Entsetzen, Unverständnis und Verunsicherung. Die Exklusivrecherche des SÜDKURIER über den mehrfach verurteilten Frauenarzt Hans Z. (Name geändert) löste zahlreiche, zum Teil wütende Reaktionen von Leserinnen und Lesern aus.
„Ich bin beunruhigt und entsetzt, wenn ich das lese“, sagt eine Leserin hörbar aufgebracht am Telefon. Sie betont, wie schwierig es heutzutage sei, einen Termin bei einem Frauenarzt zu bekommen. „Was dem Opfer des verurteilten Frauenarztes passiert ist, wünscht man niemanden. Es ist ein ungutes Gefühl.“

Veronique Scheins leidet bis heute an den Folgen des völlig schief gegangenen Routineeingriffs durch Hans Z. Er musste dafür in Frankreich ins Gefängnis. Nun wirbt er im Schwarzwald um Patientinnen.
Warum nicht der echte Name von Hans Z. genannt wird
Eine weitere Leserin schreibt: „Ich finde es gut, dass das aufgedeckt wird. Aber warum darf man den Namen des Arztes nicht nennen? Das verunsichert doch viele Frauen.“
Der Grund liegt im strengen deutschen Persönlichkeits- und Presserecht: Würde diese Redaktion den Namen oder den genauen Arbeitsort des Frauenarztes veröffentlichen, der in drei Ländern keine Zulassung mehr hat, könnte der Mediziner rechtlich gegen den SÜDKURIER vorgehen.
Manche Leserinnen und Leser stoßen sich aber auch an der scheinbaren Untätigkeit der verantwortlichen Behörden in Baden-Württemberg: „Warum muss man zwischen der freien Berufsausübung und dem Leben und der Gesundheit der Patienten abwägen?“, fragt Martin Benz aus Albbruck.
Für ihn ist es „eine Schande“, dass es aus seiner Sicht keinen Schutz von Patientinnen und Patienten gebe. Ein anderer Leser zeigt sich „schockiert“ und will wissen, warum der Frauenarzt wieder in Deutschland als Mediziner arbeiten darf.
Im Ausland verhängte Strafen ohne direkte Auswirkung auf Deutschland
Auch eine Kölner SÜDKURIER-Leserin mit Verwandten im Schwarzwald meldete sich. Aus ihrer Sicht sei es „ein Skandal“, dass der offenkundige Versorgungsmangel im ländlichen Raum dem Schutz der Patientinnen überwogen habe.
Ähnlich geht es Martin Benz: „Selbst mit der medizinischen Unterversorgung kann es nicht begründet werden, einen solchen Arzt auf Patienten los zu lassen“, sagt er. Ein Berufsverbot für einen Mediziner in einem Land sollte seiner Ansicht nach auf andere Länder automatisch übertragen werden.
Aber genau das ist nicht der Fall, wie die zuständige Approbationsbehörde für Baden-Württemberg, das Regierungspräsidium Stuttgart, mitteilt: „Im Ausland verhängte Strafen oder Maßnahmen gegen eine Berufsausübung haben keine unmittelbare Wirkung hier in Deutschland“, schreibt eine Sprecherin.
Für die Ruhendstellung oder den Widerruf einer Approbation, also der Arztzulassung, sei die Eröffnung eines eigenen Verfahrens erforderlich, in der der Betroffene angehört werde und nach Abschluss Rechtsmittel einlegen könne.
Stellen erfahren erst durch SÜDKURIER-Bericht von Hans Z. und seiner Vorgeschichte
Zwar gibt es in der EU das Binnenmarkt-Informationssystem (IMI) der Europäischen Kommission, mit denen im EU-Ausland verfügte berufsrechtliche Sanktionen gegen Ärzte abgerufen werden können. Dies geschieht jedoch laut Regierungspräsidium nur „bedarfsbezogen“. Das heißt, wenn ein Anlass oder ein Hinweis dazu besteht.
Gemäß einer Sprecherin informieren sich die in Baden-Württemberg für die ärztliche Tätigkeit zuständigen Stellen, also neben der Approbationsbehörde auch die Kammern und die Kassenärztliche Vereinigung, gegenseitig über Vorfälle. Sie würden jedem Hinweis, auch aus dem Ausland, nachgehen und in eigener Zuständigkeit Maßnahmen prüfen.
Gesicherte Quellen bestätigen jedoch, dass verantwortliche Stellen erst durch die Berichterstattung des SÜDKURIER von der Vorgeschichte von Hans Z. und seiner Gefängnisstrafe erfahren haben.
Kein bundesländerübergreifender Austausch
Aus der für den Fall zuständigen Ärztekammer heißt es, dass Hans Z. seiner Meldepflicht als Arzt im Zuständigkeitsbezirk ordnungsgemäß nachgekommen sei.
Aufgrund der nun veröffentlichten Recherchen wurde eine Meldung an das Regierungspräsidium veranlasst. „Bei Ärzten muss ein besonders strenger Maßstab angelegt werden. Aber wir können nur etwas unternehmen, wenn wir Hinweise haben“, erklärt die Kammer.
Ob das Regierungspräsidium nun ein Verfahren gegen Hans Z. eröffnet hat, beantwortet es nicht und begründet dies mit dem Daten- und Persönlichkeitsschutz. Nicht einmal die zuständige Kammer wird laut dieser darüber informiert – erst, wenn es zu einer Aberkennung der Arztzulassung komme.
Doch die Ärztekammer betont, sie würde es begrüßen, schon bei der Eröffnung eines Verfahrens gegen eine Mediziner davon und über den weiteren Verlauf zu erfahren.
Problematisch sei demnach, dass innerhalb Deutschlands kein bundesländerübergreifender Austausch über Verfehlungen von Ärzten stattfinde.
„Es gibt ein Riesenproblem mit unserem föderalen System, dass wir nicht einmal erfahren, wenn etwa in Bayern ein Arzt etwas macht und dann einfach nach Baden-Württemberg übersiedelt“, heißt es aus der Ärztekammer.
Das liege auch daran, dass es in Deutschland keine zentrale Stelle und kein nationales Register über Mediziner gebe, wie etwa in der Schweiz.
Hans Z. wurde auch in Stuttgart vor die Tür gesetzt
Und Hans Z.? Recherchen der Stuttgarter Zeitung zeigen, dass Ende 2024 eine Frauenarztpraxis in der baden-württembergischen Landeshauptstadt überraschend wegen Personalmangels schloss. Demnach sei Hans Z. dort für „kurze Zeit“ tätig gewesen, habe aber seinem Arbeitgeber von seiner Vorgeschichte und dem strafrechtlichen Urteil nichts erzählt.
Als der Arbeitgeber davon erfuhr, habe er keine Basis mehr für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit gesehen und sich zügig von Hans Z. getrennt. Zu diesem Zeitpunkt hatte er bereits seine Praxis im Schwarzwald eröffnet.
Als die Stuttgarter Zeitung den Mediziner auf seine Vorgeschichte in Frankreich ansprach, antwortete er „einsilbig“ und lehnte – wie gegenüber dem SÜDKURIER – eine Stellungnahme ab.
Hans Z. erklärte dann jedoch noch: Auf sein Betreiben hin würde sich aktuell die deutsche Justiz um die Vorfälle in Frankreich kümmern. Näheres dazu habe er jedoch nicht verraten.