Martin Menner hat zum letzten Mal seine Schelle geschwungen – zum traditionellen Einläuten der kommenden Fasnet im Daisendorfer Rathaussaal. Insgesamt 56 Jahre lang, fast drei Viertel seines Lebens, war der mittlerweile 75-Jährige damit Narrenpolizist. Gut möglich, dass er sogar der am längsten amtierende Narrenpolizist der schwäbisch-alemannischen Fasnacht überhaupt ist. In Rielasingen ist jemand verbürgt, der nach 55 Jahren verabschiedet wurde.
Jedenfalls war Martin Menner länger im Dienst, als es den Daisendorfer Narrenverein Sumpfgeister überhaupt gibt. Denn der feierte am Samstag erst sein 55. Jubiläum. Wie kann das sein? „Wir waren ja auch vorher schon närrisch unterwegs“, stellt Menner klar – allerdings eben nicht in Form eines eingetragenen Vereins. Doch dann passierte auf dem Weg zum Meersburger Umzug ein Unfall. In den Serpentinen kippte ein Wagen um, es gab Verletzte. Und so entschied man sich – nicht zuletzt aus Haftungsgründen – einen Verein zu gründen. Das war im November 1968.
Über den damals noch fünf Daisendorfer Weihern und Feuchtwiesen hing der Nebel. Und so war der Name der Sumpfgeister schnell gefunden. Nur ein Jahr später gehörten diese dann zu den 14 Gründungsmitgliedern des Alemannischen Narrenrings.
Wie wurde Martin Menner damals Narrenpolizist?
Gerne erzählt Menner auch, wie er überhaupt zur Rolle als Narrenpolizist kam. Am Schmotzigen sei er damals auf dem Heimweg von der Berufsschule gewesen, als er an einem kleinen Auflauf vorbeikam. Der amtierende Narrenpolizist saß dienstunfähig am Boden, er hatte sich das Bein verletzt. „Da drückte mir jemand die Glocke in die Hand und meinte: Du musst das jetzt machen.“ Er habe sich nicht gewehrt – und natürlich auch etwas geehrt gefühlt. Und so ist es all die Jahre geblieben, denn „es hat einfach zu viel Spaß gemacht“. Und wäre er nicht gesundheitlich angeschlagen, hätte es vermutlich noch eine Weile so weitergehen können.
Die Sumpfgeister allerdings stehen nun erstmals vor dem Problem, einen Nachfolger finden zu müssen. Und das sei nicht leicht, erzählt Präsidentin Marion Kaja. Es gebe zwar potenzielle Kandidaten im Verein, doch noch habe keiner zugesagt. Denn das Amt erfordert Disziplin. Vom Narrenbaumstellen zwei Wochen vor Fasnacht bis zur Sumpfi-Verbrennung am Dienstag muss man zur Stelle sein, ebenso bei den zahlreichen Besuchen der Partnervereine von Meersburg bis Konstanz. „Und das war Martin immer“, erinnert sich Kaja. Sogar zur Corona-Zeit zog er pünktlich durchs Dorf – in dem Fall eben, um die Fasnacht abzusagen.

Ein paar Tränen zum Abschied
Als Menner am Abend dann offiziell seine Dienstglocke abgab, musste die Präsidentin denn auch ein paar Tränen verdrücken. Seine private Glocke behält Martin Menner selbstverständlich. Die habe ihm einst sein Vater geschenkt, nachdem er seine alte „kaputt geschellt“ hatte. Eine Schweizer Kuhglocke, die er als Feinmechaniker innen schön blank ausgefräst hat. „Jetzt wünsch ich euch, dass ihr einen findet, der es genauso lange macht“, rief er den Festgästen zum Abschied zu. Um hinterherzuschieben: „Das heißt nämlich auch, dass man lange lebt.“
Doch es war nicht der einzige Abschied an diesem Abend. Auch die beiden Narreneltern Paula Bauhofer und Andrea Beisch hören auf. „Ich bin jetzt 84 und seit 1992 Narrenmutter“, sagt eine durchaus fidele Paula. „Da kann man schon mal ans Aufhören denken.“ Mit Andrea ist sie seit 20 Jahren als Paar unterwegs. „Als Narreneltern muss man sich gut verstehen“, sagt diese, „und das hat bei uns perfekt gepasst.“ Nachfolger sind hier schon gefunden – deren Namen wissen bislang allerdings nur Eingeweihte. Denn offiziell ins Amt eingeführt werden die neuen Narreneltern erst beim Dreikönigshock am 6. Januar. Wie in Daisendorf üblich werden es wieder zwei Frauen sein.

Unterdessen freuen sich die Sumpfgeister auch nach 55 Jahren noch über ein lebendiges Vereinsleben. Abgesehen von einem Corona-Dämpfer sei die Mitgliederzahl sogar wieder gewachsen, sagt Präsidentin Marion Kaja, auf aktuell knapp 70. Es gebe wieder mehr Kinder und Familien. Und auch manch Zugezogener ist dabei, ein Rentnerpaar aus Köln etwa. Die Mitgliedschaft im Narrenverein sei seine erste Amtshandlung im neuen Zuhause gewesen, sagt der fröhliche Rheinländer. Wobei die kaum etwas kostet: 12 Euro im Jahr für Erwachsene, 5 Euro für Jugendliche. Auch Leihhäser der schwarzhaarigen Sumpfgeister werden an Neumitglieder gerne ausgegeben. So will sich der Verein attraktiv machen.
Und wer die Sumpfgeister, zu denen auch Weihermännle und aktuell noch ein Frosch gehören, einmal bei der Fasnacht erlebt, wird feststellen, dass einer der „Sumpfis“ weiße statt schwarze Haare trägt. Darunter versteckt sich Präsidentin Kaja.