Kinder bekommen, aus dem Job aussteigen – und viele Jahre oder gar für immer zuhause bleiben: Das Hausfrauen-Modell hat auch im Bodenseekreis längst ausgedient. Während laut Regionatlas der Statistischen Landesämter im Jahr 2000 rund 43 Prozent der Frauen einen sozialversicherungspflichtigen Job hatten, sind es heute 61,1 Prozent.
Damit liegt der Bodenseekreis deutschlandweit auf Platz 119 unter 395 ausgewerteten Städten, Kreisen und Stadtstaaten. Spitzenreiter bei der Frauenquote ist der Kreis Hildburghausen in Thüringen mit 70,1 Prozent, Schlusslicht mit 44,8 Prozent berufstätiger Frauen ist Frankenthal in der Pfalz.
Spricht die vergleichsweise hohe Frauenbeschäftigungsquote dafür, dass die Gleichberechtigung im Landkreis besonders voran geschritten ist?
Hier arbeiten mehr Frauen als Männer
Fakt ist: In vielen Betrieben und Behörden in der Region sind weibliche Angestellte mittlerweile in der Mehrzahl. Besonders in öffentlichen Verwaltungen arbeiten deutlich mehr Frauen als Männer. So sind beispielsweise bei der Stadt Friedrichshafen laut Chancengleichheitsplan 62 Prozent der Beschäftigten Frauen und nur 38 Prozent Männer.
Auch beim Landratsamt Bodenseekreis stellen Frauen mit 62 Prozent die Mehrheit. Doch nicht nur in Verwaltungen ist die Frauenbeschäftigungsquote mittlerweile sehr hoch, sondern auch in bestimmten Industriesparten. „Seit jeher verzeichnen wir in unserer Belegschaft einen hohen Anteil weiblicher Mitarbeitender. In den letzten zehn Jahren verhält sich dieser stabil und beläuft sich konstant auf rund 60 Prozent der Gesamt-Mitarbeitenden“, erklärt Markus Kirchner, Sprecher des Pharma- und Biotechunternehmens Vetter in Ravensburg.

Produzenten wie ZF sind noch Männerdomänen
Bau, Verkehr, High-Tech und verarbeitendes Gewerbe – das sind laut Arbeitsagentur immer noch echte Männerdomänen. So auch im Bodenseekreis mit seinen Großunternehmen aus diesen Bereichen, wie beispielsweise ZF in Friedrichshafen. Nach Angaben von ZF arbeiten am Standort Friedrichshafen lediglich rund 15 Prozent Frauen – und damit noch ein bisschen mehr als im deutschlandweiten Durchschnitt an ZF-Standorten (14,3 Prozent), allerdings deutlich weniger als im weltweiten Schnitt bei ZF (26,6 Prozent).
Dass das ein Manko ist, hat man beim Zulieferer längst erkannt. „Neben dem grundsätzlichen Ansatz, Diversität im Unternehmen allgemein zu fördern, haben wir einige konkrete Programme in unseren Talententwicklungsprozess aufgenommen, um begabte Frauen zu identifizieren, zu ermutigen und auf ihrem Karriereweg zu unterstützen“, erklärt ein ZF-Sprecher.
In diesen Prozess soll künftig auch die Elternzeit stärker einbezogen werden. Zudem seien 2020 rund 38 Prozent der weltweit neu eingestellten Mitarbeitern Frauen gewesen, Tendenz steigend.

Frauen arbeiten öfter Teilzeit, Männer Vollzeit
Klar ist aber auch: Der Beschäftigungsumfang von Frauen und Männern unterscheidet sich auch in unserer Region deutlich voneinander. Sind zum Beispiel bei der Stadt Friedrichshafen, wo wesentlich mehr Frauen als Männer arbeiten, nur 21 Prozent der männlichen Beschäftigten in Teilzeit tätig. 79 Prozent der Frauen hingegen arbeiten Teilzeit. Ähnlich auch beim Landratsamt: Hier arbeiteten 2020 mehr als die Hälfte der Frauen Teilzeit.
„Dass Frauen wegen der Familie in Teilzeit arbeiten, ist in Deutschland noch sehr verbreitet, da stellt der Bodenseekreis keine Besonderheit dar. Fakt ist aber, dass Frauen dadurch finanzielle Einbußen haben, die sich gravierend auf ihre Rente auswirken, solange sie nicht selbst gegensteuern“, betont die Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte Veronika Wäscherle-Göggerle.
Wichtig sei es, dass Frauen das Problem der drohenden Altersarmut nicht einfach verdrängen dürften. „Sparpläne und ein partnerschaftlicher Ausgleich für Renteneinbußen sind deshalb wichtiger Bestandteil der Alterssicherung von Frauen, die in Teilzeit arbeiten.“
Viele Frauen kehren schneller aus der Elternzeit zurück
„Die durchschnittliche Dauer beanspruchter Elternzeit liegt aktuell im Schnitt bei rund einem Jahr“, berichtet Vetter-Sprecher Kirchner. Verschiedene Schichtmodelle in der Produktion, Gleitzeit und unterschiedliche Teilzeitmodelle sowie die Unterstützung bei der Betreuungsplatzsuche und Bezuschussungen sind aus Sicht des Pharmaunternehmens wichtige Bausteine, um die schnelle Rückkehr von Mitarbeiterinnen zu fördern.
„Uns liegt viel daran, die Arbeitszeiten für sie je nach Lebenssituation flexibel gestalten zu können“, so Kirchner. Auch in den Verwaltungen kehren viele Frauen schneller zurück. Im Durchschnitt sind es nach Angaben des Landratsamts und der Stadtverwaltung Friedrichshafen rund zwei Jahre. Bei den Vätern hingegen nehmen nach wie vor nur die wenigsten eine längere Elternzeit. „Eine kurze Elternzeit, meist zwei Monate, ist bei Vätern sehr beliebt“, berichtet der ZF-Sprecher.

Und die Chefposten? Hallo, Männer!
Dass Frauen in Führungspositionen im Bodenseekreis unterrepräsentiert sind, ist offensichtlich – und zwar in allen Bereichen, Politik, öffentlicher Dienst, Privatwirtschaft. Derzeit gibt es mit Elisabeth Kugel (Meckenbeuren) und Jacqueline Alberti (Daisendorf) lediglich zwei Frauen an der Spitze einer Gemeinde.
Die Zeppelin-Universität hat in einer Studie 2020 die Frauenquote von kommunalen Unternehmen größeren baden-württembergischen Städten untersucht und deutliche Unterschiede festgestellt. Während 31 Prozent der Spitzenjobs in Freiburger Unternehmen mit Frauen besetzt waren, waren es in Heidelberg keine einzige. In Stuttgart saßen rund 12 Prozent Frauen im Top-Management.
Für den Bodenseekreis gibt es keine separaten Erfassungen. Im Gesellschaftsreport Baden-Württemberg heißt es dazu nüchtern: „Die dokumentierten Befunde legen die Hypothese nahe, dass die Unterrepräsentanz von Frauen in Führungspositionen weniger auf ihr Können und Wollen zurückzuführen ist, als auf gesellschaftliche und organisationsbezogene Strukturen.“