Während der Pubertät bemerkte Gerdi K. (Name geändert), dass sich ihr Körper ungleichmäßig entwickelte. Hüfte und Oberschenkel passten nicht mehr zu ihrer ansonsten eher zierlichen Figur, sondern wurden überproportional dick. Sport und Diäten reduzierten den Umfang nicht. Mit den Jahren wurden die Unterschiede zwischen Körperstamm und Extremitäten immer auffälliger. Nach einem jahrelangen Leidensweg, in dessen Verlauf sich neben unerträglichen Schmerzen in Beinen und Armen auch Begleiterkrankungen wie Diabetes mellitus einstellten, erhielt Gerdi K. die Diagnose: Lipödem.
So wie Gerdi K. ergeht es bundesweit schätzungsweise zwischen drei und vier Millionen Frauen. Sie leiden an massiven schmerzhaften Auftreibungen der Beine und in den meisten Fällen auch dicken Armen bei gleichzeitiger Unauffälligkeit der Füße und Hände. Dabei weiß ein Großteil der Betroffenen nicht einmal, dass sie ein Lipödem haben. Weil viele Mediziner noch nie oder nicht ausreichend von Lipödem gehört haben und diese Krankheit daher weder eindeutig diagnostizieren noch geeignete Therapiemöglichkeiten vorschlagen können. Weshalb der Großteil der Mediziner die Betroffenen häufig als einfach übergewichtig einstuft.
„Ich war bei mehreren Ärzten. Jeder sagte mir, teilweise mit einer unglaublichen Brutalität, ich solle mehr Sport treiben und abnehmen, dann würden auch die Schmerzen verschwinden“, sagt Gerdi K. Selbst bei einem Gewicht von 68 Kilo bei 1,62 Meter Körpergröße rieten ihr die Ärzte noch zur Gewichtsreduzierung.
Nur ein Arzt erkannte, dass hinter den Beschwerden das Krankheitsbild Lipödem steckt. „Auf einmal hatte ich eine Diagnose. Das hat mich einerseits erleichtert. Andererseits war die Aussicht auf ein Leben mit dieser Krankheit alles andere als ermutigend.“ Denn das Lipödem ist mit konservativen Therapien nicht heilbar. Die Beschwerden können lediglich mit lebenslanger Lymphdrainage und Tragen von Kompressionskleidung gelindert werden.
Die Aussicht auf das lebenslange Tragen von Kompressionskleidung und zweimal wöchentlichem Gang zur Lymphdrainage war für die heute 47-Jährige keine Option. Auf der Suche nach einer Alternative zur konservativen Therapie stieß sie auf den Düsseldorfer Dermatologen und Lymphologen Dr. Manuel Cornely. Er entwickelte eine spezielle Methode, mit der die krankhaften Fettzellen aus den betroffenen Körperregionen gewebeschonend abgesaugt werden. Bei der von ihm entwickelten Lympholigische Liposculptur nach Prof. Cornely™ wird zunächst eine Tumeszenzflüssigkeit in die Beine, beziehungsweise Arme gespritzt. Diese Flüssigkeit besteht aus einer Kochsalzlösung, Adrenalin zur Verengung der Gefäße und einem Mittel zur lokalen Betäubung.
Dadurch kann in den meisten Fällen auf eine Vollnarkose verzichtet werden, was wiederum das Operationsrisiko mindert. Die kranken Fettzellen saugen sich mit der Flüssigkeit voll. Nach einer Einwirkzeit von ein bis zwei Stunden wird das aufgelöste Fett mit speziellen Sonden abgesaugt. Hier unterscheidet sich die Liposuction von einer kosmetischen Fettabsaugung. Während dort die Absaugkanülen über Kreuz (Criss-Cross-Technik) eingesetzt werden, erfolgt die Liposuktion bei Lipödem ausschließlich achsengerecht und unter anatomischer Berücksichtigung des Verlaufs der Lymphbahnen. Durch die Verwendung von stumpfen Sonden werden zudem die Lymphbahnen geschont.
Gerdi K. hat sich bewusst für diese Operationsmethode entschieden, „weil es für mich nach vielen Recherchen auch über andere Methoden als die einzig schlüssige OP-Methode erschien.“ In der von Professor Dr. Cornely und dem Plastischen Chirurgen Dr. Matthias Gensior speziell für die operative Therapie des Lipödems eingerichteten Klinik für operative Lymphologie CG Lympha in Köln hat sie sich von Dr. Matthias Gensior operieren lassen.
Drei Operationen, je eine an den Beinaußen- und Innenseiten und eine an den Oberarmen waren notwendig, um sie von dem krankhaften Fett zu befreien. Die Operationen sind minimalinvasiv. Das heißt, dass lediglich einige kleine Hautschnitte gemacht werden, in die die Vibrationssonden zum Absaugen eingeführt werden. Nach der Operation werden die Hautschnitte nicht verschlossen. Sondern bleiben offen, damit das Wundwasser abfließen kann. Etwa acht Tage nach der Operation sind die Hautschnitte verschlossen, es bleiben keine Narben.
