Die Frau am anderen Ende der Leitung macht ihrem Ärger Luft. Jetzt ein Telefonat? Völlig unmöglich, „wir sind im Stress“, sagt sie. Am Campingplatz Gohren am Bodensee stehen die Telefone nicht still. Nach Corona ist vor Corona. Zwar ist das riesige Areal bei Kressbronn seit 18. Mai wieder geöffnet, doch nur unter massiven Auflagen für die Betreiber. „Die Umsetzung der Corona-Regeln ist äußerst aufwändig,“ haucht die Stimme aus Kressbronn, bevor es in der Leitung knackt und dann still wird.

Der Campingplatz Gohren ist der Jumbo am Bodensee. 1800 Plätze bietet er für seine Urlauber. Das ergibt eine kleine Stadt, wenn alle Parzellen am Obersee voll belegt sind. Derzeit sind sie es. „Wir sind restlos ausgebucht“, heißt es in der Rezeption – wie immer an Pfingsten, das als Auftakt für die Sommermonate gilt. Der Unterschied zu den anderen Jahren: 2020 gab es doppelt so viele Anfragen wie in den Vorjahren. Viele Menschen wollten endlich einmal wieder ans Wasser. Vor allem für den Raum Stuttgart ist Kressbronn ein geeignetes Ziel.

Der größte Anbieter am Bodensee: Campingplatz Gohren bei Kressbronn.
Der größte Anbieter am Bodensee: Campingplatz Gohren bei Kressbronn. | Bild: FEZE

Ohne Schweizer Gäste gibt es eine Lücke

Dabei gilt: Jeder Platz macht seine eigenen Erfahrungen. Am anderen Ende von Baden-Württemberg erwartet Rheincamping bei Waldshut seine Besucher. Ein gemütlicher Familienbetrieb in reizvoller Lage zwischen dem mittelalterlichen Städtchen und dem Rhein. Die Betreiberfamilie ist heilfroh, dass seit zwei Wochen wieder Gäste parken dürfen. Rheincamping ist ihr Erwerb, sie arbeiten dort ganzjährig.

Die Corona-Krise ist noch nicht ausgestanden. Die Platzverwalter haben viel Arbeit mit den Vorschriften und deren Umsetzung
Die Corona-Krise ist noch nicht ausgestanden. Die Platzverwalter haben viel Arbeit mit den Vorschriften und deren Umsetzung | Bild: Fricker, Ulrich

„Über die Feiertage waren wir voll belegt“, berichtet Oliver Bier, der mit seiner Frau Sonja und den beiden Töchtern den Platz am Rhein umtreibt. „Aber es ist nicht mehr als sonst,“ rechnet er im Gespräch mit dem SÜDKURIER vor. Der Grund dürfte sein, dass die treuen Schweizer Gäste komplett fehlen. Waldshut ist für eidgenössische Caravanfreunde ein Sprung, den mancher nutzte, um auf dem gemütlichen und überschaubaren Gelände (25 Parzellen plus Zelte) Anker zu werfen. Diese Klientel fehlt bisher. „Es läuft eher langsam an“, sagt Bier. Mancher überlegt sich wohl, ob er genug Geld hat; Corona hat nicht nur den Nerven, sondern auch vielen Haushaltseinkommen empfindlich zugesetzt. Und die Schweizer, sie fehlen.

Mit den Corona-Bestimmungen hat der Familienbetrieb (seit 1968) kein Problem. „Wir haben die Tische weit auseinander gezogen“, sagt Bier. Seine Gäste hielten sich daran, man kennt sich und will sich nicht in Schwierigkeiten bringen.

„Eine schwierige Situation“ über Pfingsten

Die Corona-Regeln wurden nicht überall so strikt eingehalten. Dirk Wilhelmsen treibt seit 18 Jahren den Campingplatz bei Markelfingen um. Der Hochbetrieb an Pfingsten hat ihn dann unangenehm überrascht. „Das war schon wie ein Überfall“, sagt der Pächter des Areals im Gespräch. Die Herausforderung waren nicht die Bewohner des Platzes, von denen er die meisten kennt, da sie zu 90 Prozent Stammgäste sind. Das Problem waren eher die Tagesgäste, die erst den hauseigenen Parkplatz, dann das Dorf zuparkten.

