Nicole Burkhart

Welches Kind in Kluftern kennt ihn nicht, den Ausruf: „Göhrelöchner – hopp, hopp“, gefolgt von einem Bonbonregen. So vertraut und doch so unbekannt. Denn die Geschichte hinter den Göhrelöchnern und der Narrenzunft Kluftern, die kennen nicht alle.

„Heute wie damals ist es das familiäre Miteinander, das unsre Narrenzunft ausmacht.“ Andreas Lamm, Zunftmeister
„Heute wie damals ist es das familiäre Miteinander, das unsre Narrenzunft ausmacht.“ Andreas Lamm, Zunftmeister | Bild: Narrenzunft

Die Dorffasnet in Kluftern hat eine lange Tradition. „Bereits 1846 wurde die Klufterner Dorffasnet in der Zeitung erwähnt, weil damals der Bauer Jakob Huber tot auf der Tanzfläche umfiel“, weiß Zunftmeister Andreas Lamm.

1974: Das ganze Dorf war auf den Beinen und es gab jede Menge Wägen, die verschiedene Themen aufgriffen.
1974: Das ganze Dorf war auf den Beinen und es gab jede Menge Wägen, die verschiedene Themen aufgriffen. | Bild: Arbeitskreis Heimatgeschichte Kluftern

Früher war das ganze Dorf unterwegs, es gab drei Umzüge aus Efrizweiler, Lipbach und Kluftern. Man traf sich dann „am zentralen Platz“ vor der Metzgerei Schober, wo der Narrenbaum gestellt wurde.

1975: Mit Fertigstellung der Brunnisachhalle erhielt auch der Narrenbaum seinen neuen Platz.
1975: Mit Fertigstellung der Brunnisachhalle erhielt auch der Narrenbaum seinen neuen Platz. | Bild: Narrenzunft Kluftern

Mit dem Bau der Brunnisachhalle Mitte der 70er Jahre wurde das Narrenbaumstellen dann verlagert und fand vor der Halle statt. Heute geschieht dies unter fachmännischer Anleitung von Zimmermann Dietmar Wurst am Platz vor dem Bürgerhaus.

1976: Ohne Traktor geht es nicht! Allen vorneweg fährt der Traktor mit dem Narrenbaum.
1976: Ohne Traktor geht es nicht! Allen vorneweg fährt der Traktor mit dem Narrenbaum. | Bild: Narrenzunft Kluftern

„Es gab ein sogenanntes Fasnetskomitee, das aus den Vorständen der Klufterner Vereine bestand und die Fasnet organisierte“, berichtet Andreas Lamm.

1976: Fast geschafft! Damals wie heute wird der Narrenbaum mithilfe der hölzernen „Schwalben“ aufgestellt.
1976: Fast geschafft! Damals wie heute wird der Narrenbaum mithilfe der hölzernen „Schwalben“ aufgestellt. | Bild: Narrenzunft Kluftern

Doch irgendwann kam die Idee auf, einen eigenen Verein zu gründen, dessen Hauptaufgabe die Organisation und Planung der Fasnet war. Auf Initiative des damaligen Bürgermeisters Kurt Brotzer wurde am 3. Februar 1971 im Gasthaus Zum scharfen Eck der Verein zur Pflege und Erhaltung des Brauchtums Narrenzunft Kluftern gegründet.

2019 wird der Narrenbaum unter Leitung der Zimmerei Wurst fachmännisch vor dem Bürgerhaus aufgestellt.
2019 wird der Narrenbaum unter Leitung der Zimmerei Wurst fachmännisch vor dem Bürgerhaus aufgestellt. | Bild: Toni Ganter

Der Verein zählte gleich zu Beginn 136 Beitrittserklärungen. „Wahrscheinlich haben die Väter gleich ihre ganzen Familien angemeldet“, sagt der heutige Zunftmeister lachend. Aktuell zählt der Verein 165 aktive und 100 passive Mitglieder im Alter von einem Jahr bis Mitte 70. 1973 folgte die Aufnahme in den Alemannischen Narrenring.

Der damalige Bürgermeister Kurt Brotzer (vorn) war der Initiator zur Gründung der Narrenzunft in Kluftern und Mitglied im Zunftrat.
Der damalige Bürgermeister Kurt Brotzer (vorn) war der Initiator zur Gründung der Narrenzunft in Kluftern und Mitglied im Zunftrat. | Bild: Arbeitskreis Heimatgeschichte Kluftern e.V.

„Einen Rathaussturm mit Absetzung des Ortsvorstehers, wie wir es heute kennen, gab es in den 70er Jahren noch nicht“, erinnert sich Hermann Fiesel, ehemaliger Vizezunftmeister. „Stattdessen wurde auf dem Schulhof ein Podium errichtet und hier gefeiert“, ergänzt er.

