Wenn man von Grünwangen auf den Höchsten durch das Deggenhausertal fährt, ist unschwer festzustellen, dass der Urlauberverkehr zugenommen hat: Viele Fahrzeuge mit auswärtigen Kennzeichen sind unterwegs.
Viele Gäste wollen „explizit nicht an den See“
Sylvia Westermann, Geschäftsführerin der Tourismusgemeinschaft Gehrenberg-Bodensee, sagt: „Es gibt noch keine Zahlen für das erste Halbjahr – die Zahlen im ersten Quartal waren sehr mau. Aktuell zieht der Tourismus richtig an. Es aber von der weiteren Entwicklung der Corona-Pandemie abhängen, wie weit es in den Herbst hineingeht.“ Ferienwohnungen und Campingplätze seien sehr gefragt und ihre Betreiber die „Gewinner der Saison“. Westermann berichtet: „Wir haben viele Anfragen von Gästen, die explizit nicht an den See wollen. Das kommt auch dem Deggenhausertal zugute.“
Schweizer Familie urlaubt auf dem Ponyhof
Beim Kilama-Blockhaus auf dem Höchsten urlaubt Familie Schmidli aus der Zentralschweiz. „Wir haben eine Ferienwohnung auf dem Ponyhof und sind das erste Mal im Deggenhausertal. Wir haben schon im Februar gebucht, sonst wären wir wohl wegen Corona in der Schweiz geblieben“, sagt Alexandra Schmidli.

In ihrer Ferienwohnung seien sie unabhängig, was von Vorteil sei. Es gebe zwar Einschränkungen und Spielgeräte könnten nicht genutzt werden, aber sie seien viel draußen und im Tal gebe es keine großen Menschenansammlungen. Von Nachteil sei der schlechte Mobilfunkempfang im Tal, sodass es schwieriger sei, Ausflüge zu planen.
Ferienhof Scherer in Unterhomberg ist voll ausgelastet
In Unterhomberg betreibt die Familie Scherer einen Ferienhof mit sieben Ferienwohnungen und sechs Gruppenwohnungen. „Im Moment sind wir voll ausgelastet. Wir haben viele Stammgäste und es fragen viele Familien recht kurzfristig nach“, erklärt Albert Scherer. Ihnen müsse er dann leider eine Absage erteilen. Die Besuche von Gruppen von Behinderteneinrichtungen, Werkstätten und Schulen liefen langsam wieder an; aber es kämen nur die, die sich bereits Anfang des Jahres angemeldet hätten. „So ein Jahr möchte ich nicht noch einmal erleben, mit so vielen Stornierungen und unglaublicher Büroarbeit“, betont Scherer, der im Gesamtjahr mit einem Einbruch von 25 Prozent rechnet.
Lebenshilfe mit vier Gruppen zu Besuch
Jasmin Rüb aus Schwäbisch-Gmünd ist gerade mit vier Gruppen von der Lebenshilfe auf dem Ferienhof eingetroffen. „Bis vor vier Wochen wussten wir nicht, ob wir hierher reisen dürfen, weil die Geschäftsführung wegen Corona unsicher war.“ Seit März dürften die Menschen mit Behinderung nicht mehr arbeiten und müssten rund um die Uhr betreut werden. Sie würden gern arbeiten und nun fehle die Struktur im Tagesablauf. Jetzt plane die Gruppe schon eifrig, was man alles in Deggenhausertal und der Umgebung unternehmen will.
Ferienhof Hermannshöhe: Alle Ferienwohnungen sind belegt
Auf dem Ferienhof Hermannshöhe sind alle acht Ferienwohnungen belegt. „Wir haben jetzt relativ viele Gäste, die das erste Mal hier sind. Im Herbst bis in die erste Oktoberwoche kommen dann überwiegend Stammgäste“, erklärt Betreiberin Martina Praster. Es habe Fälle gegeben, dass Buchungen storniert werden mussten, weil jemand arbeitslos geworden sei und sich den Urlaub nicht mehr habe leisten können.

Martina Praster erzählt, dass die Gäste viele Ausflüge machen, zum Affenberg, zum Baden, zum Schaukelweg oder nach Lindau. Sehr bedauert wird, dass das Hallenbad in Wittenhofen wegen Reparaturarbeiten seit Mitte Juli geschlossen ist. Die Gäste seien der Meinung, dass es am Bodensee zu voll sei und auf die Abstandsregelung nicht geachtet werde. Lob gebe es für den Schlosssee in Salem – dort sei alles bestens organisiert.
Familie Kröpfel erkundet den Franziskusweg
Da geht es im Deggenhausertal weit entspannter zu, wie Familie Kröpfel aus Innsbruck in Österreich sagt. Sie ist innerhalb der Familie in Deggenhausertal untergebracht und wandert auf dem Franziskusweg: „Wir fühlen uns hier sehr wohl und sicher, die Parkplätze sind recht leer und man kann in Ruhe wandern.“

„Viele Gäste entdecken die Schönheit unserer Landschaft ohne dichtes Gedränge wie am See“
Hans-Peter Kleemann, Wirt vom Berggasthof Höchsten, spricht über die Zeit nach dem Lockdown und was ihm bis Jahresende Hoffnung macht.
Wie haben sich die Übernachtungszahlen seit den Lockerungen im Berggasthof entwickelt?
Durch intensives Marketing und Mailings konnten wir die Übernachtungszahlen im Juni schon auf über 75 Prozent des Vorjahres hochschrauben. Es kamen sehr viele Stammgäste, die keine Hemmschwelle hatten, weil sie wissen, was sie hier erwartet. Seit Anfang Juli hat sich dies noch weiter positiv entwickelt und so sind wir jetzt ausgebucht. Erfreulich ist auch, dass sich die Aufenthaltsdauer enorm verlängert hat und viele Gäste bei uns ihren Jahresurlaub mit zwei bis drei Wochen verbringen.
Wie sieht die Buchungssituation bis Jahresende aus?
Wir haben nach den Ferien bis Jahresende wieder sehr viele Tagungen, die trotz Corona gebucht wurden und hoffentlich nicht wieder storniert werden. Es gibt natürlich noch genügend Lücken, die hoffentlich ausgefüllt werden.
Gibt es Besonderheiten in Corona-Zeiten?
Die Gäste buchen aus Unsicherheit kurzfristiger und je nach Wetteraussichten spontaner.
Wie ist die Auslastung der Gastronomie?
Dadurch, dass wir durch die Abstandsregelung rund ein Drittel weniger Tische haben, ist es gefühlt voller. Wir sind zwar im Juli und so, wie es sich entwickelt, auch im August auf dem Umsatzniveau vom Vorjahr, der Aufwand ist jedoch prozentual höher, sodass betriebswirtschaftlich der Verlust von März bis Mai bei weitem nicht kompensiert werden kann.
Welchen Eindruck haben Sie: Sind durch die Überfüllung am See und durch Corona, weil viele in Deutschland bleiben, mehr Touristen im Tal als in den Vorjahren?
Viele Gäste entdecken die Schönheit unserer Landschaft ohne dichtes Gedränge wie am See. Dadurch, dass wir hier dem Gast mehr Freiraum bieten können, fühlt er sich viel entspannter und ich hoffe, dass es auch für die Zukunft eine positive Langzeitwirkung hat.