Zu teuer, zu wenig: Wohnraum ist in Friedrichshafen nach wie vor ein knappes Gut. Eigentlich wollte die Stadt mit ihrer großen Wohnungsbau-Offensive, die 2017 startete, rund 400 Wohnungen pro Jahr schaffen. 920 sind es geworden – in den vergangenen fünf Jahren. Jedes Bauprojekt offenbart einen großen Zielkonflikt zwischen Klimaschutz, bezahlbarem Wohnraum und der Lebens- und Wohnqualität von Altbestand – und darüber wird in Friedrichshafen oft ausgiebig gestritten. So wie beim Projekt Müllerstraße 12 bis 14, dem alten Telekom-Areal in Jettenhausen.

Die Gewerbetafel, einst das Empfgangsschild des Telekom-Areals, ist nahezu leer. Auf dem Grundstück befinden sich drei Gebäude (A, B, ...
Die Gewerbetafel, einst das Empfgangsschild des Telekom-Areals, ist nahezu leer. Auf dem Grundstück befinden sich drei Gebäude (A, B, C). Das Gebäude C soll abgerissen werden. Die Gebäude A und B sind langfristig vermietet und bleiben deshalb erhalten. | Bild: Wienrich, Sabine

Die Telekom ist weg. Und jetzt?

Wie in vielen Städten, beispielsweise in Konstanz oder Stockach, hinterlässt die Telekom große innerstädtische Flächen mit Bestandsgebäuden. In Friedrichshafen geht es um ein knapp ein Hektar großes Areal in der Müllerstraße 12 bis 14 im zentrumsnahen Stadtteil Jettenhausen.

Das alte Telekom-Areal in Jettenhausen besteht aus drei Gebäuden.
Das alte Telekom-Areal in Jettenhausen besteht aus drei Gebäuden. | Bild: Müller, Cornelia

Die Pläne für das Areal

2018 kauft Betz und Weber mit Sitz in Ravensburg das Gelände, für das zunächst ein vorhabenbezogener Bebauungsplan geschaffen werden muss. Die Idee: Aus dem bisherigen Gewerbegrundstück soll ein „urbanes Mischgebiet“ – mit 129 Wohnungen, einer Kita und einem Café werden. Da bei zwei der insgesamt drei Gebäude noch Nutzungsverträge mit langer Dauer bestehen, sollten Haus A und B stehen bleiben und aufgestockt werden. Haus C sollte abgerissen werden. 2019 gab es einen Architektenwettbewerb, den das Studio Hering gewann. Doch, das, was der Bauträger 2020 dann dem Ausschuss Planen, Bauen, Umwelt (PBU) vorstellte, wich vom Siegerentwurf ab.

Die geplanten Gebäude auf dem Ex-Telekom-Areal von Osten aus gesehen.
Die geplanten Gebäude auf dem Ex-Telekom-Areal von Osten aus gesehen. | Bild: Jochen Hartschen/Betz und Baupartner

Der Ärger um das Areal

Die veränderte Planung – ein Hochhaus und L-förmige Wohnblöcke, die wie Riegel wirkten – verärgerte viele Ausschussmitglieder. „Was da abgeliefert wurde, ließ uns sprachlos zurück“, erinnert sich Heinz Tautkus (SPD), seit vielen Jahren im Bauausschuss Mitglied. Der Bauträger sollte nachbessern, insbesondere bei der Massivität der Gebäude und der Menge der Wohnungen, denn ein „Manhatten in Friedrichshafen“- das wollten die Ratsmitglieder nicht. Heute, zwei Jahre später, ist Betz und Baupartner mit Sitz in Asperg zuständig. Am Dienstag, 6. Dezember, werden die verbesserten Pläne dem PBU erneut präsentiert. Am 12. Dezember wird dann der Gemeinderat über den Einleitungsbeschluss abstimmen.

