Die „Querdenker“ sind sich sicher: Die Corona-Maßnahmen sind überzogen, das Virus nicht gefährlicher als andere und die Maskenpflicht ein Witz. Bereits Anfang Oktober flatterten Flugblätter in die Briefkästen von Bürgern, gespickt mit vermeintlichen Fakten zum Mund-Nasen-Schutz, der sogar die Gesundheit gefährde. Nun wurden weitere Flugblätter verteilt. Wir fühlen den Behauptungen auf den Zahn.

Dieses Flugblatt flatterte bei Haushalten in Singen in den Briefkasten. Auch in Konstanz und Radolfzell wurde es verteilt.
Dieses Flugblatt flatterte bei Haushalten in Singen in den Briefkasten. Auch in Konstanz und Radolfzell wurde es verteilt. | Bild: Rosenberger, Walther

Behauptung 1: Das Tragen von Masken verursacht vermehrte Kopfschmerzen, Atemnot, Müdigkeit, Schweißausbrüche, Herzrasen und Schwindel

Das ist so pauschal einfach falsch. Richtig ist, dass Menschen mit bestimmten Lungen-Erkrankungen vom Tragen von Masken abgeraten wird. Bei Menschen mit chronischen Lungenerkrankungen können Herzrasen und Schwindel auftreten, sagt Edwin Bölke von der Uniklinik Düsseldorf.

Atemnot verursachen einfache Stoff- oder Chirurgenmasken nicht – denn Luft sucht sich immer den Weg des geringsten Widerstands. Diese Masken sind aber weder luftdicht, noch schließen sie nahtlos am Gesicht an.

Anders verhält es sich bei FFP2 oder FFP3-Masken. Die darin enthaltenen Filter führen zu einem höheren Luftwiderstand. Das kann bei Menschen mit Atemwegserkrankungen dazu führen, dass sie beim Tragen dieser speziellen Masken ermüden und schwerer atmen. Dass das Tragen von Masken in der Sonne oder in warmen Räumen unangenehm ist, mag sein. Aber Schweißausbrüche können kaum als gesundheitliche Beeinträchtigung gelten.

Behauptung 2: Die Maske löst Angstzustände aus

Daniela Prousa ist die Autorin einer sogenannten „Research-Gap-Studie“. In der Studie sagt sie, dass das Tragen zu Angst bis Aggressionen sowie Stress, Kopfschmerzen und psychischen Belastungen führen könne. Die Teilnehmer wurden über soziale Medien gesucht. Zudem waren die Teilnehmenden nach Angaben der Autorin, für deren berufliche Qualifikation als Diplompsychologin keine Nachweise zu finden sind, Menschen, die psychisch vorbelastet sind.

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Dass psychische Vorbelastungen durch die Corona-Pandemie und die damit verbundene Unsicherheit verstärkt werden könnten, ist wahrscheinlich. Der Präsident der Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN), Professor Andreas Heinz, sagt in einer Anfang Oktober erschienenen Mitteilung: „Alles deutet darauf hin, dass Kontaktsperren und Isolation psychische Erkrankungen begünstigen, das gilt insbesondere für affektive Erkrankungen wie Depressionen, aber auch für Angststörungen und Psychosen.“

Professor Detlef Dietrich, Vertreter der European Depression Association (EDA) in Deutschland, geht davon aus, dass „durch die sekundären Folgen der Covid-19-Pandemie wie Arbeitsplatzverlust und Einsamkeit in den nächsten ein bis zwei Jahren noch mehr Menschen unter einer Depression leiden werden“. Die DGPPN führte diese Effekte aber nicht auf das Tragen der Masken zurück.

Behauptung 3: Durch die Atemluftfeuchtigkeit werden Masken zu einem idealen Nährboden für Viren und Bakterien

Das ist wahrscheinlich. Der Virologe Hendrik Streeck hat tatsächlich vor einem falschen Gebrauch von einfachem Mund-Nasen-Schutz gewarnt: „Die Leute knüllen die Masken in die Hosentasche, fassen sie ständig an und schnallen sie sich zwei Wochen lang immer wieder vor den Mund, wahrscheinlich ungewaschen.“

Damit sich diese Krankheitserreger nicht vermehren, lautet die allgemeine Empfehlung ja auch, die selbst genähten Masken regelmäßig zu waschen, die Einwegmasken auch nur für die angegebene Stundenzahl zu nutzen und dann zu wechseln. Auch das Robert Koch-Institut empfiehlt deshalb, Masken zu wechseln, wenn sie feucht geworden sind.

Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung empfiehlt: „Masken sollten nach einmaliger Nutzung idealerweise bei 95 Grad, mindestens aber bei 60 Grad gewaschen und anschließend vollständig getrocknet werden.“

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Behauptung 4: Die Gesichtsmaske führt ausgeatmetes Kohlendioxid zurück in die Lungen und schädigt die Infektabwehr

Diese Behauptung ist schlichtweg falsch. Der Donaueschinger Pneumologe Hinrich Bremer sagt dem SÜDKURIER: „Es stimmt nicht, dass wir durch das Tragen der Masken verstärkt Kohlendioxid einatmen.“ Jeder könne eine Maske tragen. In seiner Klinik tragen auch die Menschen mit Lungenerkrankungen alle eine Maske, wenn sie in seine Klinik kommen. Fakt ist: Weder Stoff- noch medizinische Masken schließen Mund und Nase vollständig von der Umgebung ab. Die Atemluft wird über die Seiten angesogen, die Masken selbst können die ausgeatmete Luft nicht zurückhalten. Bei FFP3-Masken entweicht die ausgeatmete Luft über ein Ventil.

Richtig ist, dass in einer 2004 eingereichten und in sozialen Netzwerken falsch und oder unvollständig wiedergegebenen Doktorarbeit an der Technischen Universität in München nach der Benutzung von OP-Masken ein leicht erhöhter Kohlenstoffdioxid-Gehalt im Blut festgestellt wurde. Eine Erhöhung der Atemfrequenz oder ein Abfall der Sauerstoffsättigung wurde dabei aber nicht nachgewiesen. Die Verfasserin der Doktorarbeit, Ulrike Butz, sagte: „Man kann aus der Arbeit keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen ableiten. Das wäre unseriös.“

Behauptung 5: Inzwischen gibt es bedeutend mehr Menschen, die durch das Tragen von Masken mit Lungenfunktionsstörungen behandelt werden

Das ist falsch. Es gibt keinen Beleg dafür, dass Masken Lungenkrankheiten fördern oder dass sie gefährlich oder unwirksam sind. Doktor Önder Yildirim, Direktor des Instituts für Lungenbiologie am Helmholtz Zentrum München, weist die Gerüchte, Masken verursachten Lungenkrankheiten oder dass sie ihre Funktion schädigten, entschieden zurück: „Das stimmt so nicht. Es gibt keine Studien darüber, dass eine Maske eine Lungenerkrankung verursachen würde.“

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Behauptung 6: Einfache Masken halten die Viren nicht zurück und sie schützen auch nicht vor Ansteckung

Das ist richtig, der Mund-Nasen-Schutz kann Viren nicht vollständig abhalten, allerdings helfen schon einfache Masken, das Risiko einer Ansteckung deutlich zu vermindern. Darauf weisen inzwischen mehrere Studien hin, unter anderem aus Jena, zu Beginn der Pandemie aber bereits durch eine Auswertung früherer Studien zur Sars-Pandemie durch eine kanadische Universität.

Allerdings dient er dem Schutz anderer: Das Robert-Koch-Institut sagt dazu: „Das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung trägt dazu bei, andere Personen vor feinen Tröpfchen und Partikeln die man zum Beispiel beim Sprechen, Husten oder Niesen ausstößt, zu schützen.“ Für diesen Fremdschutz gibt es inzwischen erste wissenschaftliche Hinweise, ergänzt das Robert Koch-Institut.

Weiter heißt es auf der Webseite des Instituts: „Der Einsatz von Mund-Nasen-Bedeckungen kann andere zentrale Schutzmaßnahmen, wie die (Selbst-) Isolation von Infizierten, die Einhaltung der physischen Distanz von mindestens 1,5 Metern und von Hustenregeln und Händehygiene, sowie die Notwendigkeit des Lüftens nicht ersetzen, sondern ergänzt diese.“

Auch die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin empfiehlt das Tragen von Masken. In einem Papier erklärt die DGPB, worauf es dabei zu achten gilt.

Behauptung 7: Die Viren können ins Gehirn einwandern

Richtig. Schon früh im Verlauf der Pandemie wurde bekannt, dass die neuen Corona-Viren den Verlust des Geruchs- und Geschmackssinns verursachen können.

Tatsächlich ergaben Obduktionen an Corona-Verstorbenen bei einem Drittel der untersuchten Leichen Viren auch im Gehirn. Wie das Virus in das Gehirn gelangt, ist allerdings noch nicht genau entschlüsselt. Die Forscher vermuten, dass das Coronavirus über die Nervenfasern in der Nasenschleimhaut ins Gehirn einwandern kann.

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