Die Lebensmittelhändler rechnen mit einem erhöhten Kundenandrang am Mittwoch und Samstag vor Ostern. Statt die Kundenströme intelligent zu lenken, würde es nun zu einem erhöhten Andrang kommen, vermutet Michael Schmidt, Geschäftsführer der Edeka Schmidts Märkte mit Sitz in Rickenbach im Landkreis Waldshut. „Ich habe großen Respekt vor dem Samstag.“
Ostertage sind die verkaufsstärksten Tage im Jahr
Schließlich sei Ostern der Verkaufshöhepunkt im Jahr, noch vor Weihnachten. „Ich weiß nicht, was die geritten hat, dass sie uns den Donnerstag schließen“, macht er sich seinem Ärger Luft. Bund und Länder hatten am Dienstagabend beschlossen, den Gründonnerstag und den Samstag vor Ostern zu Ruhetagen zu machen. Im Rahmen des verschärften Lockdowns soll das öffentliche Leben pausieren, nur der Lebensmittelhandel darf am Samstag öffnen.

Michael Schmidt, der 14 Edekamärkte leitet und koordiniert, zweifelt daran, dass die Schließung der Lebensmittelmärkte am Donnerstag einen großen Effekt haben wird. „Wir haben ein Jahr Pandemie und Virus in unseren Märkten hinter uns, aber es gab noch keinen Fall, bei dem sich Mitarbeiter oder Kunden bei uns angesteckt haben.“
Ausweitung der Öffnungszeiten und Sicherheitspersonal
Die Hygienemaßnahmen sind erprobt: In seinen Märkten, zwei davon in Bad Säckingen, gibt es Ampeln, die den Kundenverkehr nach Besucheranzahl und Fläche des Marktes regeln. Auch die Öffnungszeiten hat Schmidt zügig nach der Verkündung der Beschlüsse angepasst. In der Woche vor Ostern öffnen seine Lebensmittelmärkte eine halbe Stunde früher um 7 Uhr, am Samstag schon um 6.30 Uhr. „Die Schließungen bringen nur etwas, wenn die Verbraucher sich klug verhalten und sich in den verbleibenden sieben Tagen weitestgehend eindecken“, sagt Schmidt.
Auch am Bodensee zeigt sich Unverständnis über die neuen Beschlüsse: Er könne die Entscheidung, die Lebensmittelmärkte am Gründonnerstag zu schließen, nicht nachvollziehen, sagt Frank Eichwald, Geschäftsführer von Edeka Sulger. Um sicherzustellen, dass die Abstände eingehalten würden, müssten sie zusätzlich zu den verlängerten Öffnungszeiten wieder Sicherheitspersonal vor den Märkten einsetzen, heißt es aus der Geschäftsführung.
Warenströme müssen kurzfristig angepasst werden
Außerdem seien die Ruhetage eine Herausforderung für die Personalplanung, sagt Michael Schmidt vom Hochrhein. „Wir müssen vermutlich trotzdem am Donnerstag und Freitag arbeiten, weil sich die Warenströme so schnell nicht umorganisieren lassen“, vermutet er. Und auch, um den Samstag problemlos hinzubekommen. Die Logistik über die Großhändler sei so komplex und werde Wochen vorher geplant. Die Warenströme müssten nun auf die ersten drei Wochentage verlegt werden.

Das sieht auch Christian Böttcher, Sprecher des Handelsverbandes Lebensmittel, als große Herausforderung. Innerhalb weniger Tage müssten die Lieferungen in die Läden neu getaktet werden. Denn an den verbleibenden Tagen dürfte mehr Ware über die Ladentheken gehen als bislang erwartet. Und trotz der von Bund und Ländern geplanten „Ruhetage“ rund um Ostern muss auch sichergestellt werden, dass am Ostersamstag und am Dienstag nach dem Fest genug Ware in den Regalen liegt.
