Der US-Pharmahersteller Moderna will spätestens 2023 einen neuartigen Kombi-Impfstoff auf den Markt bringen, der sowohl gegen gängige Grippe- als auch gegen Coronaviren wirkt. Ein entsprechendes Präparat solle ab Herbst 2023 verfügbar sein, sagte Gerald Wiegand im Stuttgarter Wirtschaftspresseclub.

„Covid und Grippe gemeinsam zu bekämpfen ist unser Ziel“, so Wiegand, der den Deutschland-Ableger des US-Pharmaspezialisten leitet. Solch ein Präparat könnte dann auch gegen Atemwegsinfektionen mit RSV wirken, deren Symptome denen der Grippe ähneln.

Immer mehr gefährliche Mehrfacherkrankungen

Hintergrund sind jüngst im Fachblatt „The Lancet“ veröffentlichte wissenschaftliche Erkenntnisse, wonach Patienten, die neben einer Covid- zusätzlich eine weitere Infektionskrankheit haben, ein massiv erhöhtes Risiko aufweisen, ins Krankenhaus zu kommen und künstlich beatmet zu werden. Damit verbunden ist eine deutlich erhöhte Sterblichkeit.

Gerald Wiegand, Chef von Moderna Deutschland, arbeitete früher bei Takeda. Er ist Spezialist für seltene Krankheiten, sogenannte ...
Gerald Wiegand, Chef von Moderna Deutschland, arbeitete früher bei Takeda. Er ist Spezialist für seltene Krankheiten, sogenannte „Rare Diseases“. | Bild: Moderna

Derartige Multi-Erkrankungen treten derzeit vermehrt auf. Grund sind die gelockerten Anti-Corona-Vorschriften weltweit. Die Schutzmaßnahmen hatten in den vergangenen zwei Jahren auch zu einem deutlichen Rückgang anderer Erkältungskrankheiten wie Influenza oder RSV geführt.

Durch die Abschaffung von Maskenpflicht, Abstandsregeln und Co. kommen diese Krankheiten nun zurück. Gleichzeitig wird die Durchseuchung der Bevölkerung mit Corona durch die sehr ansteckende Omikron-Variante befördert. Ein gefährlicher Krankheits-Mix, auf dessen Bekämpfung Moderna nun einen Gutteil seiner Forschungsanstrengungen richtet.

Die unheimliche Deltakron-Variante

Gleichzeitig sieht sich das in den USA beheimatete Unternehmen auf Spur, bereits diesen Herbst einen Impfstoff gegen Omikron anbieten zu können, der dann auch deutlich besser gegen die zu Anfang der Pandemie vorherrschenden Virus-Varianten – die Wuhan- und die Delta-Variante – wirkt.

Zwar gilt die Drittimpfung mit gängigen Präparaten bislang als guter Schutz auch gegen Omikron. Allerdings nimmt der Impfschutz trotz Boosterung relativ schnell ab. Der Vorteil des neuen Vakzins wäre, dass der Impfschutz deutlich länger vorhält, sagte Wiegand.

Auch neue Virus-Mutationen sollen besser behandelt werden können. „Vom Entwicklungsansatz her müsste der neue Impfstoff auch gut gegen die sogenannte Deltakron-Variante wirken“, sagte Wiegand. Damit bezeichnen Fachleute eine Kreuzung der Delta- und Omikron-Virenstämme. Diese hat das Potenzial, die jeweils gefährlichsten Eigenschaften der Viren auf sich zu vereinen.

Auch Moderna-Konkurrent Biontech arbeitet an ähnlichen Kombinationspräparaten. Für einen reinen Omikron-Impfstoff von Biontech sollen im April Daten aus einer klinischen Studie veröffentlicht werden.

Rasanter Aufstieg der Forschungsfirma

Moderna, 2010 in Cambridge (USA) gegründet, gehört neben Biontech aus Mainz zu den erfolgreichsten Pharmaunternehmen der vergangenen zwei Jahre weltweit. Genau wie Biontech ist es dem US-Unternehmen gelungen, innerhalb kürzester Zeit einen mRNA-Impfstoff gegen Coronaviren zu entwickeln. Gut 800 Millionen Dosen davon wurden 2021 weltweit ausgeliefert.

Impfstoffe entwickeln sich weiter. Müssen wir uns bald jedes Jahr impfen lassen?
Impfstoffe entwickeln sich weiter. Müssen wir uns bald jedes Jahr impfen lassen? | Bild: Robert Michael/dpa

Wiegand bezeichnete das als „Kraftakt und riesengroßen Erfolg“. Er sei möglich gewesen, weil sich Moderna von allen Herstellern „am klarsten der neuen mRNA-Technologie verschrieben“ habe. Auch vor der Leistung von Biontech auf diesem Feld habe man „hohen Respekt“. Beide Unternehmen seien Konkurrenten im Markt, schätzten die gegenseitigen Forschungsanstrengungen aber sehr.

Moderna-Deutschland-Chef Wiegand und Takeda

Bevor Wiegand im Oktober 2010 bei Moderna einstieg, arbeitete er für den Pharmaspezialisten Shire. Nach dessen Übernahme durch Takeda 2017 war er dort für seltene Krankheiten zuständig. Takeda hat mit Konstanz und Singen zwei große Standorte in Süddeutschland.

Innerhalb der forschenden Pharmaindustrie geht Moderna einen Sonderweg und hat sich entschieden, seine Patente auf Corona-Impfstoffe für die 92 ärmsten Länder der Welt freizugeben. Generika-Hersteller können die Vakzine dort nachproduzieren, ohne Lizenzgebühren zu zahlen, sofern sie der lokalen Bevölkerung zu Gute kommen.

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Außerdem hat Moderna angekündigt, seine Forschungsergebnisse für andere Wissenschaftler zu öffnen. „Forscher weltweit haben seit Kurzem freien Zugang zu unserer mRNA-Plattform“, sagte Wiegand. „Wir wollen dieses Potenzial nutzen, um die Technologie breiter verfügbar zu machen und daraus einen Mehrwert für die Bekämpfung von Krankheiten weltweit zu schaffen“, sagte er. Ergebnisse, die die Wissenschaftler erzielten, könnten dann auch über das Unternehmen vermarktet werden.

Hilfe für arme Menschen in Afrika

Dabei denken Wiegand und Moderna-Chef Stéphane Bancel nicht nur an das Coronavirus, sondern auch an eine ganze Reihe anderer Krankheiten, gegen die die mRNA-Methode ebenfalls Erfolge erzielen könnte. Dabei geht es etwa um Krebstherapien, Autoimmun- und Herzkreislauferkrankungen sowie sogenannte „Rare Diseases“, also sehr seltene Krankheiten, deren Bekämpfung derzeit branchenweit ins Visier genommen wird.

Auch die Bereitstellung von Arzneien für ärmere Länder wie Afrika und bislang eher vernachlässigte Krankheiten wie Malaria sei ein Ziel, sagte Wiegand. Für 500 Millionen Euro baut Moderna derzeit ein großes Impfstoffwerk in Kenia auf. Biontech geht auch hier einen anderen Weg und will mobile Impffabriken im Containerformat nach Afrika schicken, um die Bevölkerung besser zu versorgen.