Dichter Nebel umhüllt das Verwaltungsgericht in Sigmaringen noch, als zahlreiche Anwälte, Zuschauer und Pressevertreter vor der Einlasskontrolle zum Sitzungssaal 1 warten. Die frostige Atmosphäre, die draußen herrscht, setzt sich auch im Saal fort. Dann erscheint Albrecht Graf von Brandenstein-Zeppelin mit seinem Sohn Frederic: Blitzlichtgewitter und Gedrängel, schließlich lädt der Mann, der die heutige Zeppelin-Stiftung in Frage stellt, die Vertreter der Presse in einen Nebenraum, um ein Statement abzugeben. „Ich bin der Meinung, dass die Stifterfamilie ein Klagerecht haben muss“, sagt Brandenstein-Zeppelin, die Aufregung ist ihm dabei anzusehen.
Im Sitzungssaal 1 haben sich unterdessen die Anwälte des Grafen, der beigeladenen Stadt Friedrichshafen und Vertreter des Regierungspräsidiums Tübingen eingefunden, gerade so eben ist für sie alle genügend Platz. Auch die Zuschauerreihen sind gut gefüllt. Lange haben alle Beteiligten auf diesen Tag hingefiebert. Denn es geht um nichts weniger als die Zukunft der Zeppelin-Stiftung, die 1947 an die Stadt Friedrichshafen überführt wurde, nachdem sie aufgelöst worden war.
Graf Brandenstein-Zeppelin und sein Sohn wollen die Zeppelin-Stiftung in ihren Zustand vor 1947 zurück versetzen lassen. Es geht dabei auch um die Frage, wem die millionenschwere Stiftung zusteht, wer im einflussreichen Aufsichtsrat sitzen darf, wer das Vermächtnis des Grafen Zeppelin – den Stifterwillen – richtig deutet. Doch zunächst geht es bei diesem Gerichtstermin darum, ob der Brandenstein-Zeppelin und sein Sohn Frederic überhaupt klagebefugt sind.

Am Ende dieses aufsehenerregenden Tages wird das Gericht verkünden, dass die Beratungen lange dauern werden. Mit einem Urteil ist erst in einigen Wochen zu rechnen, Richter Atmin Horn will am Donnerstag mitteilen, in welche Richtung die Entscheidung gehen könnte. „Die Rechtsmaterie ist hockomplex und sehr widerspruchsreich“, erklärt der Richter. An die 2000 Seiten Akten der Rechtsanwälte aller Parteien hätten sich in den vergangenen Jahren angesammelt, daher müsse eine Entscheidung mit viel Zeit und Ruhe getroffen werden.

Zuvor aber liefern sich die insgesamt acht Anwälte im Sitzungssaal ein Scharmützel, das es in sich hat. Die Spitzenjuristen sind im echten Streitmodus, auch wenn es manches Mal den Anschein hat, eine Debatte in einem Hauptseminar an der juristischen Fakultät zu verfolgen. Die Stimmung schwankt von gereizt zu gelöst, von emotional zu vorwurfsvoll. Der Satz „Jetzt lassen Sie mich bitte mal ausreden“ fällt immer wieder. Auch Graf Brandenstein-Zeppelin meldet sich mehrfach zu Wort. Bei ihm ist die Rede von „Sauereien, Winkelzügen, heimlichen Machenschaften“. Als er davon spricht, dass die Stadt und das Land versuchten, „ die Stifterfamilie mundtot“ zu machen, weisen ihn seine Anwälte sanft zurecht.
Für ihn steht an diesem Tag viel auf dem Spiel. Denn er will erreichen, dass die Stiftung nicht mehr in städtischer Hand bleibt. „Es geht doch darum, dass die Stadt das Vermögen der Stiftung nicht für gemeinnützige Zwecke wie dem Bau von Schwimmbädern verwendet. Die Stadt Friedrichshafen verfremdet den eigentlich Stiftungszweck, denn das Vermögen ist ausschließlich für mildtätige Zwecke einzusetzen“, argumentiert er. Brandenstein-Zeppelin will das Stiftungsvermögen für die Luft- und Raumfahrtforschung verwenden und dazu für mildtätige Zwecke ausgeben. Weltweit, nicht nur in Friedrichshafen.
Seine Klage vor dem Verwaltungsgericht richtet sich gegen das Land Baden-Württemberg, das vom Regierungspräsidium Tübingen vertreten wird. Die Stadt Friedrichshafen ist als Trägerin der Zeppelin-Stiftung zu dem Verfahren beigeladen worden. Und die acht Anwälte lassen keine Gelegenheit ungenutzt, die Gegenseite vorzuführen. Die drei Anwälte des Grafen legen gekonnt dar, warum sie glauben, dass ihr Mandant klagebefugt sein muss und warum es eine so genannte „Rechtsschutzlücke“ in diesem Fall gibt, die geschlossen werden muss. Auch der Stifterwille werde von der Stadt Friedrichshafen nicht mehr geachtet. Die Vertreter der Gegenseite argumentieren dagegen. „Die Stadt ist der Auffassung, dass vor 70 Jahren alles rechtens war“, so Anwalt Christoph Schönberger. Brandenstein-Zeppelin habe „keinerlei Rechtsposition im Hinblick auf die Zeppelin-Stiftung“. Richter Armin Horn scheint mit Vergnügen den Ausführungen beider Seiten zu folgen. Nach fünf Stunden Verhandlung beendet er das Schauspiel. „Wir werden uns nun in Ruhe beraten“, sagt der Richter.

Alle Beteiligten verlassen zufrieden den Gerichtssaal. „Wir gehen so zuversichtlich, wie wir gekommen sind“, sagt Christoph Schönberger. Stephan Schauhoff, Anwalt des Grafen, ist ebenfalls guter Dinge. „Ich habe ein gutes Gefühl“, sagt er lächelnd. Egal, wer am Ende Recht bekommen wird: Dieses Verfahren ist noch lange nicht ausgestanden. Denn dass der Verlierer in Berufung gehen wird, steht schon heute fest.