Frank Raddatz ist enttäuscht. Der erste Eindruck der grünen Masken, die seine Theodor-Heuss-Realschule am Konstanzer Zähringerplatz im Dezember erreichten, war ernüchternd. „Eigentlich haben wir uns alle so gefreut, als die FFP2-Masken endlich eintrafen“, so der Rektor. Das änderte sich schon beim Auspacken der Ware, die das Landes-Sozialministerium an die Schule geschickt hatte.

Warum? Die Masken stanken. „Wenn man sie über den Mund und die Nase zieht, dann riecht man die Chemie, die da drin steckt“, sagt Raddatz. Für ihn das erste Anzeichen für minderwertige Qualität.

Frank Raddatz neben den acht Masken-Kartons vom Land im Sekretariat der Theodor-Heuss-Schule.
Frank Raddatz neben den acht Masken-Kartons vom Land im Sekretariat der Theodor-Heuss-Schule. | Bild: Küster, Sebastian

Und dann ist da noch dieses Symbol: KN95, die chinesische Zertifizierung für FFP2-Masken. Die Norm steht in Verruf. Scheinbar klebt an der Ware aus Asien nach wie vor der Stempel für Minderwertigkeit. Doch stimmt das wirklich? Sind diese Masken immer schlecht?

Roland Ballier, öffentlich bestellter Gutachter für Medizinprodukte aus Konstanz, nimmt für den SÜDKURIER drei unterschiedliche Chargen der Masken unter die Lupe. Laut Sozialministerium gibt es nur noch einen anderen Maskentyp, der an die Schulen im Land verschickt wurde. Folglich müssen viele Lehrer in ganz Baden-Württemberg mit diesen Masken schon bald im Klassenzimmer arbeiten.

Masken in Konstanzer Schulen erfüllen die Norm

Balliers Ergebnis: Die getesteten Masken erfüllen die Standards – „und zwar sowohl nach der chinesischen KN95, als auch nach der europäischen Norm.“ Es kommen kaum Viren durch und die Atmung wird nicht zu stark erschwert. Frank Raddatz kann also aufatmen.

Doch es gibt einen Haken. Denn Ballier wundert sich etwas über das Ergebnis. Nicht, weil KN95-Masken per se schlecht sind. „Ein Großteil dieser Masken bietet einen guten Schutz gegen das Virus“, sagt er. Aber der Gutachter ist nicht der erste, der die Ryzur-Maske testete. Das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ nahm vor kurzem zwei Masken desselben Typs unter die Lupe und löste innerhalb der Lehrerschaft in ganz Deutschland Empörung aus. Beide Masken rasselten durch den Test.

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Das Landes-Sozialministerium sagt, dass die Masken der Firma Ryzur von der Dekra auf Verkehrsfähigkeit geprüft und vor Auflieferung nochmals stichprobenartig „einer qualifizierten Laboruntersuchung unterzogen worden“, sagt Claudia Krüger im Gespräch mit dem SÜDKURIER. Dekra-Chef Jörg-Timm Killisch aber weiß von nichts. Im Spiegel-Artikel behauptet er, dass die Masken nie bei seinem Prüfinstitut getestet wurden.

Wer am Ende recht behält, ist unklar. Aber wie kann es sein, dass Roland Ballier zu einem völlig anderen Ergebnis kommt, als der Spiegel? Der Gutachter will es genau wissen. Und nimmt eine Maske exemplarisch noch genauer unter die Lupe als sonst. Dabei stellt er fest, dass eine Filterschicht fehlerhaft ist. „Das Gewebe ist halbkreisförmig ausgestanzt, die Filterschicht damit unvollständig“, sagt er.

Gutachter Roland Ballier nimmt für den SÜDKURIER die Masken unter die Lupe.
Gutachter Roland Ballier nimmt für den SÜDKURIER die Masken unter die Lupe. | Bild: Marcel Jud

Sein Verdacht: „Es könnte sein, dass eine im April 2020 produzierte Maske die Prüfnormen erfüllt und eine Maske desselben Modells, vom gleichen Hersteller, nur zwei Monate später produziert, katastrophale Werte zeigt“, sagt Ballier.

Trotz Zertifizierung können Masken schlecht sein

Denn entscheidend für die Qualität einer Maske ist das verwendete Filtermedium. Die chinesischen Zulieferfirmen liefern grundsätzlich kein Rohmaterial mit konstant gleicher Qualität nach Europa – egal ob daraus FFP2-Masken mit CE-Symbol oder KN95-Masken entstehen.

„Eine Wareneingangsprüfung, wie sie in Deutschland zur Qualitätssicherung eigentlich vorgeschrieben ist, wird in Asien häufig nicht durchgeführt“, sagt Ballier. Auch spontane Vor-Ort-Kontrollen durch die Zertifizierungsstellen sind eher die Ausnahme.

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Die Folge: Selbst wenn die Maske von einer Zertifizierungsstelle für gut befunden wird, könne es sein, dass andere Maske desselben Fabrikats nicht vor Corona schützt, weil nur eine Charge und nicht alle Masken einzeln bei Zertifizierung geprüft werden.

Am Ende ist der Empfänger selbst gefragt. Vor allem wenn es um große Lieferungen in besonders kritische Bereiche wie Krankenhäuser und Pflegeheime geht, „kann man auf orientierende Tests nicht verzichten“, so der Gutachter Roland Ballier. Entsprechende Prüfungen werden vielerorts angeboten.

Zumindest Frank Raddatz ist auf der sicheren Seite. Die Theodor-Heuss-Schule kann sich auf ihre Masken wohl verlassen. „Wir haben drei Chargen getestet. Die sollten alle gut sein“, so Ballier.