Der Corona-Ausbruch hat die Freiburger Kindertagesstätte „Immergrün“ eiskalt erwischt. 14 Erziehende sowie zehn Kinder wurden positiv getestet. Die Leitung des evangelischen Kindergartens wusste das bereits ab dem 17. Januar, Kinder und deren Betreuer begaben sich in Quarantäne.
Was sie nicht wussten, weil es das zuständige Freiburger Gesundheitsamt erst zehn Tage später bekanntgab: Mindestens zwei Kinder steckten sich mit der verschärften Variante von Sars-CoV-2 an. Mittlerweile gibt es bei Erziehern und Kindern sogar 18 Nachweise der Mutation – noch ist jedoch nicht klar, um welche es sich genau handelt.
Die Stadtspitze erfuhr es zuletzt
Die Diakonie Baden, Träger der betroffenen Kita, wundert sich über die späte Benachrichtigung durch das Gesundheitsamt. Auch die Stadt Freiburg wurde spät und dann nur indirekt darüber in Kenntnis gesetzt, dass sich die britische oder südafrikanische Variante des Virus in der Stadt verbreitet.
Die Stadtspitze erfuhr von den Infektionen erst, als die Landesregierung ihre Pressekonferenz absagte, mit der sie ursprünglich über geplante Schul- und Kindergartenöffnungen berichten wollte. Die Virus-Mutation verhagelte die Öffnung, und das Freiburger Rathaus erfuhr davon zuletzt.

Die evangelische Einrichtung selbst nimmt den Vorgang inzwischen gelassen. Die Stimmung sei entspannt, berichtet Dominik Krakutsch, Leiter der Kita Immergrün, im Gespräch. Der Betrieb sei die ganzen Tage weitergelaufen, wenn auch auf kleiner Flamme. Fünf Kinder werden derzeit betreut. Sie konnten die ganze Zeit über in die Kita geschickt werden. Zum Vergleich: Im Normalbetrieb spielen 110 Kinder in der Einrichtung. In der sogenannten Notfallbetreuung waren noch 57 Zöglinge dort, berichtet der Kita-Chef.
Die Leitung der Kita war kaum informiert
Er sagt aber auch klar: „Die Desinformation nervt“. Er und sein Kollegium hätten sich bessere und zeitige Auskunft gewünscht. Bei Immergrün halten sich die 30 Erziehenden an die amtlichen Vorgaben. „Die Eltern kommen nur mit Mundschutz rein“, sagt Krakutsch im Gespräch. In den Sitzungen trügen er und seine Kolleginnen immer den Mundschutz.

Anders sieht es in den sechs Spielgruppen aus, auf die sich die Kinder im Alter zwischen einem und zehn Jahren verteilen. „Da tragen wir alle natürlich keine Maske“, sagt der 41-jährige Pädagoge. Für Kinder sei eine Maske nicht nur ungewohnt. Für sie sei die Mimik der anderen und ihrer Erzieherin sehr wichtig. Das Abdecken des halben Gesichts sei mit der Kultur und den Zielen einer Kita nicht zu vereinen. Und bei den Kleinen sorge es mehr für Schrecken als für Zutrauen.
Kinder zeigten milde Symptome
„Die Kita ist nicht geschlossen“, unterstreicht Christian Könemann, Sprecher der Diakonie Baden, auf Nachfrage. „Die Krankheitsverläufe waren allesamt nicht schwer“, berichtet er. Leichtes Fieber, Schnupfen und Kopfweh seien von den Eltern gemeldet worden. Die Diakonie als Träger sei froh, dass die Kita Immergrün ohne massive Symptome mit der Ansteckung umgehen kann.
Ab Montag will die Kindertagesstätte im neuen Stadtteil Vauban wieder in den relativen Normalbetrieb übergehen und die sechs Gruppen langsam auffüllen. Dann ist die Quarantänepflicht abgelaufen.

Das mutierte Virus war mit hoher Wahrscheinlichkeit von einem Erzieher eingeschleppt worden, bestätigt der Sprecher der Diakonie. Der Mann habe keine Symptome oder Schmerzen verspürt, deshalb sei er zur Arbeit in die Kita gekommen.
Als er unter Geschmacksverlust litt, habe er sich testen lassen, das Ergebnis war positiv. Erschwerend kam hinzu, dass die Kinder aus verschiedenen Gruppen auch privat Kontakte zueinander hatten. Deshalb wurden fünf der insgesamt sechs Gruppen geschlossen.
Eisenmann stellt sich vor Kita Immergrün
Der Vorfall in Freiburger bringt auch die Landespolitik in Bewegung. Kultusministerin Susanne Eisenmann sieht Defizite vor allem beim grün-geführten Sozialministerium. Die CDU-Politikerin wundert sich, dass die Tests und die Bekanntgabe der Ergebnisse spät erfolgten. „Wir erwarten auch eine Antwort darauf, warum das Ergebnis der Sequenzierung, also die Erkenntnis einer Mutation, erst zwei Wochen nach Auftreten des Falls vorlag“, teilt sie mit.
Dagegen verteidigt sie die Freiburger Kita. Alle Anforderungen an die Hygiene seien eingehalten worden. Die Tatsache, dass noch immer jedes zweite Kind in der Corona-Zeit betreut wurde, findet sie richtig. Eisenmann drängt auf eine zügige Öffnung der Schulen und auch Kindergärten, Sozialminister Manfred Lucha will diesen Prozess eher verzögern.
Die Lage im Land
Neben zwei Fällen in der Kita Immergrün werden inzwischen vier weitere Fälle in der Stadt und zwei im Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald erfasst. Auch in den Landkreisen Lörrach und Waldshut wurden mehrere Infektionen mit neuen Virusvarianten gemeldet.
Die Situation im Raum Freiburg ist kein Einzelfall. Die Statistik für Baden-Württemberg begann Anfang 2021 mit „vereinzelten Fällen“, in denen die mutierten Coronaviren auftreten. Diese niedrige Bewertung trifft nicht mehr zu. Nach aktuellen Informationen des Landesgesundheitsamtes in Stuttgart wird bei inzwischen die 34 Personen eine Virusvariante nachgewiesen (Stand 27.1., 16 Uhr).
15 tragen die sogenannte Großbritannien-Variante, 19 die Südafrika-Variante in sich. Das Landesgesundheitsamt informiert in seinem Lagebericht auch darüber, dass nicht mehr alle Fälle mit Reisen in Verbindung zu bringen sind.
Nicht jeder Coronafall wird nachuntersucht
Das Landratsamt Konstanz meldet zwei bestätigte Fälle der Südafrika-Variante. Im Kreis Waldshut gab es bislang laut Susanna Heim keinen bestätigten Fall der Virusmutation, derzeit würden aber noch zwei solcher Fälle untersucht.
Nicht alle erkannten Coronaviren werden dabei auf Mutationen untersucht, wie aus der Auskunft des Landratsamts Waldshut hervorgeht. Heim berichtet, dass das Virus nur dann sequenziert werde, wenn es auch Anhaltspunkte dafür gebe, dass es sich um eine Mutation handle. So gebe das Gesundheitsamt beispielsweise bei Reiserückkehrern oder einer ungewöhnlichen schnellen Verbreitung eine Sequenzierung in Auftrag.