Der SÜDKURIER-Bericht über die mutmaßliche Reichsbürgerin Beate N.* (Name von der Redaktion geändert), die über Jahre Nachbarn sowie Anwohner zunächst in Hilzingen und dann in Tengen beschimpft, bedroht und attackiert haben soll, hat für viel Resonanz gesorgt: Betroffene, die sich vorher nicht kannten, haben nach der Veröffentlichung Kontakt miteinander aufgenommen.

Besorgte Bürger haben Leidtragenden Mut gemacht, in einem Fall auch finanziell unter die Arme gegriffen. Und die zuständige Gerichtsvollzieherin aus Singen stand – 48 Stunden nach der Veröffentlichung in der gedruckten Ausgabe des SÜDKURIER – mit zwei Polizeibeamten und einem rätselhaften Mann mit Koffer vor dem Haus von Beate N. und ihrem Mann in Tengen.

Tengen vom „Galgen“ aus betrachtet – mit Blick über den Hegau bis in die Alpen.
Tengen vom „Galgen“ aus betrachtet – mit Blick über den Hegau bis in die Alpen. | Bild: Helmut Groß

Laut Augenzeugen habe die Gruppe etwa zehn Minuten warten müssen, bis ihr die Türe geöffnet worden sei. Nach längeren Gesprächen sollen die Justizbeamtin und die beiden Polizisten Schritt für Schritt ins Haus gelassen worden sein. Der Mann mit dem Koffer, möglicherweise ein Mitarbeiter eines Schlüsseldienstes, habe draußen warten müssen. Nach einer Stunde seien die vier Besucher ohne Begleitung wieder gegangen – ob dabei der seit 23. Juni 2021 vorliegende Haftbefehl gegen Beate N. umgesetzt wurde, ist unklar.

Weiterer Haftbefehl wurde erlassen

Stattdessen hat am 9. Februar 2022 ein Singener Richter laut Gerichtsakten, die dem SÜDKURIER vorliegen, einen weiteren Haftbefehl gegen die mutmaßliche Reichsbürgerin erlassen, um die Zwangsvollstreckung gegen Beate N. zu vollziehen. Wann diese umgesetzt werden soll, ist weiter unklar.

Katrin Rosenthal, Sprecherin des Polizeipräsidiums Konstanz, bestätigt auf Anfrage, dass ihre Kollegen am 10. Februar Amtshilfe geleistet hätten. Für weitere Fragen verweist sie allerdings auf das zuständige Amtsgericht Singen. Weder der dortige Direktor noch die Gerichtsvollzieherin waren am Freitag für eine Stellungnahme erreichbar. Frühere Anfragen in dem konkreten Fall hatten beide mit Verweis auf den Datenschutz nicht beantwortet.

Das Singener Amtsgericht.
Das Singener Amtsgericht. | Bild: Sabine Tesche

Im starken Kontrast dazu sprechen die Rückmeldungen von weiteren Betroffenen Bände: „Als wir den Zeitungsartikel im SÜDKURIER gelesen haben, habe ich zu meinem Mann gesagt: ‚Das ist die Frau, die mich damals beinahe überfahren hat‘“, sagt die Hilzingerin Margit Holzer*. Sie und ihr Mann Josef* (Namen von der Redaktion geändert) sorgen sich, von Beate N. erneut attackiert zu werden, und möchten deshalb nicht mit ihrem richtigen Namen genannt werden.

„Versucht, ihr aus dem Weg zu gehen“

„Unsere Konfrontation war nur kurz, aber es ist ein Wahnsinn, wenn jemand über eine so lange Zeit belästigt wird“, sagt Josef Holzer mit Blick auf die Tengener Betroffenen. Er erzählt, wie er vor einigen Jahren mit seinem Hund in Hilzingen spazieren war und dabei – davon ist er überzeugt – Bekanntschaft mit Beate N. und ihrem Vierbeiner gemacht hat.

„Hundehalter sprechen miteinander, wenn sie sich treffen – das sind oft nette Begegnungen. Ich habe ‚Grüß‘ Gott‘ gesagt, worauf sie mich anherrschte, was das überhaupt soll, dass ich sie so blöd anmache. Sie würde das ihrem Mann erzählen und der würde andere Seiten aufziehen“, schildert Holzer. Daraufhin soll Beate N. ihr Smartphone gezückt und ihn fotografiert haben – ein Vorgehen, das mehrere Betroffene aus Tengen und Hilzingen übereinstimmend dem SÜDKURIER geschildert haben.

