Wo hat Alice Weidel ihren Hauptwohnsitz? Schon seit einiger Zeit besteht Zweifel daran, dass die Kanzlerkandidatin Alice Weidel von der AfD darüber die Wahrheit sagt – und nun ist es plötzlich ein Wahlkampfthema.
Weidel selbst sagt, sie habe ihren Hauptwohnsitz in Überlingen im Bodenseekreis. Mit ihrer Frau und ihren beiden Kindern lebt sie allerdings in Einsiedeln in der Schweiz. Laut Gesetz ist der Hauptwohnsitz aber dort, wo der Lebensmittelpunkt ist. Das wirft Fragen auf, der SÜDKURIER berichtete bereits im vergangenen September.
Weidel zahlt in Deutschland Steuern
Im TV-Quadrell von RTL, n-tv und Stern diskutierten Günther Jauch und Pinar Atalay am Dienstag mit Olaf Scholz (SPD), Friedrich Merz (CDU), Robert Habeck (Grüne) und Weidel.
Als die Debatte bereits einige Zeit läuft, stellt Moderator Günther Jauch die entscheidende Frage: „Wo ist denn von den beiden Wohnsitzen der Hauptwohnsitz?“ Alice Weidel sagt, es sei interessant, dass die Debatte nun darauf gelenkt würde. Ihre Frau sei Schweizerin und habe ihren Wohnsitz in der Schweiz. Sie selbst sei in Deutschland gemeldet und habe dort auch ihren Wohnsitz. Sie wolle schließlich auch für Deutschland Politik machen.
Jauch hakt noch einmal nach: „Sie zahlen auf alle Ihre Einkünfte in Deutschland Steuern?“ Weidel: „Ich zahle in Deutschland Steuern, das ist korrekt. Natürlich.“
Weidel hat Segelschein in Überlingen gemacht
Dass Alice Weidel die Frage nach ihrem Hauptwohnsitz nicht immer passt, zeigt sich allerdings in einer nun veröffentlichten ZDF-Dokumentation. In 30 Minuten zeichnen die Journalisten ein Porträt der AfD-Chefin. Im Film ist zu sehen, wie Alice Weidel an der Überlinger Uferpromenade entlangspaziert. Im Yachtclub habe sie in Jugendtagen ihren Segelschein gemacht, erzählt sie.
„Überlingen ist eine Grünen-Hochburg geworden“, sagt sie. Die Menschen hätten ein hohes Aggressionspotential, wenn sie so politisiert seien. Dann fragt der Journalist, wie viele Einwohner Weidels Wahlkreis Bodensee ungefähr habe. „Schon so einige“, antwortet Weidel. Genauere Zahlen müsse sie nachschlagen.
Später in der Reportage sagt Daniele Digrisolo vom AfD-Kreisverband, es seien circa 250.000 Menschen. Ob eine Direktkandidatin so etwas wissen müsse? „Durchaus, sollte man wissen“, sagt Digrisolo.
Und Berthold Bohner, ebenfalls vom AfD-Kreisverband Bodenseekreis erklärt, Alice Weidel sei am Bodensee verwurzelt, ihr Vater wohne im Wahlkreis. Alice Weidel auch? „Nein, sie wohnt in Einsiedeln“, sagt Bohner.
Sie übernachtet „ganz, ganz, ganz oft“ hier
Zurück zum Interview mit Weidel. Ob Überlingen ihr Zuhause ist, möchte der Reporter wissen. „Ja, auch“, sagt Weidel. „Überlingen ist mein Hauptwohnsitz.“ Und wie oft übernachtet Weidel in Überlingen? „Oh, ganz, ganz, ganz oft“, sagt Alice Weidel. Eine genauere Einschätzung möchte sie nicht geben.
Das sei eine suggestive Frage, die sie so nicht beantworten wolle. Das würden andere Politiker auch nicht gefragt werden. Dann folgt ein Schnitt: Parteikollege Tino Chrupalla wird gezeigt, er sagt, er verbringe 50 Prozent seiner Zeit an seinem Hauptwohnsitz. Und er bezeichnet die Frage als „absolut legitim.“
Am Bodensee bricht Alice Weidel jedoch das Gespräch ab: „Nee, ich hab jetzt keine Lust mehr“, sagt sie und lässt die Journalisten stehen. Offenbar ist ihr die Frage unbequem geworden.
Recherchen des SÜDKURIER zeigen, dass vieles dagegen spricht, dass Alice Weidel ihren Lebensmittelpunkt in Überlingen hat. Sie unterhält am Bodensee kein Wahlkreisbüro, laut ihres Sprechers war sie vergangenes Jahr nur sechs Mal zu Terminen am Bodensee, nicht alle davon waren öffentlich.