Um den Querdenker-Gründer Michael Ballweg war es zuletzt still geworden. Auf Telegram tauchte er dann in einer Videoansprache vom 17. Februar auf. Dort bittet der IT-Unternehmer nun um finanzielle Unterstützung – nicht für die Querdenker-Bewegung, sondern für sich selbst. „Meine finanziellen Mittel sind im Moment erschöpft“, sagt der 46-Jährige in der Videobotschaft. Schuldige sind schnell gefunden: Die Kunden seiner IT-Firma hätten die Verträge gekündigt, Banken seine Konten geschlossen.
Unklare Verhältnisse
Nachprüfbar ist das kaum. Die für das Unternehmen zuständige Volksbank am Württemberg, Filiale Uhlbach, darf keine Auskünfte geben, nicht einmal darüber, ob das Konto noch existiert. Recherchen des SWR zufolge hatte Ballweg selbst die Verträge mit seinen Kunden gekündigt und zwar bereits 2020.
Nach Angaben der Querdenker-Webseite soll Ballweg das Hauptprojekt seines Unternehmens im gleichen Jahr verkauft haben. Die erwirtschaftete Summe wird dabei nicht bekannt gegeben. Nach Angaben der Wirtschaftsauskunftei Firmenwissen hat die Media Access GmbH allerdings noch 2019 einen Umsatz von 900.000 Euro eingefahren – bei gerade einmal vier Mitarbeitern. Neuere Daten liegen nicht vor. Die Webseite des Unternehmens ist nicht mehr erreichbar.
Markenkommerz mit Querdenken
Doch Ballweg hat längst ein neues Geschäftsmodell aufgebaut. Beim Deutschen Patent- und Markenamt hat der Stuttgarter nicht nur für die Ursprungsinitiative Querdenken 711, sondern auch für 15 Ableger seinen Markenanspruch angemeldet. Merchandise-Produkte wie Kapuzenpullis und T-Shirts werden auf allen Querdenker-Seiten beworben und vertrieben. Hoodies gibt es für 40,95 Euro, die Softshelljacke für 52,95 Euro, T-Shirts für 23,95 Euro.
Auf der Webseite von Querdenken betont man, dass sich mit Demos kein Geld verdienen ließe. Mit Markenartikeln und Schenkungen hingegen schon. Ballweg war wegen der Aufrufe zu Schenkungen zunehmend in die Kritik geraten und kündigte auch deshalb Transparenz über die Finanzierung der Initiative an.
Tatsächlich hat die Webseite im vergangenen Herbst einen sogenannten Transparenzbericht über Ausgaben im Jahr 2020 veröffentlicht. Demnach arbeiteten die Organisatoren „zu 100 Prozent ehrenamtlich“. 1.044.656,44 Euro sollen demnach 2020 für insgesamt 20 Demonstrationen, IT, Technik, Logistik und Rechtskosten ausgegeben worden sein. Überprüfbar sind diese Zahlen aber kaum. Denn die Querdenken-Bewegung ist kein Verein. Als solcher müsste sie eine Steuererklärung abgeben und Rechenschaft ablegen, was mit den eingenommen Geldern geschehen ist.
Höhe der Schenkungen unklar
Auch fehlt in dem sogenannten Transparenzbericht die Information, wie viel Geld über Spenden und Schenkungen eingenommen wurden. Ballweg ruft immer wieder explizit zu Schenkungen auf. Denn diese sind bis zu 20.000 Euro steuerfrei. Zudem können Schenkungen auch an einzelne Personen gerichtet sein, Spenden nicht. Anders als bei Spenden muss der Empfänger auch keine Rechenschaft über die Verwendung des Geldes ablegen. Die Konten, auf die Querdenker-Unterstützer überweisen sollen, laufen auf Ballwegs Namen.
Eine Stiftung, die die Finanzierung der Querdenker-Bewegung selbst transparent machen würde, gibt es bislang dagegen nicht, wie Recherchen des Bayerischen Rundfunks und des SWR ergaben. Demnach wurde zwar im September 2020 ein entsprechender Antrag seitens Ballweg gestellt, aber wieder zurückgezogen.
Stattdessen wurde im Mai 2021 beim Regierungspräsidium Darmstadt die Stiftung „Herzensmenschen Familienstiftung“ gegründet. Vertretungsberechtigt ist Ballweg. Über diese Stiftung aber wäre es nicht rechtens, die Querdenkerbewegung mitzufinanzieren. Eine solche Familienstiftung soll die Familienmitglieder fördern, nicht aber eine außenstehende Organisation. Stiftungen sind zudem nicht transparenzpflichtig.
Ballweg schweigt
Ballweg selbst ist telefonisch nicht zu erreichen. Auch auf eine E-Mail reagiert der Unternehmer nicht. Der SÜDKURIER fragte darin, wie sich der 46-Jährige derzeit finanziert und ob er Nutznießer der Stiftung Herzensmenschen Familienstiftung ist. Die Antworten blieb er bislang schuldig.
Ende 2020 kündigte der Landesverfassungsschutz an, Teile der Bewegung zu beobachten, seit dem Frühjahr 2021 werden bundesweit Bereiche der Szene beobachtet. Nach Einschätzung des Landesverfassungsschutzes konzentriert sich die finanzielle Unterstützung auf Ballwegs ursprüngliche Initiative, Querdenken 711, die Zahlungen werden demnach als Schenkungen deklariert. Konkrete Summen nennt der Sprecher der Behörde aber nicht.

Doch der anfängliche Reiz der Querdenkerbewegung scheint nachzulassen. „Inzwischen ist seitens einiger Querdenken-Ableger ein abnehmendes Engagement zu verzeichnen“, heißt es beim Landesverfassungsschutz. Bei den derzeitigen sogenannten Montagsspaziergängen sei auch keine „steuernde Funktion von Querdenken 711 beziehungsweise dessen Gründer“ erkennbar. Das könnte auch Ballwegs finanzielle Nöte erklären: Der Protest findet auch ohne ihn statt. Sein Geschäftsmodell hat möglicherweise ausgedient.