in deren Rahmen der neue amerikanische Partner die bestehenden Flotten von Airlines mit komplett neuen Kabinen modernisiere, sagt Achilles.
Die Expansion biete aber auch Zugang zu einer erweiterten Lieferantenbasis. „Wir werden mit größeren Einkaufsvolumen und somit mehr Verhandlungsmacht antreten“, sagt Achilles. Großen Nutzen verspricht er sich auch von der zusätzlichen Personalressource. 340 hochqualifizierte Mitarbeiter könnten mit HAECO im US-Bundesstaat South Carolina gewonnen werden.
Zudem verfüge das dortige Werk über eine zertifizierte Testanlage für dynamische Qualitätskontrollen, womit Tests unter Flugbedingungen möglich seien. Auch lägen für Produkttests wichtige Zulassungen der strengen amerikanischen Federal Aviation Administration vor. Die Entwicklung neuer Produkte könne so erheblich beschleunigt werden, heißt es bei ZIM Aircraft Seating.
Am zuletzt 2013 erweiterten Standort Markdorf werde auch ein Prüfzentrum betrieben, allerdings seien dort nur statische Test möglich. Für umfassendere Kontrollen hätten bisher externe Prüfstellen in der Schweiz und in England beauftragt werden müssen.
100.000 Flugzeugsitze ausgeliefert
Aktuell würden fünf Produktionslinien gefahren. Im Jahr 2021 konnte nach Angaben des Unternehmens die Marke von 100.000 bisher an Fluggesellschaften ausgelieferten Sitzen überschritten werden. In Markdorf und Immenstaad würden zusammen rund 150 Arbeitnehmer beschäftigt, heißt es. Die Zahl soll nächstes Jahr auf 200 steigen.
Vergangenes Jahr äußerte Geschäftsführer Achilles gegenüber Markdorfs Bürgermeister sogar den Bedarf, den Produktionsstandort vor Ort erweitern zu wollen. Vor dem Hintergrund der jetzigen Übernahme werde das Thema fehlender Produktionsfläche noch dringender. Achilles hofft, in den nächsten Monaten zu einem Ergebnis zu kommen. Man führe mit mit der Stadt Markdorf, aber auch in Immenstaad Gespräche. Drei Grundstücke würden derzeit sondiert, zwei in Immenstaad und eins in Markdorf. Achilles hofft, zügig zu einer Standortentscheidung zu kommen.