Der bange Blick geht auch aus dem Südwesten nach Berlin: Stehen 49-Euro-Ticket, Flüchtlingskosten, Digitalpakt oder Kindergrundsicherung in Baden-Württemberg nach dem Karlsruher Haushaltsurteil auf der Kippe? „Ich kann noch keine konkrete Antwort darauf geben, was das für das Land bedeutet, das wissen wir alles noch nicht“, sagte der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) in Stuttgart vor der Presse zu den möglichen Folgen des Urteils für das Land.
Im Bundeshaushalt fehlen 60 Milliarden Euro, nachdem das Bundesverfassungsgericht am Montag festgestellt hat, dass die Milliarden aus dem Corona-Sondervermögen nicht in andere Haushaltstöpfe wie etwa den Klima- und Transformationsfonds verschoben werden dürfen.
„Haben Rücklagen“
Da die Finanzierung von vielen Vorhaben und Projekten zwischen Bund und Ländern verwoben ist, könnten die Folgen des Urteils auch in Baden-Württemberg spürbar werden. „Wir haben Rücklagen im eigenen Haushalt, um unsere Handlungsfähigkeit zu sichern. Aber Ausfälle in einem breiten Format können wir sicher nicht kompensieren“, sagte Kretschmann.
Auch das Finanzministerium wies darauf hin, zunächst abwarten zu müssen, wie die Bundesregierung vorgehen wolle und wie die Ausfälle kompensiert werden sollen. Sorgen bereiten dabei vor allem die auf der jüngsten Ministerpräsidentenkonferenz mit dem Kanzler getroffenen Vereinbarungen zu den Flüchtlingskosten.
Der Sprecher von Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne) teilte dazu mit, dass das Karlsruher Urteil sogenannte Verpflichtungsermächtigungen betreffe. „Die Finanzzusagen der MPK zu den Flüchtlingskosten sind aber keine Verpflichtungsermächtigungen“, so der Sprecher auf Anfrage. Aber es wird sicher Folgen geben, welche, müssen wir abwarten. Das wird maßgeblich davon abhängen, was die Bundesregierung nun macht und wie sie die Ausfälle kompensieren will.“
Baden-Württemberg wirtschaftet anders
Für den eigenen Landeshaushalt gab Regierungschef Kretschmann allerdings weitgehend Entwarnung. Baden-Württemberg habe – anders als andere Bundesländer – laut Kretschmann keine nicht verbrauchten Mittel aus Corona-Krediten umgewidmet und anderweitig eingesetzt. „Wir haben 2021/2022 Kredite aus der bestehenden Haushaltsrücklage für Corona zugeführt. Diese Kredite haben wir aber vollständig zur Bewilligung der Corona-Maßnahmen eingesetzt“, sagte Kretschmann.
Da die Corona-Ausgaben des Landes aber deutlich höher ausgefallen sind als das Kreditvolumen, müsse man sich in Baden-Württemberg auch keine Sorgen darüber machen, ob das Urteil von Karlsruhe auch direkt den Landeshaushalt betreffe. „Die klare Linie dieser Landesregierung war längst vor dem Karlsruher Urteil: Kredite, die wir nicht für Corona gebraucht haben und die für diesen Zweck nicht ausgegeben wurden und auch nicht mehr werden, werden zurückgezahlt“, sagte der Grünen-Politiker.
Unterdessen sprach sich auch Kretschmann dafür aus, über die Schuldenbremse neu zu diskutieren. „In welcher Zeit ist denn die Schuldenbremse entstanden? Darüber muss man nachdenken“, sagte Kretschmann.
Die Debatte, wie man die Schuldenbremse auch investitionsfreundlich ausstatten könne, sei aller Ehren wert und müsse geführt werden. Wenn durch die Schuldenbremse und das nun fehlende Geld auch die gerade erst beschlossenen Maßnahmen zur Senkung des Strompreises wieder infrage gestellt würden, müsse man auch überlegen, was dies für die Unternehmen bedeute. „Dann kann man doch nicht sagen, wir können nicht an die Schuldenbremse“, sagte Kretschmann.
Das Haushaltsurteil stelle zwar einen „tiefen Einschnitt“ für die Bundesregierung dar, aber insgesamt hält Kretschmann die Ampel für funktionsfähig, auch, wenn es mal ein wenig dauere. „Die Ampel ist besser als ihr Ruf“, sagte Kretschmann. Und gab den Pressevertretern noch mit auf den Weg, in der Berichterstattung nicht immer Streit und schlechte Stimmung in der Ampel-Regierung herauszustreichen. „Seien Sie bitte nicht so konfliktorientiert“, bat der Ministerpräsident.