Das Team steht parat. Es sind Profis, und ihre Namen, Gesichter und Biografien sind zu ihrem Schutz anonym. Der wichtigste Mann ist ein professioneller und erfahrener Fährtenleser, der Wälder und Gelände mit den Augen eines Wildtieres lesen kann und das Team auf die Spur bringt.

Der Fährtenleser entschlüsselt Routen und Wildwechsel selbst dort, wo auch erfahrene Jäger den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sehen, und grenzt das Zielgebiet ein.

Zum Rest des Teams gehört ein Wildbiologe und ein Scharfschütze, darauf trainiert, Zielobjekte mit einem Schuss zu treffen und zu töten. Sie sind das „Wolfs-Entnahmeteam“ des Landes Baden-Württemberg und stehen seit 2018 auf Werksvertragsbasis im Dienst des baden-württembergischen Umweltministeriums. Denn immer wieder gibt es Fälle von Wolfsangriffen – zuletzt auch in der Region, im Hotzenwald ebenso wie im Hochschwarzwald.

In Stunden bereit

Im Einsatz waren das Geheimteam bislang aber noch nicht. Aber kommt eines Tages der behördliche Anruf, bringt sich das Team binnen Stunden in Stellung. Wenn Zeit ist, wird auch die örtliche Jägerschaft mit eingebunden. Der Einsatz endet erst, wenn der Auftrag erfüllt ist und der Wolf tot. Einen Wolf zu „entnehmen“, wie es das Behördendeutsch vorgibt, heißt nichts anderes, als ihn zu töten.

Ist Gefahr im Verzug, wird das Team auch in Rheinland-Pfalz, im Saarland oder in Hessen aktiv. Man kooperiert. Der Canis Lupus kennt schert sich nicht um Grenzen von Bundesländern, schon gar nicht um die von Jagdrevieren.

Nicht einmal der Staatssekretär kennt die Namen, sagt er

Noch nicht einmal André Baumann, Staatssekretär im baden-württembergischen Umweltministerium und mit der Wolfsthematik bis ins Detail vertraut, kennt die Namen der Teammitglieder, wie er einräumt. „Das ist eine Schutzmaßnahme“, sagt der Grünen-Politiker Baumann, der als ehemaliger Nabu-Landesvorsitzender den Wolf zwar willkommen heißt, aber an der Seite der Tierhalter und Landwirte steht, wenn es um den Schutz der Weidetiere geht.

Denn die Erfahrung etwa auch mit den Jägern, die 2006 einst den bayerischen „Problembären Bruno“ erschossen, zeigt: Wer öffentlich bekannt wird oder sich bekennt als jemand, der Wölfe oder andere Wildtiere tötet, begibt sich selbst in Gefahr und wird zum Zielobjekt von Anfeindungen, Angriffen oder gar Morddrohungen.

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Karl-Heinz Lieber, Abteilungsleiter für Naturschutz im Umweltministerium unterstreicht das: „Wir wollen und wir müssen unsere Jägerinnen und Jäger vor Hass und Hetze schützen.“

Der Wolf steht EU-weit unter strengem naturschutzrechtlichem Schutzstatus, wer ein Tier tötet, begeht eine Straftat, auf die Gefängnis steht. Das Natur- und Artenschutzrecht lässt im Einzelfall Ausnahmen zu. Dazu bedarf es aber einer genau geregelten „Entnahmegenehmigung“. Diese „Lizenz zum Töten“ wird erst erteilt, wenn es sich um einen Problem-Wolf handelt, der sich weit mehr hat zuschulden kommen lassen, als lediglich seinen natürlichen Instinkten nachzugehen und Beutetiere zu reißen.

Wolf meidet Mensch

Das wäre etwa der Fall, wenn ein Wolf gegenüber Menschen ein auffälliges, aggressives Verhalten zeigt. Im Normalfall meidet der Wolf den Menschen. „Begegnungen zwischen Menschen und Wölfen sind zwar sehr selten, kommen aber schon mal vor. Die Wölfe ziehen sich dann häufig, ich möchte fast sagen, geordnet zurück, sie flüchten nicht panisch“, sagt Ministeriumsexperte Lieber.

Auffällig wäre auch ein Tier, das wiederholt die ansonsten erprobten und wirksamen Herdenschutzmaßnahmen wie etwa korrekt angebrachte Elektrozäune überwindet – was in Baden-Württemberg seit Einführung des Wolfs-Managements 2015 noch nicht der Fall war.

In Baden-Württemberg erfasst, prüft und dokumentiert die Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt (FVA) in Freiburg alles, was mit dem Wolf zu tun hat. Sollten die FVA-Experten einen Problemwolf identifizieren, empfehlen sie die „Entnahme“. Das zuständige Regierungspräsidium müsste die artenschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung erteilen, anschließend das Umweltministerium den Auftrag an das Entnahmeteam erteilen.

Das Verfahren allerdings birgt Risiken. Freilich nicht für den Menschen. Seit 2018 wurden in Deutschland 21 Ausnahmegenehmigungen zur Entnahme eines Wolfs erteilt. Fünf Wölfe wurden in Folge entnommen – davon aber viermal der falsche Wolf.

Die größte Gefahr ist eine andere

Auch abgesehen davon bleibt das Leben für den Wolf gefährlich und das größte Risiko nicht die Kugel eines Jägers, sondern der Autoverkehr – 50 bis 100 Wölfe werden jedes Jahr in Deutschland überfahren. Es könnte also gut sein, dass das Entnahme-Team noch sehr lange auf den ersten Einsatz warten kann.