Kerstin Steinert, Viktoria Nitzsche und Angela Stoll

Zucker ist eine Erfindung des Teufels. Zumindest scheint es so, wenn man der Verbraucherorganisation Foodwatch Glauben schenken darf. Laut den Experten des Vereins sind vor allem Limonaden wie Coca-Cola und Co. „flüssige Krankmacher“. Der Weltmarktführer bei Limonaden trage auch in Deutschland eine „entscheidende Mitverantwortung“ für die Zunahme von Krankheiten wie Fettleibigkeit und Diabetes, erklärt Foodwatch. Aber stimmt das? Ist der Zucker wirklich so schädlich?

Sind Zuckergetränke wirklich „flüssige Krankmacher“?

„Das stimmt so sicher nicht“, sagt Baptist Gallwitz, Arzt und Präsident der Deutschen Diabetes Gesellschaft. „Hoher Zuckerverbrauch hat nur einen indirekten Einfluss auf die Entstehung von Diabetes.“ Wer nämlich viel Süßes konsumiert, läuft Gefahr, zu viele Kalorien zu sich zu nehmen und übergewichtig zu werden. Das wiederum erhöht das Risiko, an Diabetes Typ 2 zu erkranken. „Bei der Entstehung der Krankheit spielen mehrere Faktoren eine Rolle, nämlich zu wenig Bewegung, eine zu hohe Kalorienzufuhr und die Gene“, erklärt Gallwitz.

Bringt eine Zuckersteuer, wie sie in Großbritannien erlassen wurde, etwas?

Das kann man pauschal nicht sagen, findet Nadia Röwe, Ernährungswissenschaftlerin beim Bundeszentrum für Ernährung. „Letztlich liegt es auch an den Menschen, wie aufgeklärt sie über die Zucker-Thematik sind.“

Welche körperlichen Schäden kann zu viel Zucker verursachen?

Einfache Kohlenhydrate, wie sie Zuckriges und Weißmehl liefern, sind für Menschen bedenklich, die metabolisch krank sind, also Übergewicht, Bluthochdruck, schlechte Blutfettwerte und eine Insulinresistenz haben. Solche Kohlenhydrate werden nämlich schnell im oberen Dünndarm gespalten und aufgenommen, wie Andreas Pfeiffer, Ernährungswissenschaftler am Berliner Uniklinikum Charité, erklärt. „Glukose bewirkt eine Hormonausschüttung, die den Stoffwechsel ungünstig beeinflusst“, sagt er.

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Es wird ein Hormon aktiviert, das Übergewicht fördert. Außerdem kann man eine Fettleber entwickeln, die das Diabetes-Risiko erhöht. Fruchtzucker (Fruktose), der in der Industrie häufig als Süßungsmittel eingesetzt wird, ist besonders tückisch. „Er bewirkt zwar keine Hormon­ausschüttung, muss aber direkt in der Leber verarbeitet werden“, sagt Pfeiffer. Fruktose in großen Mengen kann dazu führen, dass Fett in der Leber eingelagert wird und eine Fettleber entsteht.

Univ. Prof. Dr. med. Andreas Pfeiffer
Univ. Prof. Dr. med. Andreas Pfeiffer | Bild: Till Budde, dpa

Wie viel Zucker steckt denn überhaupt in Coca-Cola und Co.?

In einer Flasche Coca Cola (500 ml) stecken unglaubliche 17,5 Stücke Würfelzucker. Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen rechnet vor: Stecken in einer Limonade auf 100 Milliliter neun Gramm Zucker, summiert sich das bei 1,5 Litern auf 135 Gramm Zucker. Selbst bei fünf Gramm pro 100 Milliliter kommt man noch auf 75 Gramm Zucker pro 1,5 Liter. Das entspricht etwa 18 gestrichenen Teelöffeln.

Warum ist viel Zucker in Getränken wenig gesund?

„Das Problem ist, dass Haushaltszucker sehr schnell ins Blut übergeht, aber keinen Sättigungseffekt hat“, sagt Pfeiffer. „Es sind einfach zusätzliche Kalorien, die wir unkontrolliert aufnehmen.“ Das trage bei einem nicht unerheblichen Teil der Bevölkerung zur Fettleibigkeit bei. Das bestätigt auch Röwe: „Alle Limonaden enthalten viele Kalorien, aber keine oder kaum Vitamine. Deshalb sprechen Ernährungswissenschaftler von leeren Kalorien.“

Was bedeuten die Bezeichnungen „light“ und „zero“?

Wer weniger Zucker trinken will, greift oft zu Zero- oder Light-Getränken. Tatsächlich ist es so, dass in Light-Getränken etwa 30 Prozent eines bestimmten Nährstoffes reduziert wurden. Das muss nicht automatisch Zucker sein. Es kann sich hierbei auch um Fett handeln. Wer lieber zur Zero-Variante greift, kann davon ausgehen, dass in dem Produkt nur 0,5 Gramm Zucker pro 100 Milliliter vorhanden sind. Solch ein geringer Zuckergehalt beeinflusst den Stoffwechsel so gut wie gar nicht.

Limonade enthält große Mengen Zucker.
Limonade enthält große Mengen Zucker. | Bild: Monika Skolimowska, dpa

Sind Säfte gesündere Alternativen?

