Katy Cuko und Kerstin Mommsen

Die Bauern in Deutschlands führender Obstanbauregion am Bodensee kämpfen mit harten Bandagen, um gegen ein Volksbegehren zum Artenschutz „Rettet die Biene“ mobil zu machen. Dabei verschärft sich der Ton immer mehr, manches Vorgehen wirft gar handfeste juristische Fragen auf.

Eine Liste zum Anschreiben

So sandte der Kreisbauernverband (KBV) Tettnang einen Brief an seine knapp 1000 Mitglieder mit der Aufforderung, die Unterstützer des Volksbegehrens anzuschreiben und sie „auf ihre Verantwortung für regionale Produktion hinzuweisen“. Angehängt war eine Liste mit detaillierten Informationen über rund 100 Bienenfreunde – Namen, Adressen, Telefonnummern und Ansprechpartner.

Hunderte grüne Kreuze sollen Stimmunggegen das Volksbegehren machen.
Hunderte grüne Kreuze sollen Stimmunggegen das Volksbegehren machen. | Bild: Lino Mirgeler

Das Vorgehen, persönliche Informationen von Kritikern breit zu streuen, ruft Kritik hervor. Thomas Forster, Justiziar des auf Datenschutz spezialisierten Dienstleisters datenschutz süd GmbH in Würzburg, sagte unserer Zeitung, das Vorgehen sei „höchstwahrscheinlich nicht konform mit der Datenschutzgrundverordnung“.

Probleme mit Datenschutz

Insbesondere hätten die Tettnanger Bauernfunktionäre die genannten Personen über die Erhebung und Nutzung der Daten nicht nur informieren, sondern diese auch auf ihr Widerspruchsrecht hinweisen müssen. Laut einer Handreichung der Deutschen Datenschutzkonferenz (DSK) ist das Auslesen der Daten aus einem Online-Impressum zum Zweck der werblichen Nutzung zudem „nicht zulässig“.

Der Bauernverband gibt sich unbeeindruckt. Die umstrittene Liste habe ein Ortsobmann erstellt, erklärt Dieter Mainberger, Vorsitzender des KBV Tettnang, der den Brief unterschrieben hat. Er gibt zu, dass er dafür die Impressen jener Firmen recherchiert habe, die auf der Internetseite von „Pro Biene“ als Unterstützer aufgeführt sind. Sonst hätte das ja jeder Landwirt selber machen müssen. Dass dieses Vorgehen datenschutzrechtlich nicht zulässig ist, habe er nicht gewusst. „An so etwas haben wir überhaupt nicht gedacht“, sagte er.

Der Imker Tobias Miltenberger ist der Initiator des Volksbegehrens.
Der Imker Tobias Miltenberger ist der Initiator des Volksbegehrens. | Bild: Sebastian Gollnow

Die Folgen der Aktion bekommen nun immer mehr Unternehmen im südlichen Baden-Württemberg voll zu spüren. Der Geschäftsführer des auf Öko-Produkte spezialisieren Reinigungsmittelherstellers Sonett aus Deggenhausertal nahe Salem, Gerhard Heid, schickte unserer Zeitung ein „unsägliches Schreiben“, das er von einer Bäuerin aus Kressbronn erhalten habe. Manche Landwirte greifen zu noch drastischeren Methoden.

Vaude zieht zurück

Auch der Bergsportausrüster Vaude aus Tettnang wurde angeschrieben. Dabei hatte Vaude an einem runden Tischen mit den betroffenen Bauern teilgenommen und diverse Gespräche geführt. „Das waren konstruktive Gespräche, daher haben wir uns dazu entschieden, im Dialog mit den Bauern bleiben zu wollen“, sagt Antje von Dewitz, Vaude-Geschäftsführerin. Die Konsequenz des Unternehmens, das für seine nachhaltige Wirtschaftsweise schon mehrfach ausgezeichnet wurde: Vaude ließ das Firmenlogo bereits vor vier Wochen von der Plattform des Volksbegehrens entfernen. Trotzdem machten die Bauern weiter mobil.

Antje von Dewitz spricht offen von „Einschüchterungsversuchen, die gegen sie persönlich gerichtet waren“. Die gipfelten darin, dass direkt vor ihrem Wohnhaus zwei große grüne Kreuze aufgestellt wurden. Damit werde auch ihre Familie mit in den Konflikt gezogen, was sie „sehr belastet und betroffen macht“. Das Unternehmen nehme bewusst Rücksicht auf die Existenzängste der umliegenden Landwirte und möchte keinen Beitrag zur Polarisierung leisten, heißt es auf Nachfrage unserer Zeitung.

Doch auch diese Entscheidung wird dem Sportartikelkonzern negativ ausgelegt. „Hier ist wohl die Erkenntnis gereift, dass die eigene Profilierung durch Ökopopulismus zum Schaden der heimischen Landwirtschaft der falsche Weg ist“, kommentieren beispielsweise Tettnanger Hopfenpflanzer den Schritt auf ihrer Facebookseite.

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„Allerdings haben wir kein Verständnis für manche Bauern, die viel Energie darauf verwenden, Vaude schlecht zu machen.“ In Langenargen hat ein Landwirt einer lebensgroßen Puppe einen Strick um den Hals gelegt und sie in einem Feld an ein Gerüst gehängt. „Naturdenkmal Artenschutz„ steht daneben.

Auch Volksbegehren-Gegner schimpfen

Aufgehängte Puppen, persönliche Angriffe: „Das geht leider unter die Gürtellinie“, sagt Hubert Hengge, Geschäftsführer des Maschinenrings Tettnang. Er spricht aber von Einzelnen, die wegen existenzieller Sorgen mit dem Rücken zur Wand stünden. „So etwas ist unterirdisch, das geht gar nicht“, schimpft auch Martin Hahn, der für die Grünen im Landtag sitzt und selbst Öko-Landwirt ist. Diplomatie sei eben nicht unbedingt des Bauers Stärke.

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Auch der Bierbrauer Härle und die Insel Mainau haben ihr Logo entfernt. „Wir sind zwar nicht mehr offizieller Unterstützer des Volksbegehrens, dennoch halten wir es weiterhin für sinnvoll und wichtig“, so Antje von Dewitz. Genauso wie den Dialog mit den Landwirten, denn deren Existenzängste nehme man sehr ernst, heißt es von Vaude.

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So läuft das Volksbegehren

  • Unterschreiben: Von heute an dürfen Unterschriften für das Volksbegehren gesammelt werden. Wahlberechtigt sind deutsche Staatsbürger, die mindestens 18 Jahre alt sind und seit mindestens drei Monaten in einer baden-württembergischen Kommune mit Erstwohnsitz gemeldet sind. Wahlberechtigte können die Formblätter auch im Internet herunterladen und an das Wahlamt ihrer Gemeinde schicken. Vom 18. Oktober bis 17. Januar können sich Bürger auch in den Rathäusern in Listen eintragen. Jeder zehnte Wahlberechtigte in Baden-Württemberg – etwa 770 000 Menschen – muss unterschreiben, damit der Gesetzentwurf dem Landtag zur Abstimmung vorgelegt wird.
  • Volksabstimmung: Wenn die Abgeordneten dem Entwurf nicht unverändert zustimmen, gibt es eine Volksabstimmung. Der Landtag könnte den Forderungen der Naturschützer dann auch einen eigenen Entwurf entgegenstellen. Bei der Volksabstimmung müssten mindestens 20 Prozent der Wahlberechtigten zustimmen. (dpa)
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