Panorama-Blick über Hilzingen.
Panorama-Blick über Hilzingen. | Bild: Berschauer

„Ich habe es dabei belassen und versucht, ihr aus dem Weg zu gehen“, sagt Holzer. Kurz darauf habe er jedoch vom Bürgermeister-Büro in Hilzingen einen Anruf erhalten, er möge umgehend ins Rathaus kommen, es liege eine Beschwerde gegen ihn vor. Dort angekommen, sei ihm jedoch versichert worden, dass ihn niemand angerufen habe und es auch keine Beschwerde gegen ihn gebe. „Sie war bekannt dafür, dass sie sich als Mitarbeiterin des Rathauses ausgegeben hat“, sagt Holzer.

Warten, bis etwas passiert?

Daraufhin ist das Paar zur Polizei nach Gottmadingen gefahren, um Anzeige wegen Bedrohung und Belästigung einzubringen. Dort habe es jedoch geheißen, dass die Polizei erst etwas unternehmen könne, wenn es zu einem körperlichen Angriff komme. „Muss man solange warten, bis etwas passiert? Ich finde das nicht in Ordnung“, sagt der Hilzinger.

Johannes-Georg Roth, Leiter der Staatsanwalt Konstanz.
Johannes-Georg Roth, Leiter der Staatsanwalt Konstanz. | Bild: Direzione Investigativa Antimafia

Neben dem Austausch unter Betroffenen sendeten besorgte Bürger Ermutigungs- und Durchhalte-Nachrichten, um Betroffenen ihr Mitgefühl auszudrücken – in einem Fall sogar mit finanzieller Unterstützung. „Im SÜDKURIER habe ich den Artikel ‚Nachbarn leiden unter Reichsbürgerin‘ gelesen und war erschüttert. Ich fühle mit Ihnen, auch wenn ich Ihr Leid nur erahnen kann“, schreibt Kurt F. (Name ist der Redaktion bekannt) aus dem Bodenseekreis an zwei Betroffene aus Tengen.

„Das Böse wird weichen“

Beide verdienten Respekt, weil sie auf die Stärke ihres Rechtsanspruchs vertrauen würden, obwohl sie Verletzungen ihrer Person und Würde ausgesetzt seien und der Schutz vor dieser Bedrängnis schwach erscheine, heißt es in dem Brief, der dem SÜDKURIER vorliegt.

Die Zeitschrift „Deutsche Polizei“, die von der Gewerkschaft der Polizei herausgegeben wird, setzt sich in einer Ausgabe mit ...
Die Zeitschrift „Deutsche Polizei“, die von der Gewerkschaft der Polizei herausgegeben wird, setzt sich in einer Ausgabe mit der Szene der sogenannten Reichsbürger auseinander. | Bild: Jochen Lübke/dpa

„Bitte bleiben Sie vertrauensvoll. Ich kann nachvollziehen, dass es schwierig ist, eine extreme Person zu erleben, die einerseits den Staat ablehnt und andererseits dessen Gesetze schamlos in Anspruch nimmt. Da gilt es viel auszuhalten“, schreibt Kurt F. Aus diesem Grund wolle er die beiden Betroffenen in ihrer Ausdauer bestärken und auch finanziell unterstützen. „Bitte haben Sie weiterhin den Mut und die Zuversicht, dass das Böse weichen wird.“

Das sagt der Mann von Beate N.

Der SÜDKURIER konnte nun erstmals mit Torsten N.* (Name von der Redaktion geändert) sprechen, dem Ehemann von Beate N. Er wirft dem Reporter am Telefon vor, beim Versuch der Kontaktaufnahme vor Ort in Tengen die Haustür „eingeschlagen“ zu haben, obwohl dieser nur ganz normal angeklopft hat. Auf die Frage, warum niemand geöffnet habe, wird nicht geantwortet. Zu den Vorwürfen gegen seine Frau will Torsten N. sich nicht äußern. Er droht wegen der bisherigen Berichterstattung im SÜDKURIER damit, seinen Anwalt einzuschalten.

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Gefragt nach ähnlichen Vorfällen in Hilzingen mit seiner Frau, wie sie nun in Tengen vorgefallen seien, gibt er als Rechtfertigung an, dass diese in einem Keller eines Wohnhauses in Hilzingen von einem „perversen Schwein“ sexuell belästigt worden sei. In Tengen habe alles begonnen, als die neuen Nachbarn zugezogen seien. Diese hätten die ganze Straße „infiltriert“, was jedoch zahlreiche Anwohner in Tengen – mit denen der SÜDKURIER sprechen konnte – übereinstimmend dementieren. Weitere Fragen lässt Torsten N. nicht zu – er legt einfach auf.