Es ist das Bild blinder Zerstörungswut: Die Fassade des gerade fertiggestellten Wohnkomplexes in der Vogtgasse in Blumberg wirkt, als sei ein Tornado daran vorbeigefegt. Abgerissene Balkone, eingeschlagene Fenster, herausgerissene Bruchstücke aus der Fassade: Zu verantworten haben soll dies ein 47-jähriger Bauunternehmer.
Der Mann, der an dem Bau beteiligt gewesen ist, heißt Matija P., ist als einer der beiden Geschäftsführer des Bauunternehmens aus Landau in der Pfalz, die Mitelbau GmbH, im Netz zu finden.

Nach Angaben der Polizei setzte sich der Mann am Mittwochabend gegen 19.30 Uhr in seinen Bagger und begann, das Gebäude zu zerstören.
Videos zeigen Zerstörung
In den sozialen Netzwerken kursieren Videos, die das Geschehen zeigen sollen und die von vielen Nutzern in der Region geteilt werden.
In einem Video ist im Hintergrund eine junge Mutter mit kleinem Kind zu hören, die offenbar nicht fassen kann, was sie da sieht: Chiara Frick hat mit dem SÜDKURIER gesprochen und bestätigt, dass sie das Video aufgenommen und die Tat beobachtet hat.
Die Videos zeigen: Stück für Stück nimmt der Bagger die Fassade auseinander, reißt die Balkone herab, drückt mit der Schaufel Fenster und Balkontüren ein. Die Polizei schätzt, dass dabei ein Schaden in Höhe von etwa einer halben Million Euro entstanden ist.
Bei dem Gebäude handele es sich um einen Neubaukomplex mit etwa 30 Wohneinheiten. Zur Tatzeit hat sich jedoch niemand im Gebäude aufgehalten, so die Polizei.
Auch dazugehörige Garagen, auf denen mehrere Gasflaschen standen, wurden bei dem mutwilligen Abriss in Mitleidenschaft gezogen. Weil auch Gasbehälter beschädigt wurden und Explosionsgefahr nicht sofort ausgeschlossen werden konnte, sperrte die Polizei das Gelände zunächst großflächig ab.
Nach der Zerstörungsaktion soll der Mann mit seinem Auto davongefahren sein, stellte sich aber laut Polizei kurz darauf selbst. Als Grund für die massive Zerstörung machte der Unternehmer demnach ausstehende Zahlungen geltend, die ihm seiner Meinung nach zu Unrecht vorenthalten worden sind.
Wie der SÜDKURIER erfuhr, soll der Unternehmer an einer Eigentümerversammlung am Dienstag teilgenommen und diese wütend verlassen haben. Dabei habe er den Auftraggeber beschimpft und geschrien: „Ich brauche mein Geld“.
Aus der Nachbarschaft ist zu vernehmen, der Baggerfahrer sei nach der Tat aus dem Bagger gestiegen, habe sich eine Zigarette angezündet und gesagt: „So, jetzt habe ich meine Arbeit getan.“ Ingo Fangerow, Geschäftsführer des Bauträgers „Blumberg Sonnenblick Grundwert GmbH“ mit Sitz in Berlin, mutmaßt, der Bauunternehmer könne an psychischen Problemen gelitten haben.
Gebäude fertig zur Übergabe
Fangerow gibt an, der Bau sei am Mittwochvormittag von der Baubehörde abgenommen worden. Am Nachmittag nahm der TÜV demnach noch den Aufzug und die Fahrstühle ab.

Die 31 Wohnungen sind demnach alle verkauft. Niklas Bennewitz von der „Blumberg Sonnenblick Grundwert GmbH“ ergänzt, dass bereits am Donnerstag zehn Wohnungen an die ersten Mieter übergeben werden sollten. Das Gebäude sei nun aber vorerst nicht bewohnbar. Vorerst bleibt das Gebäude für die Öffentlichkeit gesperrt. Der SÜDKURIER durfte es mit Erlaubnis des Bauherrn und entsprechenden Schutzvorkehrungen betreten.
Bürgermeister erschüttert von der Tat
Blumbergs Bürgermeister Markus Keller ist erschüttert. Die Tat sei verheerend, sagt er dem SÜDKURIER. Er gibt an, der mutmaßliche Täter habe den Bagger extra bestellt, der Vermieter des Baggers habe sich noch gewundert, weshalb der Kunde jetzt noch einen so großen Bagger mit 25 Tonnen bestelle, er habe geantwortet: für die Außenanlagen.