Auch in Säften ist viel Zucker enthalten. Neben dem hohen Zuckeranteil hat der Saft aber auch Vitamine und Mineralstoffe. „Es sind also keine leeren Kalorien“, so Röwe. Saft wird von Ernährungsexperten übrigens wie Obst behandelt. Zwei Portionen pro Tag sind empfohlen. Gelegentlich kann ein Glas Saft also eine Portion Obst ersetzen.

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In welchen Lebensmitteln versteckt sich noch Zucker?

Der Stoff versteckt sich in vielen Lebensmitteln wie zum Beispiel in herkömmlichem Naturjoghurt. In einem 150-Gramm-Becher stecken ganze sechs Würfelzucker – auch wenn er fettarm ist. Auch Rotkohl im Glas ist gespickt mit Zucker. In einem großen Glas (etwa 680 Gramm) Rotkohl stecken etwa 75 Gramm Zucker – das entspricht 25 Zuckerwürfeln. Ein gewichtiger Zuckerlieferant ist Obst, welches in Dosen konserviert wird. Um das Obst länger haltbar zu machen, wird es in eine Sirupflüssigkeit eingelegt. Vor allem die Ananas, die schon von Natur aus viel Zucker enthält, sticht hier heraus.

Dosen-Ananas beinhaltet bis zu 18 Stück Würfelzucker. Eine richtige Kalorienbombe ist Ketchup. In 500 Millilitern stecken etwa 43 Zuckerwürfel. Einen überraschend hohen Zuckeranteil hat auch Saucenbinder: Ganze 19 Zuckerwürfel in nur einer Packung. Auch bei Baby-Milchbrei wird Zucker zugesetzt. Es können sogar bis zu sechs Zuckerwürfel pro 100 Gramm vorkommen. Hier raten Experten lieber Brei zu kaufen, welcher Maltodextrin beinhaltet. Dieser Zucker schmeckt weniger süß und liefert dabei genauso viel Energie.

Auch in Baby-Milchbrei ist Zucker enthalten.
Auch in Baby-Milchbrei ist Zucker enthalten. | Bild: Armin Weigel – stock.adobe.com

Woran erkenne ich, wie viel Zucker in Lebensmitteln steckt?

Auf Nährwerttabellen muss in Deutschland die genaue Zusammensetzung des Produktes stehen. Dort sind Fette, Proteine (Eiweiße) und Kohlenhydrate aufgelistet. In den Unterpunkten wird dann der Zucker aufgeführt. Allerdings ist dieser nicht immer mit Zucker betitelt. „Verbraucher sollten allerdings bedenken, dass nicht nur in Limonaden Zucker enthalten ist. Man muss den Anteil in allen Lebensmitteln zusammenrechnen“, erklärt Röwe. Die nächste Schwierigkeit: Es gibt über 70 Namen für Zucker, darunter Acesulfam, Dextrose, Xylit, Aspartam, Gerstenmalzextrakt, Invertzuckersirup und Glukosesirup.

Gibt es guten und schlechten Zucker?

„Haushaltszucker ist für unseren Körper generell nicht gut geeignet“, erläutert Ernährungswissenschaftler Pfeiffer. Die Saccharose besteht aus Glukose und Fruktose. Glukose (Traubenzucker) fördere einen schnellen Insulinanstieg und Fruktose (Fruchtzucker) habe bei mehr als 30 Gramm am Tag eine negative Wirkung auf die Leber. Pfeiffer hält Süßstoff in normalen Mengen nicht für dramatisch. „Er ist auf jeden Fall weniger problematisch als Zucker.“ Wieland Kiess, Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin des Uniklinikums Leipzig, sieht das anders. „Durch Süßstoff verändern sich Bakterien im Darm und auch die Verdauung“, sagt er. Das könne Hungergefühle fördern. Süßstoff sei keine Lösung.

Fertiggerichte enthalten häufig Zucker als Geschmacksverstärker.
Fertiggerichte enthalten häufig Zucker als Geschmacksverstärker. | Bild: Patrick Pleul, dpa

Ist ein Verzicht auf Zucker gut?

Ein vollständiger Verzicht ist nicht notwendig, findet Expertin Röwe. Es komme eher auf das richtige Maß an. „Ein Verzichtsgedanke kann sogar ähnlich wie bei einer Diät das Gegenteil, nämlich Heißhunger und damit den Jo-Jo-Effekt, bewirken“, erläutert sie. Da der Körper Zucker aus stärkehaltigen Lebensmitteln wie Getreide oder Kartoffeln gewinnen kann, braucht man nicht unbedingt zusätzlichen Zucker.

 

Wie viel Zucker pro Tag ist in Ordnung?

Das kommt darauf an, wen man fragt. Die Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) rät: Zehn Prozent der täglichen Energiezufuhr dürfen in Zuckerform aufgenommen werden. Das entspricht 50 Gramm pro Tag. Die Weltgesundheitsorganisation WHO sieht das aber anders. Sie empfiehlt, möglichst nicht mehr als 25 Gramm täglich zu konsumieren – ein Ziel, das sich laut DGE „praktisch nur schwer erreichen lässt“. Denn wie viel Zucker man über den Tag hinweg verzehrt, weiß kaum jemand genau. „Das fängt morgens bei den Cornflakes an“, sagt Ernährungswissenschaftlerin Silke Restemeyer von der DGE. Die meisten solcher Produkte enthalten Zucker. (as)