Gemischte Erfahrungen seit der Öffnung seines Betriebs: „Die Leute nehmen es mit den Vorgaben nicht mehr so genau“, sagt ...
Gemischte Erfahrungen seit der Öffnung seines Betriebs: „Die Leute nehmen es mit den Vorgaben nicht mehr so genau“, sagt Dirk Wilhelmsen vom Campingplatz Markelfingen. | Bild: Fricker, Ulrich

Wilhelm ist froh, dass der Ansturm über Pfingsten vorbei ist. Am Ufer drängten sich die Menschen, und sie badeten natürlich. Dabei ist das Baden zwar geduldet, aber nicht erlaubt. Die Freigabe der Gewässer soll nach aktuellem Sand frühestens am 6. Juni erfolgen – die Landesregierung hat sich dazu noch nicht klar und abschließend geäußert. „Es war eine wahnsinnig schwierige Situation“, berichtet er. Natürlich freut es ihn, dass wieder ein halbwegs normaler Betrieb herrscht und die Leute das Angebot wahrnehmen. Doch sollte alles in geordneten Bahnen verlaufen, findet er. „In hygienischer Hinsicht gehe ich keine Kompromisse ein“, sagt der Pächter.

Herrlich gelegen: Das Klausenhorn am Überlinger See.
Herrlich gelegen: Das Klausenhorn am Überlinger See.

In Windeseile richteten er und seine Mitarbeiter die Sanitärräume her, damit die Duschen und WC zum Wochenende öffnen konnten. An neuralgischen Punkten stehen Tischchen mit Desinfektionsmittel. Dazu kommt: Mancher Mitarbeiter musste eilig hergetrommelt werden, da die Öffnung am 18. Mai doch plötzlich kam. Das bedeutet viel Improvisation und gutes Zureden, um die verhagelte Saison doch noch in die Gänge zu bringen.

Gähnende Leere: So sah das Markelfinger Zelt-Areal bis Freitag aus. Nur Camper mit eigener sanitärer Ausstattung durften auf die Plätze.
Gähnende Leere: So sah das Markelfinger Zelt-Areal bis Freitag aus. Nur Camper mit eigener sanitärer Ausstattung durften auf die Plätze. | Bild: Fricker, Ulrich

Nach dem Ansturm über die Feiertage ist es am Strand wieder ruhiger geworden. Der Platz für Wohnmobile ist fast voll belegt. Hier und da sind noch Lücken, da würde ein Wohnwagen noch reinpassen. Anders die Zeltwiese: Einige Zelte verteilen sich auf der grünen Wiese und den Weiden, dazwischen ist jede Menge Platz.

Der erste große Ausflug seit Corona

Eine Unterkunft gehört einer Familie aus Ludwigsburg. Unter der hellgrünen tonnenförmigen Konstruktionen verbergen sich mehrere Räume, ein Vorzelt dient als Küche und Vorratslager. „Für uns ist das der erste große Ausflug seit Ausbruch der Coronakrise“, sagt Janna Werner. Wochenlang fühlte sie sich eingesperrt, die Tochter durfte nicht in die Schule. Der Ausflug an den Bodensee, das Zelt, die Wiese – für die Familie fühlt es sich wie ein Traum an.

Sie sind überrascht, dass das Areal für die Zelte nicht vollgestellt ist. Es gibt noch viele freie Stellen, mit und ohne Seesicht. Offenbar trauen einige Zeitgenossen dem Frieden noch nicht und warten mit ihren Urlaubsplanungen noch ab.

Zeltküche: Lotta Werner im Vorzelt.
Zeltküche: Lotta Werner im Vorzelt. | Bild: Fricker, Ulrich

Diese Familie hat sich seit Tagen auf den stillen Winkel gefreut. Zwischen den Zelten ist genug Platz, die Abstandsregeln können hier ohne Mühe eingehalten werden, es sind keine Absperrbänder wie auf anderen Plätzen nötig. Janna Werner und Bernd Hofmaier sind nicht zum ersten Mal am Markelfinger Winkel. Sie urlauben hier schon zum fünften Mal, weil alles passt und weil es hier nach den turbulenten Feiertagen mit hektischen Tagesgästen entspannt zugeht. Einige Kinder baden und planschen, niemand nimmt daran Anstoß. Die Abstände sind groß und noch größer der Anstand. Corona scheint im Moment ein unbekanntes fernes Wort.