Überraschende Wendung für eine der wichtigsten Straßen in Südbaden: Das Tempolimit auf der A81, das seit Januar 2018 auf einer Länge von 19 bzw. 17 Kilometer gilt, muss ein gutes Stückweit zurückgenommen werden. Das Verwaltungsgericht (VG) in Freiburg gab mit seinem eben verkündeten Urteil einem privaten Kläger Recht. Das Urteil sagt, dass das Limit nördlich von Geisingen aufgehoben werden muss. Ab der Anschlussstelle Geisingen darf in Richtung Bad Dürrheim oder von dort kommend wieder unbeschränkt gefahren werden.

Die bisher geltende Höchstgeschwindigkeit war von Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) gegen große Widerstände durchgeboxt worden. In einem ersten Anlauf wollte Hermann 40 Autobahnkilometer unter Kuratel stellen. Daraus wurden dann 19 Kilometer. Seitdem dürfen zwischen der Anschlussstelle Engen und dem Parkplatz Unterhölzer Wald höchstens 130 Kilometer pro Stunde gefahren werden. Diese Regelung wirft das neue Urteil über den Haufen.

Der Kläger kennt sich aus

Das Verwaltungsgericht war auf die Argumentation des Klägers eingegangen. Über dessen Wohnort und Motivation wollte Gerichtssprecherin Lena Fischer nichts sagen, bestätigte aber soviel: Der Kläger befährt diesen Abschnitt der Autobahn regelmäßig und hat dabei deutliche Unterschiede festgestellt, was das Publikum und dessen Fahrgewohnheiten betrifft.

Sein Einwand gegen die bisherige Limitzone: Die „von der Poliziei getroffenen Feststellungen zu illegalen Autorennen“ seien nicht ausreichend. Während südlich von Geisingen und beginnend mit dem Aufstieg zum Immensitz kräftig Gas gegeben wird, gebe es nördlich von Geisingen kaum auffällige Raser und kaum illegal organisierte Autorennen. Der Abschnitt nördlich und der Abschnitt südlich weisen demnach verschiedene Nutzerprofile auf.

Raser treffen sich südlich

Das Gericht folgte dieser Beobachtung, die auch durch polizeiliche Überwachung bestätigt werde. „Das Streckenprofil südlich von Geisingen ist für Raser offenbar besser geeignet,“ sagte VG-Sprecherin Lena Fischer dieser Zeitung. Das hänge auch mit der Nähe zur Schweiz zusammen, woher die meisten Veranstalter von Privatrennen dann anreisen, sagt Fischer. Auf diesem Abschnitt werde das Höchsttempo weiterhin beschränkt. Die Polizei wird dort auch weiter kontrollieren. Außerdem weisen drohende Banner auf die Gefahren hin, die bei hohen Geschwindigkeiten auftreten können.

Nördlich von Geisingen und Richtung Dürrheim (oder von dort kommend) sei das nicht der Fall. „Eine qualifizierte Gefahrenlage“ und damit belastbare Zahlen seien nicht gegeben, sagt Lena Fischer. Auch das Polizeipräsidium Konstanz habe bestätigt, dass derartige Rennen nördlich von Geisingen in Richtung Baar keine Rolle spielen.

Lärmschutz? Fehlanzeige

Lärmschutz spielt in diesem Urteil keine Rolle. Es ging nur um den Raser-Tourismus, der von der A 81 regelrecht angezogen werde. Nicht berücksichtigt werden vom Verwaltungsgericht die Klagen der Gemeinde Geisingen, die in die entgegengesetzte Richtung zielen. Im vergangenen Jahr hatte der Gemeinderat der Stadt eine Resolution verabschiedet, um die schlechte Situation des Ortes vor Augen zu führen. Tempo 130 könne nur der Anfang sein. Die Resolution hält fest, dass die Trasse der Schnellstraße das Stadtgebiet durchschneidet. Die Schallreflektionen auf die Siedlungsgebiete seien enorm. Besonders der Ortsteil Kirchen-Hausen sei betroffen. Zudem sei das Verkehrsaufkommen in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Die kreuzende B 31 trage dazu bei, dass noch mehr Verkehr angelockt und auf die Autobahn geleitet werde.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Parteien können noch einen Widerspruch einlegen.