Immer mehr Baden-Württemberger sind impfberechtigt – und ab Montag in Arztpraxen sogar alle. Hier fällt ab 17. Mai die Impfpriorisierung für alle Impfstoffe. Anders verhält es sich in den Impfzentren – doch auch hier sind mehr Menschen berechtigt. Was nun wo gilt.

Darf ich mich ab Montag unabhängig von Alter und Krankheiten beim Hausarzt zur Impfung anmelden?

Ja, fast. 16 Jahre alt muss man sein, da es für jüngere Menschen noch keinen zugelassenen Impfstoff gibt. Sonst sind aber keinerlei Nachweise einer Impfberechtigung mehr zu erbringen. Klar ist allerdings auch: Es gibt weiterhin nicht genügend Impfstoff, um jeden sofort zu impfen. „Eine Aufhebung der Priorisierung bedeutet mehr Flexibilität für die Ärzteschaft und nicht, dass ein gesunder Mensch mit Mitte 20 schon nächste Woche einen Impftermin bekommt“, erklärt ein Sprecher des Sozialministeriums auf Anfrage. Die allermeisten Ärzte führen bereits Wartelisten, wie sie diese abarbeiten, ist nun ihnen überlassen. Die Ärzte werden „die Patienten entsprechend der Vorerkrankungen und familiären Situationen in die Praxen einbestellen“, erklärt Manfred King, der Sprecher des Hausärzteverbandes in Baden-Württemberg, auf SÜDKURIER-Anfrage.

Warum hebt das Land für Ärzte die Priorisierung auf?

Mehr Flexibilität und weniger Bürokratie will das Land den Ärzten auf diese Weise ermöglichen, wie das Sozialministerium informiert. Die Ärzte selbst wüssten am besten, wen sie bei der Impfung priorisieren müssen. Im persönlichen Gespräch könnten so auch Vorbehalte gegen gewisse Impfstoffe abgebaut werden, erklärt ein Ministeriumssprecher.

Wie bewerten die Hausärzte selbst diesen Schritt?

Der baden-württembergische Hausärzteverband fordert die Aufhebung der Priorisierung schon seit Längerem. Der 1. Vorsitzende Berthold Dietsche begrüßte auf Anfrage die Aufhebung. Die Hausärzte würden ihre Patienten am besten kennen und wissen, wer die Impfung benötigt. Wartelisten könnten nun leichter abgearbeitet werden. „Wenn jetzt noch der gewünschte und bestellte Impfstoff in den Praxen ankommt, können wir einen großen Schritt in Sachen Impfung machen“, so Dietsche.

Droht nun nicht die endgültige Überlastung der Ärzte?

Das wichtigste Wort, das die Politik in diesem Kontext gebraucht, ist Geduld. „Solidarisch sein“, fordert Sozialminister Manfred Lucha. Der Druck sei schon jetzt „enorm groß“, erklärt auch Hausärzte-Sprecher Manfred King. Ob die Freigabe die Situation um aggressiv auf Termine drängende Patienten weiter eskalieren lassen wird, sei aber offen: „Die kommenden Wochen und die Verfügbarkeit der Impfstoffe werden entscheidend sein, ob sich die Lage weiter verschärft oder nicht.“

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Erhalten die Hausärzte dann auch mehr Impfstoff?

Das Land ist an der Impfstoffversorgung der Praxen nicht beteiligt und verweist auf den Bund. Nach dessen Planungen bleibt die Liefermenge in den kommenden Wochen stabil und steigt erst im Juni deutlich. Derzeit sind für die kommende Woche bundesweit 1.579.500 Dosen Biontech und 843.250 Dosen Astrazeneca für die Praxen angekündigt, das ist sogar minimal weniger als in dieser Woche. Anziehen soll die Versorgung ab Juni: Hier sind wöchentlich über 3,4 Millionen Dosen allein an Biontech für die Hausarztpraxen in Deutschland angekündigt. Dazu kommen je nach Liefermenge und Verwendung Dosen von Astrazenca, Johnson & Johnson und – falls bis dahin zugelassen – Curevac.

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Dürfen nun auch Betriebsärzte ohne Priorisierung impfen?

Nein. Hier laufen derzeit ohnehin nur Modellprojekte, flächendeckend sollen sie erst ab Juni mitimpfen.

Was gilt in den Impfzentren?

Hier bleibt es bei der Priorisierung – allerdings wird sie erweitert. Ab Montag ist die komplette Priorisierungsgruppe 3 impfberechtigt. Aus dieser Gruppe bereits berechtigt waren die über 60-Jährigen und Menschen mit diversen Vorerkrankungen. Nun kommen noch zahlreiche Berufsgruppen dazu, unter anderem Angestellte im Lebensmitteleinzelhandel, Mitarbeiter von Paket-Verteilzentren, Schornsteinfeger, Saisonarbeiter und viele mehr. Auch Menschen in besonders relevanter Position (das Land erklärt hier, wie das zu verstehen ist) der kritischen Infrastruktur (das Land erklärt hier, was dazu zählt) sind berechtigt. Das Land führt die – sehr detaillierte – Liste der neu Impfberechtigten auch hier auf, relevant sind die Punkte 23 bis 28.

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Warum wird die Priorisierung nicht auch in den Impfzentren aufgehoben?

Das liege daran, dass Hausärzte besser beraten könnten und selbst am besten wissen, wer die Impfung am dringendsten brauche, erklärt ein Ministeriumssprecher. In den Impfzentren werde dagegen mit der Priorisierung dafür gesorgt, dass Menschen mit hohem Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf oder mit hohem Ansteckungsrisiko weiterhin zuerst geimpft werden. Das Land stellt in seiner Mitteilung aber für Anfang Juni eine Aufhebung der Priorisierung auch in den Zentren in Aussicht.

Wie weit sind wir denn schon mit dem Schutz der gefährdeten Altersgruppen?

„Bei den über 60-Jährigen geht die Impfquote bereits auf die 70 Prozent zu“, erklärt Sozialminister Manfred Lucha. Damit gemeint ist die Quote der Erstimpfungen, vollständig geimpft ist in Baden-Württemberg rund jeder Vierte über 60. Von den unter 60-Jährigen haben rund 20 Prozent eine Erstimpfung, vollständig geimpft sind etwa 4 Prozent.