Die Omikron-Variante des Coronavirus dürfte bis Februar 2022 zur dominierenden Variante in Europa werden, das ist die Einschätzung der EU-Gesundheitsbehörde ECDC. Auch im Südwesten ist die neue Virusvariante angekommen. Doch wie hoch ihr Anteil ist, ist gar nicht so klar. Denn bisher werden nur wenige Proben auf die neue Variante getestet.
In der vergangenen Woche wurden in Baden-Württemberg nach Angaben des Landesgesundheitsamts gerade einmal 14.185 Proben auf Omikron geprüft. Bei 9,5 Prozent konnte mittels dem sogenannten variantenspezifischen PCR-Test die neue Variante nachgewiesen werden. Bei der Genomsequenzierung waren sechs Prozent der darauf geprüften Proben Omikron-Fälle.
Insgesamt wurden in Baden-Württemberg seit Mitte November 1808 Omikron-Fälle registriert, wie das Robert-Koch-Institut berichtet (Stand 30. Dezember). Bundesweit wurden demnach bislang 16.743 Fälle registriert.
20 bis 30 Prozent Dunkelziffer?
Die Höhe der Dunkelziffer von Omikron-Fällen im Land ist unklar. Das Landesgesundheitsamt geht aber von 20 bis 30 Prozent aus, wie eine Sprecherin auf Anfrage mitteilt. Denn erst seit dem 21. Dezember sollen die Labore auch alle positiven Tests auf die neue Coronavirusmutation prüfen.
Eine entsprechende Weisung habe das Regierungspräsidium erteilt, hieß es: „Wir haben in der vergangenen Woche die Labore aufgefordert, soweit möglich, bei positiven Proben eine variantenspezifische PCR auf das Vorliegen der Omikron-Variante durchzuführen“, bestätigt der Sprecher des Sozialministeriums, Florian Mader.
„Das ist nicht schaffbar, für andere Labore auch nicht“, sagt der Singener Laborleiter Josef Blessing zu der Aufforderung, alle Tests auf Omikron zu prüfen.
Das bestätigt man auch im Labor Brunner in Konstanz. „Es ist in der Tat eine besondere Herausforderung, bei dem hohen Testaufkommen jetzt auch noch Variantenanalytik wieder anzubieten“, so Leiterin Simone Brunner auf Anfrage: „Wir starten nun Anfang Januar 2022 damit, routinemäßig jede positive Probe auf Omikron zu untersuchen“, ergänzte sie.
Eingeschränkte Kapazitäten für spezifische Tests
Auch aus dem Ministerium heißt es, dass die Labore in den vergangenen Wochen schon mit der einfachen PCR-Untersuchung der Proben ausgelastet gewesen seien. Zudem habe es sich „bis vor kurzem in fast allen Fällen um die Delta-Variante“ gehandelt. Aus diesem Grund sei die Testung auf Varianten weitgehend eingestellt worden, so der Sprecher.
Mit den derzeit wieder sinkenden Fallzahlen seien wieder Kapazitäten verfügbar, die variantenspezifische Testung sei von einigen Laboren bereits aufgenommen worden. Das bestätigt auch Blessing: In den vergangenen Wochen habe er bis zu 2000 Tests pro Tag auswerten müssen, das Labor sei im Schichtbetrieb gelaufen. Inzwischen seien es nur noch etwa 800 Tests am Tag, da seien spezifische Tests wieder möglich.
Im Labor Gärtner in Ravensburg sind im Dezember sogar mehr als 100.000 Proben eingegangen, also durchschnittlich über 3300 pro Tag. Etwa 3000 Proben im gesamten Dezember konnte das Labor aber nur auf die neue Variante prüfen.
Aufwendige Entwicklung neuer Tests
Bis vor kurzem habe es noch keine variantenspezifischen, also auf Omikron abgestimmte PCR-Tests gegeben, erklärt Blessing. Die Entwicklung solcher spezifischen Tests nehme etwa zwei Wochen in Anspruch, so der Experte.
Bis dahin musste die sogenannten Vollgenom-Sequenzierung genutzt werden, ein aufwendiges und zeitraubendes Verfahren, das mehrere Tage dauert, wie Blessing erklärt. Im Labor Gärtner sagt eine Sprecherin, die Gesamt-Genomsequenzierung zur Omikron-Bestätigung benötige sogar meist ein bis zwei Wochen.
„Das ist in breiter Masse gar nicht machbar“, verdeutlicht Blessing. Erst in der kommenden Woche werde sein Labor nun mit den variantenspezifischen Tests alle Proben auf die neue Variante prüfen können.
Das Problem dabei: Diese Tests funktionieren wie ein zweiter PCR-Test. Für Proben, die auf Omikron geprüft werden sollen, entsteht also der doppelte Aufwand. „Sobald die Zahlen wieder zunehmen und mehr positive Proben auszuwerten sind, kommen wir wahrscheinlich wieder an die Kapazitätsgrenzen“, warnt Blessing.
Omikron vielleicht schon im Januar in der Region dominant
Der Laborleiter geht aber ohnehin davon aus, sollte sich Omikron ähnlich verhalten wie Delta, dass die neue Variante binnen zwei bis vier Wochen zur dominanten Variante wird. „Dann sind auch keine variantenspezifischen Tests mehr nötig“, erklärt der Experte.
Auch in Ravensburg im Labor Gärtner vermutet man: „Wenn sich die Rahmenbedingungen nicht ändern, dann könnte die Omikron-Variante bereits Mitte bis Ende Januar die dominante Variante in unserer Region werden.“ Die aktuell niedrigeren Zahlen könnten also die Ruhe vor dem Sturm sein.