Im Schnitt 20 000 Autos und jede Menge Busse fahren heute werktags über die Friedrichstraße mitten durch die Innenstadt. Fußgänger und Radler müssen sich den vergleichsweise schmalen Bodenseeradweg teil. Auf der anderen Straßenseite entlang der Häuser und Geschäfte ist der Gehsteig alles andere als ein Boulevard. Das soll sich ändern, wenn Ende August die B 31-neu komplett in Betrieb geht. Dann kann die „Noch“-Bundesstraße am See entlang endlich zur Landesstraße umgewidmet werden. Dann soll die Friedrichstraße wieder mehr sein als eine überlastete Verkehrsachse ohne Aufenthaltsqualität.

Die Ziele für eine Aufwertung der – zu Kaisers Zeiten – ehemaligen „Prachtstraße“ sind klar: Weniger Verkehr, mehr Platz für Fußgänger und Radfahrer und vor allem getrennte Wege für Autos und Radler, so der Wunsch der Bürger – und das Ganze attraktiv gestaltet. Doch über das konkrete „Wie“ lässt sich trefflich streiten. Kein Wunder also, dass der Bauausschuss am Dienstag zweieinhalb Stunden über die vielen Varianten diskutierte, die Planer und Verwaltung vorgeschlagen haben.
Ein Beschluss, den das Rathaus nicht auf dem Plan hatte
Am Ende stand tatsächlich ein Empfehlungsbeschluss, der aber nicht in den Rathaus-Unterlagen stand. „Das wird Millionen kosten und Jahre dauern“, erklärte Miriam Hornung von der CDU-Fraktion den Vorschlag für ein Provisorium, das sich einfach umsetzen lässt und schnell für eine zumindest gewisse Verbesserung sorgt. Die Idee: Der Straßenraum soll ohne große Bauaktion neu verteilt werden, sobald die dritte Fahrspur wegfallen kann. Der Geh- und Radweg wird dann getrennt, die Radspur aber nur in eine Richtung ausgewiesen. Der gegenläufige Radweg wird auf der anderen Seite der Baumallee auf der Fahrbahn eingerichtet und von einem Streifen zum zweispurigen Autoverkehr abgetrennt. So bleibt praktisch noch eine halbe Fahrspur übrig, mit der sich provisorisch der Gehweg entlang der Häuserzeile verbreitern und mit Blumenkübeln und ähnlichem aufhübschen lässt.
Dieser spontane Vorschlag gefiel sogar den Vertretern des Netzwerks so gut, dass sie ihren schon vor anderthalb Jahren eingebrachten Fraktionsantrag zurückzogen. „Das ist wie ein verspätetes Ostergeschenk“, brachte Philipp Fuhrmann seine Anerkennung zum Ausdruck. Der eigene Vorschlag sah vor, auf einer Fahrspur und abgetrennt vom Kfz-Verkehr den Radweg auszuweisen. Dafür sei zu wenig Platz im Begegnungsverkehr für die Radler, argumentiert die Stadtverwaltung.

So einig sich die Mitglieder des Bauausschusses auch waren, den Straßenraum bereits in diesem Jahr provisorisch zu verändern, so uneinig sind sich die Fraktionen noch bei der künftigen Dauerlösung. Jede der drei Grundvarianten hat ihre Anhänger. Für die CDU ist die Aufwertung zur Geschäftsstraße – wie vom Rathaus favorisiert – der richtige Weg. Der Verkehr würde wie heute fahren, aber nur auf zwei Spuren. Der nördliche Gehweg könnte zur breiteren Flaniermeile werden.
Grüne und SPD für Durchfahrtsverbot
Für die Grünen hingegen geht an Variante 3 kein Weg vorbei. „Das Durchfahrtsverbot ist für uns ein ganz wichtiges Zeichen der Veränderung“, brachte es Regine Ankermann auf den Punkt. Zwischen Karlstraße und Metzstraße sollen nur noch Busse und Radler fahren dürfen. Damit wäre der Durchgangsverkehr auf der Friedrichstraße unterbunden. Die Zufahrt zu den Parkhäusern bleibt gewährleistet.
Bei den Freien Wählern und in der FDP hingegen plädiert man eher für die Einbahnstraßen-Lösung, mit der nur noch eine Fahrspur gebraucht würde. Das würde mehr Platz schaffen für Radler und Begrünung, allerdings auch die Busse auf Umwege schicken, was der Stadtverkehr ablehnt. Bei dieser Lösung würde sich zudem der Verkehr am stärksten auf die Charlottenstraße verlagern, etwa 2600 Fahrzeuge am Tag. Bei allen Varianten gehen die Verkehrsplaner übrigens davon aus, dass künftig weniger als 10 000 Fahrzeuge täglich auf der Friedrichstraße unterwegs sind. Deshalb wäre auch ein Durchfahrtsverbot machbar, argumentieren Grüne und SPD.

Für die Sozialdemokraten fehlt allerdings eine Variante im Plan, der sogenannte „Shared Space“. Dabei teilen sich Autofahrer, Busse, Fußgänger und Radfahrer gleichberechtigt und ohne Verkehrsregelung und Bordsteine den Straßenraum von ganz rechts bis ganz links. Die „Traumlösung“ von Heinz Tautkus erntete jedoch eher Skepsis, wobei vor dem Stadtbahnhof eine solche Lösung denkbar sei, so Baubürgermeister Stefan Köhler.
Ob sich der Gemeinderat am 26. April letztlich auf eine Variante einigen kann? Angesichts der vielen Untervarianten mit mannigfachen Gestaltungsmöglichkeiten scheint das eher unwahrscheinlich. Zumal es aktuell auch keine Notwendigkeit für Festlegungen gibt: Die Haushaltslage lasse einen Umbau frühestens 2023 zu, erklärte Stefan Köhler mit Blick auf den eben erst beschlossenen Doppelhaushalt, in dem nur Planungskosten für die Friedrichstraße drin sind. Einig war sich der Bauausschuss nur noch darin, keine zweite Baumreihe an der Friedrichstraße zu pflanzen und einen Kreisverkehr an der Kreuzung zum Graf-Zeppelin-Haus vorzusehen.