Die Ex-Frau von Heinrich XIII. Prinz Reuß lacht am Dienstag in der Pause auf dem Flur im Gespräch mit Journalisten. Wer denn von denen da ein Terrorist sein soll, fragt sie.

Was sich da in der Leichtmetall-Hochsicherheitshalle abspielt, in die das Oberlandesgericht den Frankfurter Teil des Antiterror-Verfahrens um Heinrich XIII. Prinz Reuß und acht weitere Mitangeklagte ausgelagert hat, ist für sie nur ein Ausfluss der Corona-Einschränkungen, deutet sie an.

Johanna Findeisen macht Angaben zu sich

Die Rede ist von dem in Summe der drei Verfahren in Frankfurt, Stuttgart und München größten Antiterrorprozess, den die bundesdeutsche Justiz seit Jahrzehnten zu bewältigen hat. Den Leuten sei langweilig gewesen, die hätten Hirngespinste geschmiedet.

Die Angeklagte, die gerade stundenlang über sich und ihr Leben erzählt hat, eine Terroristin? „Die ist so lieb, ich könnte sie umarmen“, sagt die Ex-Frau von Prinz Reuß über Johanna Findeisen-Juskowiak. Tatsächlich ist das Bild, das die Angeklagte aus Frickingen am Bodensee an diesem Tag im Prozess von sich zeichnet – in der „Einlassung zur Person“, wie es juristisch heißt – das Bild einer friedliebenden, unpolitischen, aber vielfach sozial und ehrenamtlich engagierten Frau, leicht flatterhaft, eher unbedarft, aber völlig harmlos.

Es ist ein Bild, das nur schwer mit Plänen zu einem gewaltsamen Umsturz der staatlichen Ordnung unter Einsatz von Waffengewalt in Einklang zu bringen ist. Und die Frage aufwirft, welche gemeinsame Basis die Angeklagte wohl mit den mutmaßlichen Mitverschwörern – Ex-Elitesoldaten, Bundeswehroffizieren, Waffennarren, Reichsbürgern oder auch mit Prinz Reuß, einem der beiden mutmaßlichen Rädelsführer, haben mag.

Prozessauftakt in Frankfurt gegen mutmaßliche Reichsbürger: Johanna Findeisen-Juskowiak verbirgt Gesicht und Kopf hinter einer Mappe und ...
Prozessauftakt in Frankfurt gegen mutmaßliche Reichsbürger: Johanna Findeisen-Juskowiak verbirgt Gesicht und Kopf hinter einer Mappe und unter einer Kapuze. Dahinter steht Heinrich XIII. Prinz Reuß. | Bild: Boris Roessler/dpa

Der Generalbundesanwalt klagt auch die 53-jährige Findeisen-Juskowiak, die nach mehreren beruflichen Stationen bis zu ihrer Verhaftung im Mai 2023 am Bodensee als freiberufliche Beraterin im Bereich Kommunikation tätig war, der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und der Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens an mit dem Ziel, die Bundesregierung zu stürzen.

Findeisen aber sagt, als sie dem Gericht erzählt, was sie antreibt und im Innersten bewegt: „Es gibt ja sehr viele Arten von Gewalt. Ich lehne Gewalt in jeglicher Form ab, das ist für mich ein Zeichen von Schwäche.“

Sie berichtet von ihrer glücklichen Kindheit mit Geschwistern und Eltern am Bodensee, vom Aufwachsen im Einklang mit der Natur und Tieren, geprägt von der Tätigkeit des Vaters in einer heilpädagogischen Einrichtung und im Geist der Lehre von Rudolf Steiner und der Waldorf-Pädagogik.

Auch ihre eigenen drei Kinder, mittlerweile alle in den Zwanzigern, um die sie sich früh allein kümmerte, habe sie in diesem Geist aufgezogen – ohne Fernseher und ohne digitale Medien, aber mit Respekt vor allem Leben, der Natur und Umwelt.

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Es ist der Bericht eine Frau, die bei vielen wechselhaften Stationen im Leben aus ihrer Sicht vor allem zwei Konstanten verfolgt hat: für ihre Kinder immer da zu sein und die Welt durch Liebe und Empathie für die Mitmenschen ein kleines bisschen besser zu machen, wie sie schildert.

