In der Zentralapotheke des Gesundheitsverbundes (GLKN) Konstanz lagern zehntausende FFP2-Masken. Die meisten hat Krankenhausapotheker Peter Buchal selbst eingekauft. Er macht seinen Job gewissenhaft, seit 21 Jahren. Seine Masken entsprechen den Normen, sind zertifiziert und schützen den Träger gut vor dem Coronavirus, sagt Buchal.

Seit Beginn der Coronakrise landeten im Kreis aber auch 66.000 Masken mit 16 verschiedene Maskentypen, bei denen er sich nicht so sicher ist. Sie wurden vom baden-württembergischen Sozialministerium und dem Bundesgesundheitsministerium zugeschickt.

Es fehlt der Wirksamkeits-Nachweis

Im März war der Engpass an Schutzausrüstung schließlich riesengroß, Lager leer gefegt. Die Politik wollte unterstützen. Ein nobler Gedanke. Eingesetzt wurden diese Masken im GLKN aber nie. Denn nur bei einem einzigen Maskentyp sei die Wirksamkeit laut Buchal durch ein Zertifikat bislang nachgewiesen worden.

Viele der als FFP2 deklarierte Masken haben gar kein CE-Zeichen, geschweige denn eine Prüfziffer des Zertifizierungsinstituts, das die Maske unter die Lupe nahm. Die Zweifel, dass die Masken vor dem Coronavirus wirklich schützen, sind dem Krankenhausapotheker zu groß.

Leiter der Krankenhausapotheke Peter Buchal am Arzneimittelschrank.
Leiter der Krankenhausapotheke Peter Buchal am Arzneimittelschrank. | Bild: Oliver Hanser

Der Sachverständige und öffentlich bestellte Gutachter Roland Ballier ist sich jedoch sicher: Viele von der Politik zugeschickte Masken entsprechen nicht den Normen.

Das Bundesgesundheitsministerium habe zwar alle nur denkbaren Maßnahmen getroffen, um an Masken zu kommen, dabei aber die Maskenqualität in den Lieferbedingungen nicht eindeutig genug beschrieben. Es seien dabei Qualitätskriterien festgelegt worden, die nicht einmal den Mindeststandard für Schnellzulassungen in der Pandemie entsprächen.

Bund kaufte fast bedingungslos Masken

Warum? Am 27. März veröffentlichte das Bundesgesundheitsministerium einen sogenannten Open-House-Vertrag (offenes Haus). Bedeutet: Jedermann hatte einen Anspruch auf unbegrenzte Maskenlieferungen an den Bund. 4,50 Euro pro Maske waren als Kaufpreis festgelegt.

Als der Bund festgestellt habe, dass viel zu viele Masken und teils minderwertige Qualität eingekauft worden sein sollen, sei es schon zu spät gewesen. Eine große Anwaltskanzlei sei beauftragt worden, den Schaden zu begrenzen.

Das Geschäft mit den schlechten FFP2-Masken

Wie? „Man entschied sich nicht etwa, jede Lieferung zu prüfen und schlechte Masken von guten Masken zu trennen“, sagt Ballier. „Man nahm in vielen Fällen einfach eine Hälfte jeder Lieferung ab und verweigerte die Abnahme der zweiten Hälfte aus Qualitätsgründen, obwohl es sich um die selbe Charge handelte.“

Roland Ballier ist Art und Gutachter für Medizinprodukte.
Roland Ballier ist Art und Gutachter für Medizinprodukte. | Bild: Marcel Jud

Qualität der Masken stimmte bei Lieferungen nicht

Das Bundesgesundheitsministerium reagiert. Ein Sprecher räumt ein, dass es Mengen- und Qualitätsprobleme bei den Lieferungen gegeben hat. Häufig fehlten Unterlagen, Lieferscheine, Rechnungen oder TÜV-Protokolle. Das Ministerium habe daraufhin einen „sorgfältigen, dreistufigen Qualitätssicherungsprozess eingeführt“. Alle Masken hätten vor Auslieferung einen Test bestanden. Fehlerhafte Masken seien identifiziert und gesperrt worden.