Zwischen den Operationen lagen jeweils rund vier Wochen, in denen die Operationsfelder abheilen konnten. Unmittelbar nach den jeweiligen Operationen verspürte die Patientin eine deutliche Verbesserung. „Die Schmerzen waren, abgesehen von den Operationsschmerzen, sofort weg. Ich konnte wieder ohne Schmerzen gehen und die Arme bewegen.“

Nach der OP: Das krankhafte Fettgewebe wurde entfernt. Die Haut hängt schlaffer.
| Bild: Roland SprichInzwischen ist Gerdi K. praktisch schmerzfrei. Und hat wieder an Lebensqualität gewonnen. „Ich bin froh, dass ich mich für die Operation entschieden habe. Trotz der enormen Kosten.“ Eine vollständige Liposculptur an den Beininnen- und Außenseiten sowie an den Oberarmen kostet, mit Anästhesie und jeweils eintägigem stationären Klinikaufenthalt immerhin rund 16 000 Euro. Und wird in der Regel bislang nicht von den Krankenkassen bezahlt. Wenngleich es sich bei der Lympholigische Liposculptur nach Prof. Cornely™ nicht um eine kosmetische, sondern um eine medizinisch notwendige Operation handelt.
Ob sich dies für die Zukunft ändert, bleibt abzuwarten. Der Gemeinsame Bundesausschuss, der festlegt, welche Leistungen in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherungen aufgenommen werden, befasst sich bereits seit 2014 intensiv mit der Frage, ob die operative Maßnahme bei Lipödem in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen aufgenommen werden soll.
"Zehn Prozent der Frauen sind betroffen"
Dr. Matthias Gensior ist Facharzt für Plastische und Ästhetische Chirurgie. Er erläutert das Krankheitsbild und die spezielle Lymphologische Lipo-sculptur nach Prof. Cornely.
Herr Dr. Gensior, Sie bezeichnen die Operationsmethode als Liposculptur. Was ist der Unterschied zur Lipo-suktion?
Liposuktion ist sozusagen der Überbegriff für eine Fettabsaugung. Die Lymphologische Liposculptur nach Prof. Cornely bezeichnet eine besondere, lymphgefäßschonende Fettabsaugung. Um hier klar auszudrücken, dass es sich hierbei nicht um eine ästhetische, sondern eine medizinisch notwendige Operation handelt, haben wir das Verfahren umbenannt.
Worin liegen die Risiken?
Es sind wirklich große Operationen mit großen Wundflächen, die annähernd bis zu einem Fünftel der Körperoberfläche betragen. Wir saugen die Beine zirkulär ab. Das kann man nicht in einer Sitzung machen. Sondern wir teilen die in die Beinaußen- und Innenseiten auf. Dabei handelt es sich aber um minimalinvasive Operationen. Das heißt, wir machen nur einige wenige Schnitte, die nach Abheilung nicht mehr nachweisbar sind. Die große Wundfläche bedingt, dass sich viel Gewebewasser bildet, das ablaufen muss. Hierin liegt das eigentliche Risiko. Das eiweißreiche Wundwasser ist ein extrem guter Nährboden für Keime.
Lipödem ist eine anerkannte, wenn auch selbst unter Medizinern wenig bekannte Krankheit. Weshalb bezahlen die Krankenkassen dies operative Methode bislang nicht?
Das Lipödem beeinflusst die Betroffenen zwar in ihrer Lebensqualität massiv negativ, ist aber nicht lebensbedrohlich oder führt zum Rollstuhl. Die Schwierigkeit für die Krankenkassen besteht nicht darin, dass sie das Lipödem als Krankheit anerkennen. Sondern darin, dass sie nicht ausschließen können, wann jemand kein Lipödem hat. Wir betreiben hier an der CG Lympha ja auch Grundlagenforschung. Und es ist uns bislang nicht gelungen, ein zuverlässiges, objektives Kriterium zu finden, womit ich eine Ausschlussdiagnose stellen kann. Würden die Krankenkassen die operative Behandlung des Lipödems in ihren Leistungskatalog aufnehmen, würde es innerhalb kürzester Zeit keine Reiterhosen und keine dicken Beine mehr geben. Das wären dann alles Lipödeme. Im Übrigen sind Reiterhosen keine Erkrankung, sondern lediglich eine Fettverteilungsveränderung.
Was würde passieren, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss die operative Behandlung in den Leistungskatalog der Krankenkassen aufnehmen würde?
Es würde vermutlich ein massiver Missbrauch stattfinden von Frauen, die sich mit der Diagnose Lipödem vorstellen würden, die in Wirklichkeit kosmetisch-ästhetische Probleme haben. Man würde ganz vielen Frauen Unrecht tun, die tatsächlich ein Lipödem haben und sie in einen Topf werfen mit den Frauen mit ästhetischen Probleme. Patientinnen mit Lipödem haben kein kosmetisches, sondern ein medizinisches Problem.
Gäbe es denn genügend Mediziner, die diese Operation durchführen könnten?
Zurzeit nicht. Man geht davon aus, dass etwa zehn Prozent der weiblichen Bevölkerung ein Lipödem hat. Bei uns wären das locker drei bis vier Millionen Frauen. Wobei nicht jede Frau operiert werden muss. Leichte Formen muss man nur behandeln. Grundsätzlich muss ich ein Lipödem gar nicht operieren. Es ist gut, dass es seit einigen Jahren die Möglichkeit, es zu tun.
Fragen: Roland Sprich