Die Stadträte, die am Freitag zur ersten Gemeinderatssitzung seit dem Corona-Lockdown in die Messe kamen, mussten zuerst an der Minidemo vorbei. Sie Fridays-For-Future-Aktivistinnen erinnerten sie mit einem Transparent daran, dass sie bei ihren Beratungen zur Finanzlage nicht das Thema Klima vergessen sollten. Kaum ein Gemeinderat aber fand Zeit, mit den jungen Demonstrantinnen zu sprechen, denn zwischen nicht-öffentlicher und öffentlicher Sitzung gab es nur ein paar Minuten Pause.

Madlen Beck, Juli Schiemel, Blanda Stangl und Taila Keßler forderten vor dem Beginn der Gemeinderatssitzung mehr Geld für den ...
Madlen Beck, Juli Schiemel, Blanda Stangl und Taila Keßler forderten vor dem Beginn der Gemeinderatssitzung mehr Geld für den Klimaschutz. Die Aktivistinnen der Fridays-For-Futre-Bewegung fordern 100 Euro pro Bürger. Bilder: Kerstin Mommsen | Bild: Mommsen, Kerstin

Stadt brechen die Einnahmen weg

Oberbürgermeister Andreas Brand eröffnete die Sitzung und gab dann einen Zwischenbericht zur derzeitigen Finanzlage der Stadt. Wegen der Corona-Pandemie brechen die Einnahmen weg – in welcher Höhe genau, kann derzeit noch niemand abschätzen. Der OB stellte dem Gemeinderat verschiedene Szenarien vor, die die Kämmerei zur Lage entwickelt habe. Und die sind grob gesagt in schlecht, sehr schlecht und sehr, sehr schlecht zu unterteilen. „Wir gehen davon aus, dass nach derzeitigen Erkenntnissen das mittlere Szenario realistisch ist“, erklärte OB Andreas Brand.

Der Gemeinderat tagte am Mittwoch unter Leitung von Oberbürgermeister Andreas Brand (2. von rechts, vorne) in der Messehalle A2.
Der Gemeinderat tagte am Mittwoch unter Leitung von Oberbürgermeister Andreas Brand (2. von rechts, vorne) in der Messehalle A2. | Bild: Mommsen, Kerstin

Liquidität ist dagegen gesichert

Kommt es so, dann würden die Einnahmen in 2020 um 17 Prozent sinken: Statt geplanter 218 Millionen Euro stünden nur noch 181 Millionen Euro zur Verfügung. Allein die Gewerbesteuer könnte bis zur Hälfte einbrechen und nur noch 20 Millionen Euro einbringen. Aber auch die Einkommenssteuer sowie Gebühren und Entgelte werden wegen der Auswirkungen des Corona-Shutdowns kräftig niedriger ausfallen, als gewohnt. „Erfreulich ist aber, dass die Liquidität der Stadt stabil ist, damit brauchen wir auch nicht zusätzliche Kredite aufnehmen“, so OB Andreas Brand. Es soll wie ursprünglich geplant dabei bleiben, 20 Millionen Euro an Krediten aufzunehmen, der restliche Finanzbedarf soll aus den Rücklagen bestritten werden.

Sorgenkinder Messe und Flughafen

OB Andreas Brand machte deutlich, dass beide Einrichtungen besonders stark von der Corona-Krise betroffen sind und dass alleine für Messe und Flughafen „rund 12 Millionen Euro an Liquiditätsunterstützung“ nötig sein werden. „Allein durch den Wegfall der Messen wird die Messe Friedrichshafen einen Verlust von etwa 15 Millionen Euro in diesem Jahr machen“, erläuterte das Stadtoberhaupt.

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Und natürlich sei auch die Lage am Flughafen schwierig, da seit Ende März dort fast fast keine Flugbewegungen mehr stattfinden. „Wir werden gemeinsam mit den Gesellschaftern überlegen müssen, welche Konsequenzen wir für den Airport ziehen werden. Das werden sicher spannende politische Diskussionen“, sagte Andreas Brand. Aber auch andere Beteiligungsgesellschaften der Stadt stehen finanziell vor großen Herausforderungen, etwa der Stadtverkehr Friedrichshafen oder das Klinikum.