Findeisen sei zufällig zur Partei Die Basis gekommen

Zu ihrem Engagement bei der Partei „Die Basis“, zu der sie letztlich über ihr Engagement als Landesdelegierte der Waldorf-Elternvertretung fand und bei der sie Landesvorsitzende wurde, 2021 für Landtag und Bundestag kandidierte, kam sie mehr zufällig, bestärkt durch die Corona-Maßnahmen. „2020 gab es erstmals eine schöne Auftragslage für mich als Coach. Dann kam der März 2020 mit Kontaktverbot, das hat mir den Boden weggezogen, meine Existenz bedroht.“

Der „Basis“-Ortsverein Überlingen habe sie angefragt, „früher hätte ich gesagt, ich mache eher ein Tantrastudio auf, bevor ich in die Politik gehe, weil ich dermaßen ungeeignet bin für die Politik“, sagt sie. Aber sie habe in dem Programm ihre Werte wiedergefunden, ihren Kampf für die „Freiheit von Geist, Körper und Seele“, wie sie sagt. Die Kandidatur habe sich auch für ihr berufliches Standbein als Coach als hilfreich erwiesen, Werbung für sie gemacht.

Ihr Bericht dauert über Stunden, ist etwas fahrig, wie sie selbst einräumt, immer wieder fallen ihr noch Details ein, sie springt zwischen ihren Lebensstationen hin und her. „Es ist für mich schwer, mich an mein Konzept zu halten“, bittet sie um Nachsicht, berichtet davon, dass sie in der U-Haft schlaflose Nächte habe, der Lärm durch Mitgefangene setze ihr zu.

Die 53-Jährige, die sich laut ihrem Wahlverteidiger Martin Schwab vorerst nur zur Person, aber nicht zur Sache, also zum Tatvorwurf selbst äußert, sticht aber auch jenseits ihrer Lebensgeschichte aus den Reihen ihrer Mitangeklagten und deren Verteidigerschar heraus.

Das liegt daran, dass sie fast immer ein Lächeln auf dem Gesicht hat oder mit ihrem Verteidigerteam während der Verhandlung vergnügt lautlos auflacht, sie legt dabei den Kopf in den Nacken und schüttelt die langen graublonden Haare. Von der Ausstrahlung her könnte sie hier auch mit Freunden beim unbeschwerten Austausch sitzen – wäre da nicht diese Anklage.

Richter geht auf empathische Art der Angeklagten ein

Auch der Vorsitzende Richter Jürgen Bonk geht am Dienstag auf ihre empathische Art ein, man könnte es sogar kokettieren nennen. Als er am Ende versucht, sie auf vermintes Gelände zu führen und ihre eine politische Bewertung ihres Engagements gegen die Corona-Maßnahmen zu entlocken – was Richtung Staatsfeindlichkeit führen könnte – entspinnt sich folgender Dialog:

„Netter Versuch“, beklagt Findeisen durchaus charmant. Bonk: „Das räume ich ein“, Findeisen: „Ich verzeihe Ihnen“. Und beide lachen.

Streng bewacht: Das provisorisch errichtete Gerichtsgebäude des OLG Frankfurt, in dem einer Gruppe von neun Angeklagten um Prinz Reuß ...
Streng bewacht: Das provisorisch errichtete Gerichtsgebäude des OLG Frankfurt, in dem einer Gruppe von neun Angeklagten um Prinz Reuß der Prozess gemacht wird. Der Generalbundesanwalt wirft ihnen die Bildung einer terroristischen Vereinigung vor. | Bild: Hilser, Stefan

Um den Inhalt der Anklage gegen Findeisen geht es aber nicht an diesem Dienstag, und auch nicht um den ganzen Komplex der QAnon-Verschwörungstheorie um den vermeintlichen Missbrauch und die Entführung von Kindern, aus deren Blut sich angebliche Machteliten Verjüngungselixiere brauen. Findeisen-Juskowiak hängt dieser Theorie, die im angeklagten Verschwörerkreis eine große Rolle spielte, laut Anklageschrift auch an und soll daran beteiligt gewesen sein, dieser nachzugehen.

Auch soll sie bei der Kontaktanbahnung zur russischen Föderation geholfen haben, die man um Hilfe beim Umsturz bitten wollte. Doch von alldem war am Dienstag nicht die Rede. Und Findeisen scheint das auszublenden. „Mein Ansatz ist immer, einen konstruktiven, positiven Weg zu finden. Es gibt immer einen Weg nach draußen“, sagt sie.

Der Prozess in Frankfurt wird am Donnerstag fortgesetzt.