Die Wirtschaft in Südbaden und dem Schwarzwald appelliert an die Politik, keine unnötige Zeit bis zu Neuwahlen im Bund verstreichen zu lassen. Ein Abwarten sei fahrlässig und gefährde den wirtschaftlichen Wiederaufschwung sowie Jobs, sagten mehrere Vertreter aus Unternehmen und Wirtschaftsverbänden sinngemäß.

Werner Rottler, Präsident der Handwerkskammer Konstanz, sagte dem SÜDKURIER, nach dem Ampel-Aus brauche man nun schnell verlässliche politische Strukturen. Jede weitere Unsicherheit schwäche den Wirtschaftsstandort Deutschland. „In Zeiten wie diesen dürfen Entscheidungen nicht auf die lange Bank geschoben werden, daher ist der Zeitplan, die Vertrauensfrage erst im Januar zu stellen, kritisch zu betrachten“, sagte Rottler. „Unsere Unternehmen, sowie die Bürgerinnen und Bürger verlangen jetzt nach Sicherheit und Planbarkeit. Die Grundlage hierfür ist eine handlungsfähige Regierung.“

Handwerker-Präsident und Schornsteinfegermeister Werner Rottler. Bilder (4): Firmen
Handwerker-Präsident und Schornsteinfegermeister Werner Rottler. Bilder (4): Firmen | Bild: Handwerkskammer Konstanz

Die Branchenstimmung im Handwerk liegt am Boden. Im abgelaufenen Quartal bewerteten nur noch gut zwei Fünftel der Betriebe ihre Geschäftslage als gut – deutlich weniger als im Vorjahreszeitraum. Ähnlich sieht die Situation im verarbeitenden Gewerbe und in der Industrie aus. Im bisherigen Jahresverlauf sind die Umsätze hier zurückgegangen. In manchen Branchen, etwa beim Automobilbau und den Zulieferbetrieben, stehen Entlassungswellen vor der Tür. Die Zahl der Firmenpleiten stieg im Oktober auf den höchsten Wert seit 20 Jahren.

Bert Sutter ist WVIB-Präsident und Chef von Sutter Medizintechnik in Emmendingen
Bert Sutter ist WVIB-Präsident und Chef von Sutter Medizintechnik in Emmendingen | Bild: WVIB

„In der Krise brauchen wir ab sofort klare Richtungsentscheidungen“, sagte der Präsident des Freiburger Industrieverbands WVIB, Bert Sutter, dem SÜDKURIER. Dafür habe im Moment aber niemand ein Mandat. Dies könne jetzt nur vom Wähler kommen. „Olaf Scholz sollte so schnell wie möglich die Vertrauensfrage stellen und Neuwahlen ermöglichen“, sagte der Chef des Emmendinger Medizintechnikunternehmens Sutter. „Wir müssen Deutschland beherzt an Haupt und Gliedern reformieren, damit wir endlich wieder schneller, wettbewerbsfähiger und leistungsfähiger werden“, sagte er.

Steckt aktuell in der Krise: Automobilproduktion in Süddeutschland. Bild: dpa
Steckt aktuell in der Krise: Automobilproduktion in Süddeutschland. Bild: dpa | Bild: Daniel Josling, dpa

Angesichts der außergewöhnlichen politischen Lage ergreifen auch immer mehr Firmenchefs direkt das Wort. Das hat Seltenheitswert. Im Normalfall überlassen sie die Kommunikation in politischen Belangen den Verbänden. Anders derzeit. Bedauerlicherweise sei es der Ampel-Koalition nicht gelungen, gemeinsam die Weichen für den Industrie- und Innovationsstandort Deutschland zu stellen“, sagte der Vorstandschef des Schramberger Leiterplattenspezialisten Schweizer Electronic, Nicolas Schweizer, der SÜDKURIER.

Entscheidend sei jetzt, „die Handlungsfähigkeit schnellstmöglich wiederherzustellen“, so der Chef des Familienunternehmens, das derzeit massiv unter der Konjunkturschwäche im Automobilbau leidet. Dringend notwendige Weichenstellungen müssten jetzt vorgenommen werden, um die deutsche Wirtschaft wieder auf Erfolgskurs zu bringen.

Stichworte seien „global wettbewerbsfähige Strompreise und einen beschleunigten Netzausbau, den Abbau von Bürokratie sowie eine Stärkung der Investitionskraft unserer Unternehmen“, sagte der Schwarzwälder Unternehmer unserer Zeitung.

Rainer Hüttenberger leitet den Bauzulieferer Sto aus Stühlingen im Schwarzwald
Rainer Hüttenberger leitet den Bauzulieferer Sto aus Stühlingen im Schwarzwald | Bild: Sto

Rainer Hüttenberger, Vorstandsvorsitzender des Stühlinger Dämmstoff-Weltmarktführers Sto, sagte, der Streit in den Ampelparteien habe „zu einer Lähmung der deutschen Wirtschaft geführt“. Auch weil Maßnahmen immer wieder angekündigt, dann aber nicht oder nur teilweise durchgeführt wurden.

Mittel zur Förderung der energetischen Gebäudesanierung seien beispielsweise zunächst in Aussicht gestellt worden, nur um dann schrittweise reduziert zu werden. „Wir setzen darauf, dass eine neue Regierung solche Themen und vor allem die dringend notwendige Stärkung des Wirtschaftsstandortes Deutschland konsequenter angehen wird“, sagte Hüttenberger dem SÜDKURIER.

Hoffen auf gute Beziehungen zu Nachfolge-Regierung

Andere Unternehmen wie der Rakentbauer Diehl Defence aus Überlingen oder ZF Friedrichshafen, kommentieren die politische Lage nicht. Ein Diehl-Sprecher sagte indes, man habe an den einschlägigen Schnittstellen „sehr gut mit der bisherigen Bundesregierung zusammengearbeitet“ und man beabsichtige, das auch in Zukunft zu tun. „Mit einer zukünftigen Bundesregierung in welcher Zusammensetzung auch immer.“