Der Flughafen Friedrichshafen ist in Zeiten der Corona-Krise fast menschenleer. Trotzdem hat er geöffnet.
Der Flughafen Friedrichshafen ist in Zeiten der Corona-Krise fast menschenleer. Trotzdem hat er geöffnet. | Bild: Wieland, Fabiane

Einsparungen von 15 Millionen Euro

Fest steht schon jetzt, dass in diesem und in den nächsten Jahren die Kasse deutlich knapper wird. Zwar gebe es bisher noch keine Haushaltssperre, trotzdem gelte ein „Einstellungsstopp außer in Einrichtungen wie Kitas oder Pflegeheimen sowie eine klare Budgetierung“, erläuterte OB Brand. „Wir werden uns nun auf unsere Pflichtaufgaben konzentrieren müssen“, erklärte er den Stadträten. Zwar könnten noch alte, bereits beschlossene Projekte umgesetzt werden. „Neues aber können wir nur umsetzen, wenn es wirklich nötig ist – die Pflicht geht klar vor der Kür“, erklärte das Stadtoberhaupt.

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Auch das Klimabudget ist wohl betroffen. Dabei hatte die Stadtverwaltung vor der Corona-Krise ehrgeizige Ziele verfolgt: Die Stadtverwaltung sollte bis 2040 klimaneutral werden, bis 2030 bereits die Hälfte der CO2-Emissionen eingespart werden. Das hatte OB Brand in seiner Haushaltsrede zur Einbringung des neuen Doppelhaushaltes 2020/21 im Herbst klargemacht und angekündigt, 100 Euro pro Einwohner und pro Jahr investieren zu wollen, um im Bereich Klimaschutz weiterzukommen. Bis 2024 sollten rund 28 Millionen Euro in Klimaschutzprojekte fließen, pro Jahr etwa 6,2 Millionen Euro. Ob dafür das Geld noch reichen wird, ist derzeit unklar.

Verzicht auf Gebührenerhöhungen

Ebenso hatte der OB im Herbst angeregt, 2020 in einigen Bereichen die Gebühren und Abgaben zu überprüfen und zu erhöhen, weil in vielen Fällen die Einnahmen die Kosten der Stadt gar nicht deckten, etwa bei den Friedhofsgebühren. Dies aber soll nun, geht es nach dem Willen des OB, in diesem Jahr abgeblasen werden. „Wir halten angesichts der Folgen, die die Corona-Krise für die Bürger auch finanziell hat, Gebührenerhöhungen nicht für angemessen. Das Geld soll bei den Bürgern und bei der Wirtschaft bleiben“, sagte Andreas Brand.

Moratorium für Großprojekte

Offenbar hat sich der Oberbürgermeister aber auch schon Gedanken darüber gemacht, wo künftig gespart werden könne. „Wir sollten bei manchen Projekten überlegen, ob ein Aufschub sinnvoll ist“, schlug er vor, „als Denkpause sozusagen“. So könnte das gesamte Projekt der Erweiterung des Zeppelin-Museums und eines Museums-Quartiers am Hinteren Hafen zeitlich geschoben werden, genau wie andere große Vorhaben.

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Vereinsförderung könnte fallen

Ein weiteres heißes Eisen fasste der OB an, als er vorschlug, sich einmal die Zuschuss-Praxis für Mittel aus der Zeppelin-Stiftung genauer anzusehen: „Es wäre denkbar, statt der pauschalen Vereinsförderung Zuschüsse aus einem Budget zu verteilen, dem ein Bewerbungsverfahren vorausgeht.“ Schließlich habe die Stadt hier die Lenkungshoheit. Die Ausgaben der Zeppelin-Stiftung steigen Jahr für Jahr. Die größten Anteile haben, so rechnete es Brand vor, das Klinikum mit zehn Millionen Euro, die Kitas mit 21 Millionen Euro, die Zeppelin-Universität mit 6,3 Millionen Euro, das Zeppelin-Museum mit zwei Millionen Euro und die Sportförderung mit 1,4 Millionen Euro.

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