„Wir sind sprachlos. Ich hätte mir nie vorstellen können, dass auf der Insel Reichenau ein Gewaltverbrechen geschieht“, sagte der Reichenauer Bürgermeister Wolfgang Zoll im SÜDKURIER-Videogespräch, nachdem am Mittwoch eine 49-jährige Frau in seiner Gemeinde getötet wurde. „Das erschüttert, macht ratlos und man fragt sich, wie so was geschehen kann, was meiner Erinnerung nach hier noch nie vorgekommen ist.“

Auch drei Tage nach der Tat ist das Entsetzen und die Betroffenheit auf der Insel groß. Wie der Bürgermeister fragen sich viele, warum die 49-jährige Geta E. sterben musste. Die Obduktion ihres Leichnams ergab laut Polizei „multiple Verletzungen durch scharfe Gewalteinwirkung“. Die Tatwaffe, ein Messer, konnten die Ermittler sicherstellen. Für sie gilt der 46-jährige Ex-Freund der Frau, Adrian P., als dringend tatverdächtig – beide lebten und arbeiteten als Erntehelfer auf der Insel Reichenau.

Pärchenfoto mit Herzchen und Rose

Kennengelernt hat sich das frühere Liebespaar über das Internet. Damals wohnte Geta E. noch mit ihrem Sohn in Spanien, wo die Osteuropäerin ebenfalls als Erntehelferin arbeitete. Eine Freundin und Vertraute von ihr, Claudia B., erinnert sich an den ersten Besuch der 49-Jährigen auf der Insel Reichenau: „Dann, vor etwa einem Jahr, ist sie mit ihrem Sohn hierher gekommen und mit Adrian zusammengezogen.“

Weil beim Arbeitgeber des Paares wenig Platz war und nur männliche Erntehelfer untergebracht waren, fand die kleine Familie bei einem anderen Reichenauer Obst- und Gemüsebaubetrieb zwei Zimmer zur Miete. Doch das Zusammenleben war nicht immer harmonisch – anders als es ein Pärchenfoto mit zahlreichen Herzchen und einer roten Rose in einem sozialen Netzwerk vermuten lässt, welches der 46-Jährige noch im Februar veröffentlichte. Häufig soll es zu Streitereien um Geld und um den 16-jährigen Sohn des späteren Opfers gekommen sein. Auch Bedrohungen, sie zu schlagen und umzubringen habe es immer wieder gegeben, berichtet eine Freundin des Opfers.

Gewalt- und Morddrohungen

„Geta wollte sich schon vor sechs Wochen von Adrian trennen“, sagt Claudia B. im SÜDKURIER-Gespräch. Doch der 46-Jährige habe versprochen, nie wieder etwas Böses zu sagen. „Bitte gibt mir noch eine Chance“, soll er die 49-Jährige angefleht haben, die den Beteuerungen glaubte und sich erweichen ließ. Doch schon wenige Tage später sei der 46-Jährige wieder in sein altes Muster mit Streitereien und Drohungen zurückgefallen.

Dann, vor etwa vier Wochen, sei die jüngste Schwester von Geta E. auf der Insel Reichenau angekommen, um für zwei Monate im selben landwirtschaftlichen Betrieb wie das Paar als Erntehelferin zu arbeiten.

Arbeitskollegen versuchen sie zu schützen

Claudia B. erzählt, sie habe ihrer Freundin geraten, sich zuerst an ihren Arbeitgeber und dann die Polizei zu wenden. Dann habe sie Adrian P. zur Rede gestellt: „Wie sieht es aus? Du musst bei ihr ausziehen.“ Doch er habe den Unschuldigen gespielt. Zwei Wochen vor der Bluttat verließ er schließlich die gemeinsame Unterkunft und zog zurück in seine altes Quartier bei seinem Arbeitgeber. „Seither hatte ich ihn nicht mehr gesehen. Es dürfte sich viel Hass bei ihm aufgestaut haben“, sagt B.

Die Kriminalpolizei markierte und sicherte Blutspuren am Tatort.
Die Kriminalpolizei markierte und sicherte Blutspuren am Tatort. | Bild: Schuler, Andreas

Bei der landwirtschaftlichen Arbeit am Feld und in den Gewächshäusern traf das frühere Liebespaar weiter regelmäßig aufeinander. „Adi“, wie ihn Freunde und Bekannte nennen, soll seine Ex-Partnerin täglich bedroht und einmal sogar am Hals gepackt haben, berichtet eine Freundin des Opfers. Die anderen Erntehelfer hätten versucht, die Frau zu schützen und gewollt, dass er sie in Ruhe lässt, was zusätzlich für Konfliktstoff gesorgt haben dürfte.

Die letzten Worte

In den frühen Morgenstunden soll Adrian P. schließlich an jener Zimmertür geklopft haben, hinter der die 49-Jährige und ihre Schwester schliefen. Dabei soll P. seine Ex-Freundin dafür verantwortlich gemacht haben, dass seine Kollegen auf ihn sauer seien – so habe es ihr die in der selben Wohnung schlafende Schwester des Opfers berichtet, sagt eine Freundin von Geta E.

In der Folge dürfte es auf der Straße vor dem Mehrparteienhaus zu einer heftigen Auseinandersetzung gekommen sein. Mit einem Messer soll der 46-jährige Tatverdächtige mehrmals auf seine Ex-Freundin eingestochen haben. Anwohner sprechen von einer Blutlache auf der Straße.

Sammlung für Transport

Nach dem Angriff soll Adrian P. seine Ex-Partnerin, wie berichtet, ins Auto auf die Rückbank gelegt und über die B33 und A81 davon gefahren sein. Kurz hinter der Autobahnabfahrt Engen dürfte er sich mit dem Messer selbst lebensgefährlich verletzt haben, hier fand ihn später auch die Polizei. Wie dem SÜDKURIER mehrere Quellen bestätigt haben, soll P. zudem ein Video davon sowie Fotos von seinem Opfer ins Internet gestellt haben, welche kurz darauf gelöscht wurden.

„Was passiert ist, ist furchtbar schlimm. Es tut mir so leid für den Jungen. Das ist das Schlimmste, wenn die eigene Mutter umgebracht wird“, sagt die Reichenauerin Claudia B. sichtlich betroffen. Landsleute der Getöteten und eine orthodoxe Gemeinde sammeln nun Geld, um den Transport des Leichnams von Geta E. nach Osteuropa zu organisieren, wo ihre Eltern und ihre zwei Töchter leben und wo sie beerdigt werden soll. Ein Auto, dass die 49-Jährige wenige Tage vor ihrem gewaltsamen Tod gekauft habe, habe sie am kommenden Dienstag anmelden wollen, berichtet Claudia B.