Lieber Peter Lenk,
Sie sind wieder in den Schlagzeilen. Großartig! Es wäre schlimm, wenn über den Bodmaner Figurenkönig nicht mehr gesprochen und gestritten würde. Aber auf den Lenk ist Verlass! Dennoch war ich irritiert, als ich jetzt von einer „Überlinger Posse“ las. Schon wieder Überlingen! Kaum ist der walsernde Bodenseereiter ins Walhall der Dichtkunst entrückt, wo er sein Standbild endgültig nicht mehr ertragen muss, geben Sie in der Stadt des gehobenen Seebürgertums den Eulenspiegel.
Wer Lenk seine Tore öffnet, muss sich auf Feuer einstellen. Von daher trifft der Name Ihrer Ausstellung „Das Trojanische Pferd“ den Nagel auf den Kopf. Der Bildhauer steigt aus dem hölzernen Bauch und hat die Lunte dabei: Einen Flyer mit dem Kopf des Laokoon Kretschmann, auf Leben und Tod ringend mit der Anakonda S21 und garniert mit dem Diktum des weisen Regierungschefs, wonach in der Demokratie nicht die Wahrheit, sondern die Mehrheit entscheide.
Völlig richtig der Satz! Warum ließen die Überlinger Stadtkommandanten die schon gedruckten Prospekte einstampfen? Ich teile Ihren Ärger über den duckmäuserischen Versuch der Entmannung Ihrer 3D-Karikaturen. Das Kretschmann-Wort geht auf den genauso angesehenen Richard von Weizsäcker zurück, der es 1986 als Bundespräsident aussprach. Es ist also voll zitierfähig.
Stuttgart 21, das ist durch!
Was mir allerdings auf den Zeiger geht, ist, dass Sie diese fast klassische Sentenz zum Slogan Ihrer inzwischen etwas ermüdenden, weil in die Jahre gekommenen Agitation gegen Stuttgart 21 machen. Gäähn. Über den Tiefbahnhof wurde abgestimmt, er ist bald fertig, und ob in dem Betonloch nun mehr Wahrheit oder mehr Irrtum drinsteckt, blickt sowieso kein Mensch mehr.
Sicher, die Kulturfuzzis im Hauptstädtle wollten Ihren Laokoon nicht haben, den Krieg um Troja hinter dem Ganzen nicht mehr sehen. Schade. Sie sind bei der Sache, wie damals beim Konstanzer Imperialismus, allerdings voll auf Risiko gegangen. Aber wo kein Wagnis, da kein Gewinn, wie Luther sagte, und dem stehen Sie in puncto Sprachmächtigkeit nicht nach. Ein Treffen mit Lenk, der nicht erklärt, deutet, lästert und schimpft, ist möglich, aber sinnlos.
Wir brauchen neue Geschichten
Bitte, lieber Herr Lenk, kloppen Sie die alten Bahnhofskamellen in die Tonne und erzählen Sie uns neue Moritaten. Ringen Sie nicht mehr mit Papa Kretschmann, sondern mit den Halbgeistern, die jetzt Ihre kritische Aufmerksamkeit verdienen.
Wir bestellen bei Ihnen: Den Kleinkanzler Olaf Scholz, den Kinderbuchautor Robert Habeck, die Reisefee Annalena Baerbock, den Sylter Hochzeitsbaron Christian Lindner, den in seiner Machtferne tragischen Friedrich Merz oder den Klebstoff-Kardinal Rainer Maria Woelki. Ein Panoptikum für das Bodmaner Kollektiv der schaffenden Hände und des satirischen Floretts! Krisen bringen Künstler Stimmung. Wir freuen uns auf neue Enthüllungen!