„Das Thema ist ein Aufreger“, bringt es Matthias Bauer von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg auf den Punkt. Bauer meint damit die Nachricht, dass der Mannheimer Energieversorger MVV angekündigt hat, bis 2035 aus der Gasversorgung auszusteigen – laut Bauer ein „Schock“ für viele Verbraucher.
Laut Medienberichten hat das Mannheimer Energieunternehmen vor, sich bis 2035 aus dem Gasnetz zurückzuziehen. Begründet wird der Schritt mit dem Klimaschutz – aber auch damit, dass die Netzentgelte immer höher werden und sich das Gasnetz so nicht mehr lohne.
Klar ist: Durch das Klimaschutzgesetz sind fossile Energiequellen ab 2045 ohnehin verboten, das Land Baden-Württemberg will sogar bereits fünf Jahre früher Treibhausgasneutralität erreichen. Das Mannheimer Unternehmen verweist in ihrer Begründung zum Gas-Aus auf die Politik: Die gebe die Richtung vor.
Stadtwerke in VS werden ab 2040 nicht mehr mit Gas versorgt
In Villingen-Schwenningen beschäftige man sich laut Pressesprecher der Stadtwerke VS (SVS), Oliver Bauer, mit dem Weg zur Klimaneutralität bereits seit drei Jahren. Er sagt: Der Netzbetreiber der SVS wird seine Erdgaslieferung bis 2040 voraussichtlich einstellen. Eine Stilllegung des Gasnetzes sei aber komplex und müsste „erstmal mit unseren Gremien besprochen werden und das ist bisher noch nicht geschehen“, sagt Oliver Bauer. Ihren Kunden rate die SVS zur „Besonnenheit“, möchte aber auch dazu anregen, sich mit alternativen Heizsystemen auseinanderzusetzen.
Gas wurde immer gebraucht – das ändert sich jetzt
Auch die Stadtwerke Konstanz beschäftigen sich mit dem Gasausstieg, bestätigt Pressesprecher Christopher Pape. Ab 2040 soll hier ebenfalls kein Gas mehr durch die Leitungen fließen – dafür Wasserstoff, voraussichtlich. Da stehe man aber „ganz am Anfang der Debatte“. „Kunden müssen sich aber nicht fürchten, von heute auf morgen von der Energieversorgung abgeschnitten zu werden“, rudert er zurück.
Pape erklärt die Entscheidung der MVV mit dem „Produktlebenszyklus“: Wenn ein Produkt eines Herstellers nicht mehr gefragt ist, muss er seine Produktion entweder umstellen oder schließen. Die Versorgungsbranche habe solche Lebenszyklen bisher nicht gekannt, Strom, Gas und Wasser seien immer gebraucht worden. Das ändere sich für den Gasbereich jetzt deutlich, sagt Pape. In Konstanz sei man aber noch nicht an dem Punkt, wo Fixkosten im Vergleich zum Absatz in einem „krassen Missverhältnis“ stehen.
Das Stadtwerk am See in Friedrichshafen geht gemeinsam mit der Stadt Meersburg in Sachen klimafreundlicher Alternative einen eigenen Weg. Kürzlich habe man in Überlingen eine der, nach eigenen Angaben des Unternehmens, größten Solarthermieanlagen in Baden-Württemberg eröffnet. Man realisiere so gemeinsam mit der Stadt Meersburg die erste Seewärme-Versorgung am Bodensee.

Das Stadtwerk in Friedrichshafen sieht im Wasserstoff „ein gewisses Potenzial“, das man in der Region pushen will. Ein konkretes Ausstiegsdatum will man aber nicht nennen: „Wir halten es für problematisch, ein Ausstiegsdatum für die Gasversorgung zu nennen und die ohnehin stark verunsicherten Kunden weiter zu verunsichern“, sagt Pressesprecher des Stadtwerks, Sebastian Dix, auf Nachfrage.
Das Stadtwerk am See habe regional wie bundesweit viele neue Gaskunden für sich gewinnen können, bei neuen Gasheizungen sei jedoch ein Rückgang spürbar, „die Hürden sind durch die aktuelle Gesetzgebung deutlich höher geworden“, sagt Sebastian Dix.
Verbraucherzentrale rät, sich nicht verrückt machen zu lassen
Der VFEW ist ein Verband für Energie- und Wasserwirtschaft in Baden-Württemberg und vertritt nach eigenen Angaben über 220 Energie- und Wasserwirtschaftsunternehmen im Südwesten. Nach Ansicht vom VFEW-Geschäftsführer Torsten Höck werden Hausbesitzer „mitnichten“ mit ihren Ängsten und Sorgen bezüglich der Gasversorgung allein gelassen. „Aus unseren Mitgliedsunternehmen wissen wir, dass viel Aufklärungsarbeit betrieben wird“, sagt Höck.
Matthias Bauer von der Verbraucherzentrale kann der Debatte um den Energieversorger in Mannheim aber auch etwas Positives abgewinnen: Die Leute werden laut ihm zwar „wuschig“, wenn sie Ausstiegsszenarien hören, doch immerhin werde in Mannheim offen darüber geredet. „Die MVV plant und denkt darüber nach und sagt klar: ‚Leute, die Zeit wird knapp‘“, sagt Bauer.
Nach Einschätzung der Verbraucherzentrale steckt der Rückbau der Gasnetze noch in den Kinderschuhen, doch auf Verbraucher komme einiges zu. Er rät: Sich nicht verrückt machen zu lassen, zu schauen welche Alternativen möglich sind und sich unabhängig beraten lassen.