Der Zoff zwischen Management und Arbeitnehmervertretern bei Deutschlands zweitgrößtem Autozulieferer ZF Friedrichshafen, gewinnt an Schärfe. „Ich bin empört über die Ankündigung des Unternehmens, den Standort Gelsenkirchen-Schalke zu schließen“, sagte Achim Dietrich, Vorsitzender des ZF-Gesamtbetriebsrats. Die Belegschaft habe ihre Zusagen eingehalten, das Management nicht. Die Beschäftigten und deren Familien gingen nun „verunsichert in die Weihnachtsferien“.
Bei der Schließung von Schalke gehe es in Wirklichkeit „um eine Richtungsentscheidung des Vorstands gegen die Standorte in Deutschland“, sagte Dietrich. Im Inland beschäftigt der Stiftungskonzern vom Bodensee an rund 40 Standorten 53.000 Mitarbeiter, das ist knapp ein Drittel der weltweiten Belegschaft.

Das Werk in Gelsenkirchen-Schalke steckt schon länger in Schwierigkeiten. 2018 war der rund 350 Mitarbeiter starke Standort, in dem Fahrwerksteile hergestellt werden, in die roten Zahlen gerutscht. Ein bereits gefällter Schließungsbeschluss wurde im Folgejahr von Ex-Konzernchef Wolf-Henning Scheider rückgängig gemacht. Danach flossen mehrere Millionen Euro in den Standort. Unter anderem wurde der Versuch unternommen, in Gelsenkirchen die Produktion elektrischer Lkw-Lenkungen anzusiedeln.
Folgen weitere Werkschließungen?
Der Betriebsrat bezweifelt indes, dass die Bemühungen des Managements ausreichend waren. „Wenn der Wille im Vorstand bestehen würde, könnte in Schalke die Produktion ausgelastet werden“, sagte ZF-Betriebsratschef Dietrich. „Wir haben dort engagierte Fachkräfte und eine neu renovierte Infrastruktur.“
In der Vergangenheit hätte die Belegschaft, um das Werk zukunftsfähig zu machen, auf „tarifliche und übertarifliche Leistungen verzichtet“, im Gegenzug habe ZF zugesichert, eine Zukunftsperspektive auszuarbeiten. ZF argumentiert hingegen, wichtige Kundenaufträge seien nicht hereingekommen. Daher falle „die Basis für die Produktion am Standort in den kommenden Monaten weg“, wie ein ZF-Sprecher Ende November sagte.

Unter ZF-Vorstandschef Holger Klein, der seit Anfang 2023 im Amt ist, verstärkt ZF seine Restrukturierungsbemühungen. In einem vor mehreren Jahren noch von seinem Vorgänger Scheider angestoßenen Zielbildprozess macht Klein nun ernst. Alle Werke werden durchleuchtet und gemäß ihrer Wirtschaftlichkeit und Perspektiven gelistet. Klein hat in der Vergangenheit immer wieder betont, dass eine Folge auch Werksschließungen sein könnten – ein Szenario, das jetzt eintritt.

Ende November hatte ZF bereits das Aus für seinen nordrhein-westfälischen Stoßdämpfer-Standort Eitorf nahe Bonn mit knapp 600 Mitarbeitern angekündigt. Eine langfristige Fortführung der ZF-Produktion werde es dort nicht geben, hieß es damals von ZF. Eine Jobsicherung läuft hier, genau wie auf Schalke, Ende 2023 aus.
Bezeichnend für die Lage bei ZF ist auch, dass das Unternehmen am Friedrichshafener Stammsitz rund 5000 Beschäftigten in Entwicklung und Verwaltung die Zusage einer Jobsicherung bis 2028 bislang verweigert hat. Anfang Dezember erklärte der Betriebsrat daher Gespräche mit dem Management in der Sache für gescheitert. Seither stehen die Zeichen auf Konfrontation. ZF habe „keine Idee, was man mit dem Standort Friedrichshafen anfangen soll“, hieß es damals von Seite der Beschäftigtenvertretung.
ZF-Sprecher: Produktion in Deutschland wird teilweise ausgebaut
ZF beteuert nach wie vor in seine deutschen Produktionsstandorte zu investieren. Die Voraussetzungen und die Wettbewerbsfähigkeit müssten allerdings stimmen. Die Produktion werde zum Teil ausgebaut, sagte ein ZF-Sprecher und verwies auf neue Bänder zur Monate von Lkw-Getrieben in Friedrichshafen.
Dudenhöffer bringt erneut Börsengang ins Spiel
Den Stiftungskonzern drücken Milliardenschulden aus früheren Übernahmen, deren Refinanzierung immer teurer wird. Grund sind steigende Zinsen auf den Kapitalmärkten und der Entzug der Top-Bonität durch Ratingagenturen (Investmentgrade). Klein versucht daher, mit einem harten Sparkurs gegenzusteuern.
Außerdem stehen milliardenteure Teile des Konzerns zum Verkauf, etwa der Bereich für passive Fahrzeugsicherheit. In einer Analyse für die „Wirtschaftswoche“ sagte der Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer jüngst, die Angst unter den Beschäftigten sei nun spürbar. Um Geld hereinzubekommen, regte er einen Börsengang von ZF an.