Neun Meter hoch ist sie und zehn Tonnen schwer: Peter Lenks Stuttgart 21-Skulptur ist ein gewichtiger Beitrag zur Landesgeschichte. Und bald soll sie nun auch einen würdigen Platz finden, hofft der Künstler aus Bodman-Ludwigshafen. Nicht vor dem Tatort des satirischen Geschehens selbst soll sie zu stehen kommen: „Vor dem Bahnhof ist es viel zu eng, das hat keinen Wert“, sieht Lenk ein. Da würden ja die Leute, die einen genaueren Blick auf seine Skulptur werfen wollen, überfahren. Und darauf schauen werden sie wollen, schließlich gibt darin es 160 Figuren zu entdecken, etliche davon prominent.
Wer darauf zu sehen sein ist, wird erst am Tag der Aufstellung öffentlich. Der Künstler fürchtet Unterlassungsklagen – aus leidvoller Erfahrung. Aber steht das Ding erst einmal, finden die sich in satirischer Weise, meist nur leicht bekleideten Porträtierten meist damit ab. Deswegen muss bis zuletzt geheim bleiben, wer auf seinem neun Meter hohen Werk wie eine moderne Laokoon-Figur mit einem entgleisenden ICE als Schlange ringt. Auch wenn die meisten ahnen dürften, um welche einflussreiche Figur aus der Landesprominenz es sich handelt.

Kulturmeile statt Bahnhof
Statt dem Bahnhof ist der Charlottenplatz im Stuttgarter Zentrum in den Blick gerückt, den kennt der gelegentliche Besucher der Landeshauptstadt in der Regel vom Durchfahren: Links (oder rechts, je nach Durchfahrtsrichtung) geht es Richtung Königsstraße, Neues Schloss und Landtag, gegenüber liegen Haus der Geschichte, Staatsgalerie und das Stadtpalais. Dort soll nun, wenn es alles gut geht, Lenks Skulptur eine – zumindest vorübergehende – Heimat finden.
Lenk gefällt der anvisierte Ort für sein satirisches Denkmal: Das klassizistische Gebäude passe ja gut zu seiner Laokoon-Figur, die freilich mit einem entgleisenden ICE statt mit Schlangen ringt. Den Standsicherheitsnachweis habe er bereits erbracht, im September solle er die Genehmigung bekommen, berichtet Lenk. Doch eine gewisse Skepsis bleibt: „Bei Stuttgart kann man nie wissen“, sagt er.

Kommt das Projekt doch noch in den Gemeinderat?
Tatsächlich scheint die Sache mit dem Platz noch immer nicht ganz durch zu sein. Die Stadtverwaltung teilt dem SÜDKURIER mit, dass man noch prüfe, wie und wo Lenks Denkmal Platz finden könnte. „Wir werden dies auch mit den Fraktionen beraten und noch in diesem Jahr eine Entscheidung fällen“, heißt es in einer Mail von Sven Matis, Leiter der Pressestelle der Landeshauptstadt, vorsichtig.

Immerhin zeigt die Stadtverwaltung überhaupt Interesse, Lenks kritische Kunst auszustellen. Denn, auch wenn der Bodmaner wie üblich vorab keine Namen nennt, ist klar, dass etliche Spitzen aus Politik und Wirtschaft ihr Fett wegkriegen. Und dass Lenk wenig Positives über den tiefergelegten Bahnhof und die in ihn versenkten Milliarden zu sagen hat. „Kritik blenden wir nicht aus. Wo möglich und vielleicht auch nötig, verschaffen wir ihr Raum“, so die Pressestelle.

Zwei Jahre schon schafft der Rebell vom Bodensee schon an der mehrteiligen Skulptur. Er macht es aus Lust an der politischen Debatte und aus Überzeugung gegen den Bahnhof, der den Gegnern zufolge nur wenige Minuten Fahrzeitverkürzung und tendenziell weniger Züge bringen wird, neben etlichen anderen Scherereien, wie drohenden Verwerfungen durch aufquellenden Gipskeuper im Stuttgarter Untergrund.
Reich wird er damit nicht
Lenks Kunst schreit geradezu nach Auseinandersetzung, der Aufstellungsort ist bei ihm immer Teil der beabsichtigten Provokation: Man denke nur an die Konstanzer Imperia, oder den so genannten „Pimmel über Berlin“ am „Taz“-Gebäude und viele andere Figuren, die Lenk im Laufe seines künstlerischen Wirkens so geschaffen hat. Finanziellen Lohn kann der 74-Jährige dafür in der Regel nicht erwarten.
Im aktuellen Fall hat Lenk in etwa die 100.000 Euro an Materialkosten und Fremdarbeit für das aufwendige Projekt per Spenden zusammenbekommen. Seine 3000 Arbeitsstunden sind da nicht inbegriffen. „Freiheit oder Stundenlohn“, sagt Lenk. „So ist das halt.“ Deshalb soll Stuttgart das Werk auch nur als Leihgabe bekommen. Danach stellt Lenk das ganze eher noch in seinem vielbevölkerten Garten auf, anstatt es herzuschenken.
Bis Anfang Oktober hat der Künstler noch zu tun mit dem S21-Denkmal. Dann ist die in Epoxidharz gegossene Kritik fertig, das verspottete Projekt dürfte noch ein paar Jährchen brauchen.
Wer zu Lenks Denkmal finanziell beitragen will, erfährt mehr unter https://lenk-in-stuttgart.de/