Versorgung mit Frischwaren ist Herausforderung
Michael Schmidt vermutet auch, dass viele auf den traditionellen Fisch an Karfreitag verzichten werden. „Fisch kauft man frisch ein“, sagt er. Einige würden vielleicht am Mittwoch Fisch kaufen, aber die übrige Ware müsse dann vernichtet oder eingefroren werden.
Wie die Planung für die Karwoche aussehen soll, ist auch bei Edeka Sulger, die unter anderem in Stockach und Markdorf sitzen, noch völlig unklar. „Zwei Tage zu, ein Tag offen, dann wieder zwei Tage zu: Wie soll das funktionieren? Wie sollen wir für den Samstag vernünftig die Bestellung von Obst, Gemüse und anderen Frischeartikeln planen?“ beschreibt Seniorchefin Karin Sulger die Herausforderungen. Die Politik habe den Bezug zur Wirtschaft und zu den Abläufen eines Unternehmens verloren.
Harsche Kritik von Drogerie Rossmann
Hart fiel das Urteil der Drogeriemarktkette Rossmann aus, die nach den Beschlüssen von Bund und Ländern wohl auch am Samstag vor Ostern nicht öffnen darf. „Die Politik hat sich mit diesem Beschluss leider von der Lebensrealität der Menschen entfernt. Wir sehen mit großer Sorge auf die kommende Woche und erwarten einen Kundenansturm, der sowohl für unsere Kundinnen und Kunden als auch unsere Mitarbeitenden zu einer enormen Herausforderung werden dürfte“, sagte der Geschäftsführer der Drogeriemarktkette Rossmann, Raoul Roßmann. Die Auswirkungen auf das Pandemiegeschehen würden letztlich eher negativ sein.
Auch Aldi Süd kritisierte die Beschlüsse: „In der Kalenderwoche vor Ostern ist die Kundenzahl erfahrungsgemäß sehr hoch. Eine zusätzliche Schließung des Lebensmitteleinzelhandels am Gründonnerstag wird aus unserer Sicht nicht zu der erhofften Entzerrung der Einkaufstätigkeiten führen, sondern eher zu einer Verdichtung der Einkäufe in der ersten Wochenhälfte sowie am Karsamstag“, warnte der Discounter.
Lebensmittelhändler Michael Schmidt hat zur aktuellen Corona-Politik und den erneuten Schließungen eine klare Meinung: „Wir überspannen unser Volk. Das macht mir große Sorgen.“ Kollegen aus dem Einzelhandel seien wirtschaftlich angeschlagen, vielen gehe es vor allem psychisch schlecht, was viel schlimmer sei. „Mich nervt, dass die Politiker nur Auf und Zu kennen.“ Ihm fehlt eine Perspektive und innovative Konzepte, wie man mit dem Virus leben kann.
„Die Politik treibt die Händler in den Ruin“
Die Hauptgeschäftsführerin des Handelsverbands Baden-Württemberg (HBW), Sabine Hagmann, bezeichnete in einer Pressemitteilung die vorherrschende Corona-Politik als „verfehlte Politik, die die Händler weiter in den Ruin treibt“. Die Politik habe scheinbar keine Alternativen mehr zu harten Lockdowns. „Das ist das eigentliche Versagen in einer Zeit, in der der Handel eigentlich dringend Unterstützung benötigt.“ Als unsinnig und kontraproduktiv bewertet der HBW die geplante Schließung der Lebensmittelhändler am Gründonnerstag.
Auch Wirtschaftswissenschaftler übten Kritik an dem Kurs. Der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung Marcel Fratzscher sagte, die Beschlüsse kämen einer „Kapitulation gegenüber dem Virus gleich“. Die Kehrtwende sei unvermeidbar gewesen, weil Virologinnen und Virologen schon zweieinhalb Wochen vor dem jetzigen Szenario gewarnt hätten. Die neue Entscheidung sei „wieder einmal ein fauler Kompromiss, der den Verantwortlichen eine Gesichtswahrung ermöglicht, aber zu wenig tut, um das Virus zu stoppen“.