Konfliktpunkt Altbestand: Hier im Osten des Gebiets grenzen Reihenhäuser direkt an Gebäude C, das als einziges der drei Gebäude ...
Konfliktpunkt Altbestand: Hier im Osten des Gebiets grenzen Reihenhäuser direkt an Gebäude C, das als einziges der drei Gebäude abgerissen werden soll. Zwar sind die Höhen der Gebäude zum Osten hin abgestaffelt, Sonne dürfte der Riegel, der an dieser Stelle geplant ist, den Reihenhäusern trotzdem nehmen. | Bild: Wienrich, Sabine

Die reduzierten, neuen Pläne

Waren einst 129 Wohnungen geplant, sind es jetzt nur noch 89. 25 Prozent sind mit einer Sozialquote belegt, das heißt, es geht an dieser Stelle auch um 22 Sozialwohnungen. Ursprünglich sollten es 32 sein. Die Menge der Parkplätze in der geplanten Tiefgarage wurde dementsprechend von 170 auf 119 reduziert. Vorgesehen ist weiterhin ein achtstöckiges, hochhausartiges Gebäude im Nordwesten des Gebiets. Nach Osten hin sind die Gebäude abgestaffelt. „Trotzdem wird dieser Baukörper den Reihenhäusern Sonne nehmen“, stellt Tautkus fest. Der Ärger mit Anwohnern – er ist also auch mit den neuen Plänen vorprogrammiert. Ein weiterer Konfliktpunkt, nämlich das enge Nebeneinander von Gewerbe und Wohnen, hingegen scheint durch Lärmschutzmaßnahmen gelöst. „Insgesamt sind die Pläne deutlich besser“, so Tautkus.

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Das Schwammstadtprinzip

Und dann wäre da noch das Megathema Stadtklima, das auch bei Nachverdichtungs-Projekten wie in der Müllerstraße eine wichtige Rolle spielt. Das Stadtplanungskonzept der Schwammstadt bedeutet: Es soll so wenig Fläche wie nur möglich versiegelt werden. Damit der natürliche Wasserkreislauf erhalten braucht, werden genügend Grünflächen benötigt, wo das Wasser dann versickern kann. Wie bei einem Schwamm eben. In der Müllerstraße ist beispielsweise ein Quartiersplatz vorgesehen.

Nur wenige Häuser weiter vorne baut die Postbau-Genossenschaft 91 Häuser in der Müllerstraße, die fünfgeschossig sind.
Nur wenige Häuser weiter vorne baut die Postbau-Genossenschaft 91 Häuser in der Müllerstraße, die fünfgeschossig sind. | Bild: Wienrich, Sabine

Wie viel kosten die geplanten Wohnungen?

Am 7. Juli wurden dem Bauträger vom PBU weitere Änderungswünsche mitgeteilt, zum Beispiel der Entfall des Obergeschosses des Neubaus im Osten des Areals. Die Antwort ist bereits heute in der Präsentation nachlesbar: „Aufgrund geänderter Rahmenbedingungen führt das zur Unwirtschaftlichkeit und zum Scheitern des Projekts“, führt der Bauträger aus.

Klar ist: den vielen Menschen, die dringend Wohnraum in Friedrichshafen suchen, hilft eine weitere Verkleinerung des Projekts nichts. Wie viel die Wohnungen kosten werden? „Wir stehen noch am Beginn unseren Planungen und können noch keine konkreten Aussagen machen“, erklärt Jochen Hartschen, Leiter der Projektentwicklung bei Betz. Es werde aber vermutlich eine Mischung aus Miet- und Eigentumswohnungen geben. Gut möglich, dass die Städtische Wohnungsbaugesellschaft (SWG) noch als Partner für die Vermietung der geplanten mietpreisgebundenen Wohnungen einsteigt. „Üblicherweise kümmern wir uns selbst um die Vermietung, auch die der geförderten Mietwohnungen“, so Hartschen, aber es habe bereits erste Gespräche über eine Zusammenarbeit mit der SWG gegeben. Das mache aber nur Sinn, wenn man wüsste, ob, wann und wie Baurecht geschaffen wird.

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