Verwickelte Unternehmensstruktur
Aber wie kam es zu der Auftragsvergabe und welche Unternehmen stehen hinter dem Bauprojekt? Vor Ort ist die Gehfa Immobilienservice GmbH nach SÜDKURIER-Informationen federführend, eine Verwaltungsgesellschaft, die ihren Sitz ebenfalls in Berlin hat. Geschäftsführerin ist demnach Anke Fangerow, geborene Hradek. In welcher Verbindung sie zu Ingo Fangerow steht, ist unklar.
Nicolas Bennewitz von der Gehfa GmBH hatte zum Bauprojekt erklärt, es handele sich um ein reines Anlegerprodukt. Bennewitz ist als Geschäftsführer der ASCU Grundwert GmbH zu finden, die ebenfalls in Verbindung mit Ingo Fangerows Firmenkonglomerat steht. Fangerow war zuvor als Geschäftsführer der ASCU Grundwert GmbH eingetragen.
Der Auftrag für die Umsetzung des Baus ging an die Baufirma Mitelbau GmbH. Ein Anruf des SÜDKURIER dort wird direkt auf die Mailbox umgeleitet, sie gehört Matija P. Auf der Webseite der Firma sind Bilder zu sehen, die dem Bau in Blumberg ähneln. Auf eine Rückrufbitte reagiert der Unternehmer zunächst nicht.
Das Unternehmen ist nach Angaben der Firmendatenplattform Webvalid mindestens zwei Mal umgezogen seit seiner Gründung 2019. Als Stammkapital sind demnach 25 Millionen Euro eingetragen.
Laut Bauherr keine Zahlungsrückstände
Von ausstehenden Zahlungen will Bauherr Fangerow aber nichts wissen. „Er hatte wohl Panik, dass er einige Nachweise nicht bringen kann“, vermutet der Eigentümer des Wohnkomplexes stattdessen. Seiner Schilderung nach hatte Matija P. nach der Bauabnahme noch weitergearbeitet.
Fangerow vermutet, dass P. wegen eines hohen Verlusts bei einer anderen Baustelle in der Nähe in Blumberg alles daran setzen wollte, weitere Verluste zu verhindern.
In diesem Fall stimme das aber nicht: „Wir haben ihm bereits knapp 2,8 Millionen Euro bezahlt – bei einem Gesamtvolumen nur 2,9 Millionen.“ Er zeigt dem SÜDKURIER die Excel-Tabellen am Smartphone mit den exakten Kalkulationen.
Vielmehr habe der Unternehmer trotz Baurückstands bereits etwa 93 Prozent der Summe erhalten. Fünf Prozent werden üblicherweise als Gewährleistung einbehalten bis zur Fertigstellung. „Und dann posaunt er raus, er hätte sein Geld nicht bekommen – so eine Dreistigkeit“, schimpft Fangerow.
Bauunternehmer soll mit Zerstörung gedroht haben
Fangerow gibt an, dass Matija P. schon vor einer Woche im Gespräch mit dem Hausmeister gedroht haben soll, „er macht das Pflaster fertig und dann reißt er alles ab. Aber ich habe davon erst heute erfahren.“ Einen Streit oder ein hitziges Gespräch habe es nie gegeben. „Für mich fühlt sich das an wie ein terroristischer Anschlag“, sagt Bauherr Fangerow: „Es war sinnloser Gewaltakt mit einem Riesenschaden.“
Fangerows Befürchtung, dass das Gebäude möglicherweise abgerissen werden muss, bestätigte sich nicht. Statiker Markus Gilly beging das Gebäude mit dem Bauherren, der von der Polizei auf eine halbe Million geschätzte Schaden bestätigte sich dabei. Fangerow zeigte sich erleichtert: Der Schaden sei geringer als gedacht.
Anwohner sprechen über mutmaßlichen Täter
Wolfgang Mauri (62), wohnt direkt gegenüber des Schauplatzes: Er erzählt, wie Matija P. am Mittwochvormittag noch einmal mit einem Bagger angefahren kam. „Da haben wir uns gewundert, wofür er den braucht, weil doch fast alles fertig war.“ Mauri sagt: „Meiner Meinung nach war er ein prima Kerl, wir haben ihn schon länger gekannt. Er war immer nett und freundlich, hat uns vor einer Woche noch die Wohnungen gezeigt.“ Der Anwohner ist überzeugt: „Das war eine Kurzschlusshandlung.“
Auch die Blumbergerin Rita Zier zeigt Mitgefühl für den Baggerfahrer. Ihr tue der Mann leid, der das gemacht habe: „Der muss ja so verzweifelt gewesen sein“, glaubt sie.
Doch nicht alle sehen das so gelassen. Ein Blumberger, der anonym bleiben will, sagt: „Für so etwas gibt es keine Entschuldigung. Die, die eine Wohnung in dem Objekt gekauft haben, stehen jetzt schön da. So etwas kann man nicht gutheißen.“