Und dennoch: Ob die Hälfte der Masken an die Händler zurückgeschickt wurde und ob die restlichen Masken dabei willkürlich in zwei Kategorien eingeteilt wurden, wird in der Stellungnahme nicht erwähnt. Was der Sprecher eingesteht: Bisher hat der Bund erst gut die Hälfte aller Masken bezahlt – beim Rest sei man „in Verhandlung“.

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Auch deshalb bleibt Ballier dabei: Gute und schlechte Masken befinden sich in diesen Lieferungen des Bundes – auch an die Landkreise in der Region.

Klar ist mittlerweile auch: Die Masken sollten in Anbetracht der Mangelsituation explizit nur an Ärzte und Pfleger herausgegeben werden, sagt Claudia Krüger, Pressesprecherin des Sozialministeriums Baden-Württemberg.

10 Millionen Masken im ganzen Land verteilt

10 Millionen FFP2-Masken seien unter allen 44 Stadt- und Landkreisen verteilt worden. Das Land habe neben den vom Bund gestellten Masken, auch eigene FFP2-Masken eingekauft. Diese seien „einer technischen Prüfung auf Filtration und Atemwiderstand unterzogen“ worden.

FFP2-Masken kosten den Steuerzahler sechs Milliarden Euro

Insgesamt kaufte der Bund Sebastian Gülde zufolge 4,2 Milliarden Masken ein, davon seien 1,7 Milliarden FFP2 und FFP3 zertifiziert. Bis Ende 2021 wird das Bundesgesundheitsministerium rund sechs Milliarden Euro in Mund-Nasen-Schutz investieren.

Für Roland Ballier bleibt ein fader Beigeschmack. Erkennen ließe sich die Qualität der Masken für den Laien jedenfalls nicht. Denn bei der Herabsetzung der Teststandards zu Beginn der Krise, habe man bewusst auf Kennzeichnung von CE-Zeichen samt Prüfnummer verzichtet, um den Prozess zu beschleunigen. Das führt zu Verwirrung – auch bei Krankenhausapotheker Peter Buchal in Konstanz.

FFP2-Masken von Land und Bund entsorgt

Als im Oktober bekannt wurde, dass viele FFP2-Masken mit erheblichen Mängeln auf dem Markt sind, entschied sich das Landratsamt Konstanz zu einem radikalen Schritt. Alle Masken, die die offizielle Kennzeichnungspflicht nicht erfüllen, wurden entsorgt, oder von Buchal in Quarantäne genommen. Er verließ sich nicht auf Versprechen aus Stuttgart und Berlin, dass die Masken sicher sein sollen.

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Ganz im Gegensatz zu den anderen Landkreisen in der Region. Sie verwenden diese Masken bis heute – auch in Krankenhäusern. Der Landkreis Tuttlingen etwa erhielt 160.000 FFP2-Masken. „Sie wurden auch bei uns an die Bedarfsträger im Gesundheitswesen verteilt“, sagt Kreissprecherin Julia Hager. Offensichtliche Qualitätsmängel seien nicht zu erkennen gewesen. Eine eigene Prüfung sei, genau wie in den anderen Kreisen, nicht erfolgt.

Zehntausende Masken in den Kreisen im Einsatz – ohne eigene Prüfung

Im Kreis Sigmaringen verwendet man 160.000 als FFP2 deklarierte Masken aus Stuttgart und Berlin. Sie wurden an medizinische und pflegerische Bereiche ausgegeben. Im Kreis Waldshut erhielt man 190.000 solcher Masken, prüfte beim Eingang der Ware auf offensichtliche Mängel. Im Bodenseekreis kamen 191.000 FFP2-Masken an. Auch der Schwarzwald-Baar-Kreis wurde von Bund und Land beliefert, kann aber keine Auskunft über die Anzahl der Masken geben.

Alle Kreise verlassen sich darauf, dass die FFP2-Masken aus Stuttgart und Berlin fehlerfrei sind und gut schützen. Ob bei allen Lieferungen tatsächlich ein sicherer Schutz vor Corona besteht, bleibt zumindest ungewiss.