„Wir haben uns in den Arm genommen und erst mal geweint“, beschreibt Wilfried Gehr den Moment, als er und seine Partnerin Orly Louk in Sulz vom Tod ihrer Nichte Shani Louk erfuhren. Die Nachricht bekamen sie direkt von Shanis Mutter Ricarda Louk aus Tel Aviv. „Gleichzeitig kamen die Meldungen über die Medien“, schreibt Gehr in einer E-Mail an den SÜDKURIER.
Shani Louk war am Tag des Terrorüberfalls der Hamas auf Israel bei einem Festival nahe der Grenze zu Gaza. Bis Montag ging die Familie noch davon aus, dass sie schwer verletzt in einem Krankenhaus liegt.
Die Hoffnung nie aufgegeben
„Es war fast unerträglich“, beschreibt Gehr die vergangene Zeit der Ungewissheit. Es sei eine Zeit zwischen Hoffnung und Angst gewesen, in der die Familie mit dem Schlimmsten gerechnet hätte. „Aber wir haben uns immer vor Augen gehalten, dass sie stark ist und den Willen zum Leben hat und daher die Hoffnung nie aufgegeben.“
Seit Montag herrscht jedoch traurige Gewissheit. Shani Louk liegt nicht in einem Krankenhaus im Gazastreifen – sie ist tot. Anhand einer DNA-Analyse eines Schädelteils bestätigte das israelische Militär am Montagmorgen ihren Tod und benachrichtigte umgehend ihre Mutter Ricarda Louk.
„Die Familie funktioniert derzeit einfach nur“
Nun wird Orly Louk, Tante von Shani Louk, nach Israel fliegen. „Im jüdischen Glauben ist das so, dass die ‚Shiva‘, die siebentägige Trauer, in den Familien gemacht wird“, schreibt Gehr. Die Shiva ist keine Beerdigung. Denn Shani Louks Körper sei noch immer nicht gefunden worden. „Die Shiva findet ohne den Körper statt“, erklärt er.
Dass seine Partnerin nun ins Krisengebiet fliegt, gefällt Wilfried Gehr nicht. Aber er zeigt Verständnis. „Sie will nur die Ricarda, Shani Louks Mutter, ihre Familie in den Arm nehmen und zusammen trauern.“ Nach dem Schock funktioniere die Familie derzeit einfach nur.
Wilfried Gehr kritisiert Baerbock
Zur Hoffnung und Angst seien in den vergangenen Wochen immer wieder Ärger und Enttäuschung hinzugekommen. Von den Behörden, dem Auswärtigen Amt und auch von der Botschaft habe sich die Familie verlassen gefühlt, schreibt Wilfried Gehr.
Dass Annalena Baerbock und ihr Amt wie von der Außenministerin behauptet in ständigem Kontakt mit den Familien gestanden habe, stimme nicht. Auch Baerbocks Besuch in Israel sieht Gehr kritisch. Als die Außenministerin nach Israel kam, hätten sie sich als Statisten missbraucht gefühlt.
Aber Wilfried Gehr berichtet auch von der großen Unterstützung, die die Familie erreichte: „Wir bekamen während der ungewissen Zeit viel Unterstützung und Mitgefühl von Freunden und Bekannten aber auch von wildfremden Menschen.“
Manche Überschrift in den Medien hätte sie schockiert, der Umgang sei jedoch durchweg fair und kooperativ abgelaufen. Auch die SÜDKURIER-Redaktion erreichten Nachrichten von Lesern, die der Familie ihr Beileid bekundeten und die Anteil an ihrem Schicksal nahmen.
Gehr hofft auf ein baldiges Ende des Krieges in Israel – und verbindet mit Shani Louks Tod auch einen Wunsch: „Hoffentlich bekommen wir auf der ganzen Welt irgendwann Menschen an die entscheidenden Stellen, die wie Shani an den Frieden und das Gute glauben.“