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Bei der Gestaltung der Narrenwägen zeigten die Klufterner viel Kreativität und griffen aktuelle Themen auf, etwa die Eingemeindung nach Friedrichshafen oder den Bau des Bildungszentrums.

Von einem Göhrelöchner (links) und einem Widerwurz in Ketten gelegt, wird der entmachtete Klufterner Ortsvorsteher Michael Nachbaur aus ...
Von einem Göhrelöchner (links) und einem Widerwurz in Ketten gelegt, wird der entmachtete Klufterner Ortsvorsteher Michael Nachbaur aus dem Rathaus der Ortsverwaltung geführt. Seinen Hut muss er am Schmotzigen immer verpflichtend aufsetzen. Als erster Ortsvorsteher hat er zudem eine Weste bekommen, die alle Maskengruppen vereint. | Bild: Toni Ganter

Seit 2019 gehört die Narrenzunft Kluftern mit ihrer schwäbisch-alemannischen Fasnet zum Immateriellen Kulturerbe der Unesco. Andreas Lamm freut sich darüber, denn die Auflagen beinhalten einige Punkte wie die Brauchtumspflege, eine aktive Dorffasnet oder eine Geschichte hinter dem Häs.

Auch ein Narrenwagen der Göhrelöchner durfte beim Umzug 1971 nicht fehlen.
Auch ein Narrenwagen der Göhrelöchner durfte beim Umzug 1971 nicht fehlen. | Bild: Arbeitskreis Heimatgeschichte Kluftern

Die erste Maskengruppe der Narrenzunft Kluftern war der Göhrelöchner, der in seiner Urform schon Mitte der 60er Jahre als Einzelmaske existierte. In den ersten Jahren wurde er noch etwas belächelt, da er „nur“ eine rot-weiße Absperrkette bei sich trug. So half man nach und seither trägt der Göhrelöchner schwarze Ketten.

1974 führte Fritz Vogt als Narrenbüttel die Klufterner Fasnet an.
1974 führte Fritz Vogt als Narrenbüttel die Klufterner Fasnet an. | Bild: Narrenzunft Kluftern

1975 kam die zweite Maske, der Widerwurz, hinzu. Diese Figur wurde allerdings frei erfunden. Bis heute entstanden noch der Schlossbur (1997) und die Kluftinger Rebleute (2011). „Wir sind stolz auf unsere Klufterner Dorffasnet mit Umzug, Hock im Bürgerhaus, Narrenbaumstellen, Kinderball und vielem mehr“, sagt der 2014 gewählte Zunftmeister.

2019: Udo Beller führt als Narrenbüttel den Umzug an und lenkt die Narren und Zuschauer zum Rathaus, um den Ortsvorsteher zu entmachten.
2019: Udo Beller führt als Narrenbüttel den Umzug an und lenkt die Narren und Zuschauer zum Rathaus, um den Ortsvorsteher zu entmachten. | Bild: Toni Ganter

Auch heute noch macht für ihn das familiäre Umfeld der Gruppe das Besondere an der Narrenzunft aus. Jeder kennt jeden und es wird zusammengehalten.

1978: Angeführt vom Fanfarenzug Kluftern zieht der Umzug von Efrizweiler Richtung Kluftern.
1978: Angeführt vom Fanfarenzug Kluftern zieht der Umzug von Efrizweiler Richtung Kluftern. | Bild: Narrenzunft Kluftern

Der größte Unterschied zu früher sind sicher die Sicherheitsauflagen, die man heute als Verein einhalten muss. So zum Beispiel für den großen Jubiläumsumzug am 24. Januar 2021 zum 50-jährigen Bestehen.

2019: Wie schon seit Jahren fährt eine Polizei-Eskorte dem Klufterner Umzug zum Narrenbaumstellen voraus. Im Hintergrund die Hochhäuser, ...
2019: Wie schon seit Jahren fährt eine Polizei-Eskorte dem Klufterner Umzug zum Narrenbaumstellen voraus. Im Hintergrund die Hochhäuser, wo sie schon 1971 standen. | Bild: Toni Ganter

„Der letzte große Umzug war 2011 zum 40-Jährigen. Eigentlich wollten wir das 44-jährige Bestehen feiern, aber 2015 stand keine Halle zur Verfügung“, verrät Andreas Lamm. Spätestens in eineinhalb Jahren geht es dann rund. Darauf ein „Göhrelöchner – hopp, hopp!“

Umzug 2019: Verschiedene Themenwagen gehören weiterhin zum Umzug in Kluftern.
Umzug 2019: Verschiedene Themenwagen gehören weiterhin zum Umzug in Kluftern. | Bild: Toni Ganter