Sein Leben war ein Kampf. Noch vor seinem 18. Geburtstag verlor Luis G. seinen Vater, und mit 19 Jahren erlebte er eine Osternacht des Grauens. Entführt und in einer Ferienwohnung in Konstanz-Fürstenberg festgehalten, erlitt er stundenlange Qualen. Die Täter entkleideten ihn, verbrühten ihn, schlugen ihn und drohten ihm mit dem Tod.
Der Grund? Eine angebliche Schuld bei einer Drogenbande. Doch der Junge aus Konstanz-Wollmatingen gab nicht auf. Er befreite sich aus den Fesseln, alarmierte die Polizei – und ein Spezialeinsatzkommando (SEK) stürmte die Wohnung, um seine Peiniger festzunehmen. Es war einer der größten Polizeieinsätze seit Jahren in der Konzilstadt.
Monate später, im November 2022, verurteilte das Landgericht Konstanz die Täter zu Haftstrafen. Die vier Männer, die Hauptangeklagten in diesem Verfahren, mussten für drei bis sechs Jahre ins Gefängnis. Zuvor hatte Luis G. aus Angst von einem geheimen Ort aus ausgesagt. Dass das Gericht weit unter den Forderungen der Ankläger blieb, überraschte nicht nur Prozessbeobachter. Die Staatsanwaltschaft ging in Revision, zog diese später aber wieder zurück.
Die Täter bekundeten Reue vor Gericht, geglaubt haben ihnen die Angehörigen des Opfers nicht. Nach Ostern 2022 war für Luis und seine Familie nichts mehr wie zuvor. Vor wenigen Tagen wurde er 21 Jahre alt. Nun ist er tot. Die Umstände des Todes sind noch völlig unklar. Unterdessen verbreiten sich in der Stadt bizarre Gerüchte, die hier nicht weitergegeben werden sollen.
Mandant ist tot, Verfahren geht weiter
Fest steht bisher nur: Seine Leiche wurde am Donnerstag, 8. Februar, im Gemeindegebiet Radolfzell gefunden, „zur Todesursache ist bei der Staatsanwaltschaft Konstanz ein Verfahren anhängig, das die Klärung der bislang unbekannten Todesursache zum Gegenstand hat“, antwortet der Leitende Oberstaatsanwalt Johannes-Georg Roth auf eine Anfrage. Die Identität des Toten bestätigt er nicht, doch an dieser gibt es nach SÜDKURIER-Recherchen keine Zweifel mehr.
Außerdem ist klar: Der Strafprozess ist nicht das einzige Verfahren zur Aufarbeitung jener Osternacht. Luis G. verklagte seine Peiniger auf Schadensersatz. Das bestätigten zwei Anwälte. Einer von ihnen ist Rafael Fischer, der Luis G. schon als Nebenkläger vor der Strafkammer vertrat und auch nach seinem Tod für ihn weiter streitet. Er ist spezialisiert auf Opferschutzrecht.
Die andere ist Strafverteidigerin Vera Eberz. Sie vertritt den Mann, der die längste Haftstrafe verbüßt, derzeit in Heidelberg einsitzt und hier einen Drogenentzug macht. Alle Peiniger von Ostern sind noch hinter Gittern.
Wo wurde Luis G. gefunden?
Der 21-Jährige soll sich am Tag vor dem Schmotzigen Donnerstag bei einem Bekannten in Radolfzell aufgehalten haben. In dessen Wohnung sei er auch verstorben, berichtet Anwalt Fischer. Die Kriminalpolizei ermittelt, der Leichnam des jungen Mannes soll sich in der Freiburger Rechtsmedizin befinden.
Luis G. wird also obduziert, ein toxikologisches Gutachten werde erstellt. Erst danach stehen Todesursache und Zeitpunkt fest. Warum er nach Radolfzell kam, was nur eine viertelstündige Zugfahrt von Wollmatingen entfernt liegt, ist unklar.
Sicher ist: Das Verfahren vor einer Zivilkammer des Landgerichts Konstanz wird fortgesetzt. Die Ansprüche wurden rechtzeitig angemeldet, die Familie kann diese weiter für den Verstorbenen einfordern. Es geht dabei unter anderem um einen Ausgleich in Höhe von 50.000 Euro. Fischer: „Der Tod meines Mandanten ist kein Befreiungsschlag für die Beteiligten. Das Verfahren geht ganz normal weiter.“
Wie erging es Luis nach dem ersten Urteil?
Der 21-Jährige lebte seit Jahren in Angst. Sein Anwalt sagt, das habe sich auch nach seiner Flucht ins Exil im Schwarzwald nicht geändert. Sein Mandant habe ihm von weiteren Morddrohungen berichtet. Luis G. suchte schon vor seiner Entführung Zuflucht in Drogen. Nach dem Verfahren sei es schlimmer geworden. Er habe sich aber in Therapie begeben.
Anwalt Fischer hat seinen Mandanten zuletzt im Herbst 2023 gesehen. Ein lieber Kerl sei das gewesen – aber vom Pech verfolgt. Nach dem Urteil im November 2022 sei sein Mandant unter ungeklärten Umständen schwer am Kopf verletzt worden, sagt Fischer. Wie es dazu kam, ist auch hier: unklar.
Auch für Fischer ist das ein ungewöhnlicher Fall: Welche Lehre zieht er daraus? „Wenn das Leben aus den Fugen gerät, muss man sich an Familie und sein Umfeld halten und Hilfe in Anspruch nehmen. Sonst ist man auf sich allein gestellt“, sagt er. „Wenn man seine Probleme verdrängt, führt das zu einer Überforderung. Und das ist gefährlich.“