Seit dem 16. März gilt sie für alle Mitarbeiter in Pflegeheimen, Krankenhäusern und Arztpraxen: die Impfpflicht. Zum Stichtag wurden rund 37.000 Mitarbeiter in Krankenhäusern, Pflegeheimen und Arztpraxen ohne Impfnachweis registriert. Im Anschluss mussten die Gesundheitsämter jeden Einzelfall prüfen.

Drei Monate nach der Einführung der Corona-Schutzmaßnahmen zieht Baden-Württemberg nun eine erste Bilanz – mit ernüchterndem Ergebnis. Denn die zuständigen Gesundheitsämter setzen die Impfpflicht nicht überall konsequent um.

Fast 23.000 Angestellte sind ungeimpft

Von den exakt 37.238 Betroffenen ließen sich zwar noch 13.000 mindestens ein Mal impfen, weitere 1481 Mitarbeiter gaben an, aus medizinischen Gründen nicht geimpft werden zu können. Doch damit bleiben noch fast 23.000 Angestellte in den Einrichtungen, die der Aufforderung, sich impfen zu lassen, bislang nicht nachkamen.

Dennoch haben 33 der 44 Gesundheitsämter bislang keine Bußgeldverfahren eingeleitet, drei Ämter machen dazu gar keine Angaben. Insgesamt zählte das Ministerium nur 450 laufende Bußgeldverfahren im gesamten Südwesten.

Erste Bußgelder wurden laut einer Mitteilung des Sozialministeriums zwar bereits verhängt, allerdings meist „in der Größenordnung von 250 bis 300 Euro“. Genaue Zahlen nennt die Landesbehörde hier nicht. Der Bußgeldrahmen im Infektionsschutzgesetz sieht bis zu 2500 Euro vor. Doch viele Gesundheitsämter scheinen mit den Verfahren überlastet zu sein.

Mehr als 5000 Fälle in der Region

Das zumindest zeigen die Zahlen auch in der Region. Hier müssen die Gesundheitsämter aus sieben Landkreisen 5227 Fälle prüfen. Trotz teils hoher Zahlen haben fünf von sieben Landkreisen bislang aber keine Bußgeldverfahren eingeleitet. Dazu gehören der Bodenseekreis sowie die Kreise Konstanz, Ravensburg und Sigmaringen. Verfahren eingeleitet haben demnach nur der Schwarzwald-Baar-Kreis sowie der Kreis Waldshut.

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Im Kreis Sigmaringen wurden mehr als 500 Fälle registriert, etwa 60 Personen haben sich ganz oder teilweise impfen lassen, knapp 100 gelten als genesen. Derzeit liefen noch die Anhörungen in den übrigen Fällen, die der Aufforderung, Nachweise zu liefern, nicht nachkamen, hieß es.

Im Kreis Konstanz wurden den Angaben zufolge über 900 Mitarbeiter dazu aufgefordert, einen Impfnachweis vorzulegen. Nur 160 ließen sich ganz oder teilweise impfen. Nach Aussage von Sprecherin Marlene Pellhammer sind aktuell 598 Ungeimpfte gemeldet: „Alle Personen haben Aufforderungsschreiben zur Nachweisvorlage erhalten.“

In Baden-Württemberg haben über 20.000 Angestellte von Pflegeheimen, Krankenhäusern und Arztpraxen noch nicht eine einzige ...
In Baden-Württemberg haben über 20.000 Angestellte von Pflegeheimen, Krankenhäusern und Arztpraxen noch nicht eine einzige Corona-Impfung erhalten. | Bild: Sebastian Gollnow/dpa

Darüber hinaus haben 60 Personen Einladungen zu einer Anhörung wegen Betretungsverboten erhalten. „In den bisher geprüften Fällen kommt das Gesundheitsamt zu dem Ergebnis, dass kein Betretungsverbot ausgesprochen wird, sondern Bußgelder verhängt werden“, so Pellhammer.

Im Schwarzwald-Baar-Kreis wurden 926 Ungeimpfte registriert, davon sind in der Zwischenzeit knapp 440 ganz oder teilweise geimpft, gut 140 gelten noch als genesen. 20 Bußgeldverfahren laufen schon. „Bei den anderen Fällen befinden wir uns aktuell im Verwaltungsverfahren. Beschäftigungsverbote wurden noch keine ausgesprochen“, so Sprecherin Heike Frank auf Anfrage.

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Pfleger werden ohnehin händeringend gesucht. Unlängst hat das Land eine neue Initiative gestartet, um zusätzliche Fachkräfte aus dem Ausland zu gewinnen. | Bild: Daniel Bockwoldt/dpa

Im Bodenseekreis wurden 1169 Ungeimpfte in den Einrichtungen registriert, davon gelten gut 170 Personen als genesen, knapp 120 erbrachten einen Impfnachweis. „Als laufende Verfahren gelten derzeit 728 Fälle, von denen 322 demnächst angehört werden müssen, bei 345 wurden noch fehlende Unterlagen angefordert“, so Sprecher Robert Schwarz. Entsprechend seien noch keine Betretens- oder Tätigkeitsverbote ausgesprochen worden, ebenso wurden keine Bußgelder verhängt.

Viele Fälle, wenige Verfahren

Besonders viele Ungeimpfte wurden im Kreis Ravensburg mit 1300 Betroffenen gemeldet. Etwa 270 Personen gelten noch als genesen, gut 180 haben einen Impfnachweis erbracht. Damit muss das dortige Gesundheitsamt noch mehr als 800 Einzelfälle klären.

Spitzenreiter bei den Bußgeldverfahren in der Region ist Waldshut mit 67. 423 Betroffene wurden ursprünglich ermittelt, wie die Übersicht des Sozialministeriums ergibt. Etwa 40 sind ganz oder teilweise geimpft, knapp 90 gelten noch als genesen. „Über die verbliebenen Fälle konnte noch nicht beschieden werden“, so Sprecher Tobias Herrmann.

„Die Verfahren sind aufwendig und beanspruchen Zeit“, resümiert Susanna Haag-Milz, Leiterin des Fachbereichs Gesundheit aus dem Kreis Sigmaringen – ein Fazit, dass für alle Gesundheitsämter der Region zutreffen würde.

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Ein weiterer Grund für die Zurückhaltung dürfte der chronische Mangel an Pflegekräften sein. Gerade Pflegeheime sind auf ihre Mitarbeiter angewiesen. Aus einzelnen Gesundheitsämtern ist zu hören, dass man gebeten worden sei, auf Betretungsverbote zu verzichten.

Das Land Baden-Württemberg sieht sich ob des Bundesgesetzes nicht in der Verantwortung – und kann auch wenig tun. Für Ordnungswidrigkeiten sind die Kreise zuständig. Man habe aber vor, mit den Landräten und Oberbürgermeistern ins Gespräch zu gehen – zur „weiteren Umsetzung“, sagte Florian Mader, Sprecher des Sozialministeriums, auf Nachfrage des SÜDKURIER. „Klar ist: Die einrichtungsbezogene Impfpflicht ist ein geltendes Gesetz und muss umgesetzt werden.“ Das Wie bleibt an den Landkreisen hängen.