Mitten in der schwersten Krise seit Jahrzehnten verliert der Automobilzulieferer ZF seinen Chef-Kontrolleur. Wie das Unternehmen am Mittwoch mitteilte, habe Aufsichtsratschef Heinrich Hiesinger angeboten, „sein Amt und sein Mandat vorzeitig zur Verfügung zu stellen“. Nach reiflicher Überlegung und in enger Absprache hätten die beiden ZF-Gesellschafter das Angebot angenommen“, sagte Friedrichshafens OB Simon Blümcke.

Blümcke vertritt im Aufsichtsrat den ZF-Mehrheitseigner Zeppelin-Stiftung. Man sei Hiesinger „sehr dankbar für die Möglichkeit, die Leitung des Aufsichtsrates frühzeitig zu übergeben, so der OB. Gleichzeitig dankte er dem 64-Jährigen für dessen „herausragende Arbeit“.

Er habe ZF in herausfordernden Jahren „konstruktiv begleitet und wesentliche Impulse“ gesetzt. Hiesingers Vertrag lief turnusgemäß bis März 2028. Für eine weitere Amtszeit wäre er aus persönlichen Gründen nicht zur Verfügung gestanden.

Heinrich Hiesinger führte den ZF Aufsichtsrat von Anfang 2022 bis Mitte März 2025.
Heinrich Hiesinger führte den ZF Aufsichtsrat von Anfang 2022 bis Mitte März 2025. | Bild: ZF Friedrichshafen AG

Nachfolger Hiesingers wird mit Rolf Breidenbach (62) ab sofort ein Manager ähnlichen Alters, aber mit anderer Prägung. Der promovierte Maschinenbauer war Partner bei der Unternehmensberatung McKinsey und zwischen 2004 und 2022 Chef des Zulieferers Hella.

Seit zwei Jahren sitzt er auch im ZF-Aufsichtsrat, seit Mittwoch nun als Vorsitzender. Er besitze „herausragende Qualifikationen, den anspruchsvollen Transformationsprozess des Konzerns konstruktiv zu begleiten“, so Blümcke.

Rolf Breidenbach ist seit Mitte März 2025 neuer Vorsitzender des ZF-Aufsichtsrats. Er war einst Chef von Hella.
Rolf Breidenbach ist seit Mitte März 2025 neuer Vorsitzender des ZF-Aufsichtsrats. Er war einst Chef von Hella. | Bild: ZF Group

Der Wechsel an der Spitze des ZF-Kontrollgremiums fällt zeitlich mit einer Verschärfung der Krise bei ZF zusammen. Erst gestern war nach Recherchen des SÜDKURIER bekannt geworden, dass der Stiftungskonzern im abgelaufenen Geschäftsjahr unter dem Strich einen hohen Millionenverlust eingefahren hat.

Am morgigen Donnerstag gibt das Unternehmen seine Bilanzkennzahlen für das Jahr 2024 offiziell bekannt und veröffentlicht auch einen Ausblick auf 2025. Dass dieser nicht sonderlich optimistisch ausfallen wird, ist ein offenes Geheimnis.

Der seit Anfang 2023 amtierende ZF-Chef Holger Klein hat dem Unternehmen einen drastischen Sparkurs verordnet und will insgesamt sechs Milliarden Euro Kosten einsparen. Bis Ende 2028 sollen bis zu 14.000 Stellen im Inland abgebaut werden. Mit dem Standort Gelsenkirchen ist ein erstes ZF-Werk schon dicht gemacht worden, weitere könnten folgen.

Außerdem geht Klein daran, Unternehmensteile auszugliedern, um sie kapitalmäßig für Partner zu öffnen oder fit für einen Börsengang zu machen. Der Druck, zügig Geld in die Kassen zu bekommen, ist hoch, denn ZF drücken dem Vernehmen nach Zinsbelastungen für Kredite in Höhe von rund einer Dreiviertelmilliarde Euro pro Jahr.

Neuer Chef hat ähnliche Ansichten zu Strategie

Breidenbach und ZF-Chef Klein hätten in Sachen Strategie und Unternehmensführung „ein ähnliches Grundverständnis“, sagte der langjährige Branchenbeobachter Ferdinand Dudenhöffer dem SÜDKURIER. Als ehemalige McKinsey-Führungskräfte „ticken beide gleich“. Das könnte sich in der aktuellen Lage des Konzerns als Vorteil herausstellen, so der Automobilfachmann.

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Hiesinger hingegen wurde vom damaligen OB Andreas Brand unter anderen Prämissen ins Amt gehoben. Der aus einer Bauernfamilie von der schwäbischen Alb stammende Aufsteiger galt auch in Arbeitnehmer- und Gewerkschaftskreisen als vermittelbar – nicht zuletzt, weil er sich in seiner Zeit als Thyssen-Krupp-Chef an der Seite der IG Metall vehement gegen eine Zerschlagung des Montan-Konzerns stemmte. Außerdem hatte er Erfahrung im Umgang mit Stiftungsgremien. Ähnlich wie bei ZF steht auch hinter Thyssen-Krupp eine Stiftung.

Allerdings gilt Hiesinger auch als Aufsichtsratschef, der den ehemaligen ZF-Chef Wolf-Henning Scheider nicht in seine Schranken wies und dessen Strategie, ZF mit viel Geld zu einem Systemanbieter in gleich mehreren Bereichen zu entwickeln, mittrug. Die teuren Ausflüge, etwa ins autonome Fahren, werden heute als einer der Gründe für ZFs angespannte Finanzlage angesehen. Auch deshalb habe Hiesinger zuletzt an Rückhalt verloren, heißt es.

Die frei gewordene Position im ZF-Aufsichtsrat soll mit der aktuellen Stihl-Finanzchefin, Ingrid Jägering, besetzt werden. Die 58-Jährige solle in Kürze gewählt werden, hieß es.