War die Polizei ausreichend vorbereitet? Wie können Veranstaltungen noch sicher durchgeführt werden? Und wer waren die treibenden Kräfte in Biberach – die Mehrheit der demonstrierenden Landwirte oder einzelne Provokateure? Am Tag nach den hässlichen Bildern rund um den abgesagten politischen Aschermittwoch der Grünen in Biberach gab es erst wenige Antworten auf diese Fragen.

Die Veranstaltung, zu der mehrere prominente Grünen-Politiker, unter anderem Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir und Baden-Württembergs Regierungschef Winfried Kretschmann, erwartet wurden, war am Mittwochvormittag kurzfristig wegen Sicherheitsbedenken abgesagt worden. Zuvor waren Protestaktionen aus dem Ruder gelaufen und ein Zugang zum Veranstaltungsgebäude war nicht mehr möglich.

Nur ein paar Dutzend Gäste waren über einen Seiteneingang in die Stadthalle gelangt. Rund um die Stadthalle aber drängten sich mehrere Hundert Menschen, die entweder die Veranstaltung besuchen oder demonstrieren wollen. Landwirte hatten einen Misthaufen vor die Treppen zur Stadthalle gekippt und die Straßen mit Pflastersteinen und Sandsäcken blockiert.

Polizisten beworfen

Um den Weg für Fahrzeuge freizuräumen, hatten Polizisten die Menge zurückgedrängt und wurden dabei mit Gegenständen beworfen. Sie setzten Pfefferspray und Schlagstöcke ein. Mehrere Beamte wurden nach Polizeiangaben leicht verletzt, mindestens ein Randalierer wurde festgenommen.

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Die gesamte Einsatzplanung und Entscheidungsgewalt vor Ort lag beim Polizeipräsidium Ulm, wie das Innenministerium auf Anfrage bestätigte. In Ulm aber konnte man am Donnerstag der Flut der Nachfragen zum Geschehen zunächst nicht nachkommen. Bis zum Abend blieben auch die Anfragen des SÜDKURIER zum Einsatz unbeantwortet.

Strobl verteidigt die Polizei

Unterdessen stellt sich Innenminister Thomas Strobl (CDU) am Nachmittag in einem Statement vor die Polizei. „In Biberach ist die Polizei gestern entschlossen vorgegangen und hat sich gegen Störenfriede gestellt“, ließ Strobl einen Sprecher mitteilen. Der Einsatz würde gründlich nachbereitet.

„Dass die Veranstaltung abgesagt wurde, liegt zuerst einmal in der Verantwortung der aggressiven und gewaltbereiten Protestierer“, heißt es in Strobls Statement. Straftaten in diesem Zusammenhang würden verfolgt, das Polizeipräsidium Ulm habe dazu eine Ermittlungsgruppe eingerichtet.

„Die Polizei hat gut gehandelt, dem Polizeipräsidium Ulm ist aus unserer Sicht überhaupt kein Vorwurf zu machen“, sagt auch Ralf Kusterer, Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) auf Anfrage des SÜDKURIER, und beruft sich in der Einschätzung auf Kollegen vor Ort. „Der Einsatzplan wurde laufend angepasst, als man absehen konnte, dass es doch mehr werden könnte, und es wurden auch zusätzliche Kräfte angefordert.“

Dennoch benennt Kusterer ganz klar einen Grund für das Chaos in Biberach: „Die Politik bekommt die innere Sicherheit, die sie bestellt hat“, so der Polizeigewerkschafter. Kusterer verwies darauf, dass es explizit die Grünen gewesen seien, unter denen die Präsenz von Bereitschaftspolizisten vor Ort abgeschafft worden sei.

„Bis vor vier Jahren hatten wir noch ein paar Hundertschaften in Biberach. Wir haben immer gesagt, wir brauchen auch in Oberschwaben Präsenz. Jetzt sitzen die nächsten Kräfte in Bruchsal, in Freiburg oder an der Schweizer Grenze. Es fehlen im Land rund 1000 Streifenwagenbesatzungen. Damit könnte man vermutlich eine Kette von Bruchsal nach Biberach bilden“, so Kusterer, „der Personalmangel in der Polizei gefährdet die Sicherheit und damit die Demokratie.“

Absage an härtere Mittel

Eine Absage erteilte Kusterer jedoch Forderungen, die Polizei hätte mit härteren Mitteln in Biberach durchgreifen müssen, etwa dem Einsatz von Wasserwerfern. „Das ist abstrus, wir müssen nicht martialisch aufrüsten, die Polizei muss immer verhältnismäßig reagieren.“

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Unterdessen hat der Verfassungsschutz keine Hinweise darauf, dass der Protest der Landwirte, wie er seit Dezember auch in Baden-Württemberg stattfindet, von einzelnen extremistischen Akteuren unterwandert wird. Dies teilte ein Sprecher des Landesamts für Verfassungsschutz auf Anfrage mit. „Auch geht von einzelnen, teilnehmenden extremistischen Akteuren derzeit kein steuernder Einfluss auf das Protestgeschehen als solches aus“, heißt es.