Der Alltag ist zurück, ein Compliance-Verfahren ist im Gange und ein Chefarzt lässt seinen Posten als Medizinischer Direktor vorübergehend ruhen. Nach außen wirkt es, als sei am Klinikum Friedrichshafen wieder Ruhe eingekehrt, nachdem Anfang Dezember schwere Vorwürfe öffentlich geworden waren.

Wer mit Beschäftigten spricht, bekommt aber einen anderen Eindruck. Verändert habe sich am Klinikum seit zwei Monaten kaum etwas, heißt es. Auch deshalb gedachten Anfang Februar rund 60 Mitarbeiter der verstorbenen Oberärztin bei einer Mahnwache am Haupteingang – und wollen das zu jedem Monatswechsel wieder tun.

Die Lage am Medizin Campus Bodensee (

MCB) beschäftigt auch viele SÜDKURIER-Leser. Seit dem ersten Artikel erhält die Redaktion viele Zuschriften. Manche Menschen geben Hinweise, andere schreiben aus Mitgefühl und Betroffenheit für die Oberärztin oder schildern eigene Erfahrungen. Einige dieser Zuschriften wurden als Leserbriefe veröffentlicht. Eine Leserin fragte beispielsweise, ob der verstorbenen Oberärztin vor ihrem Tod eine fristlose Kündigung ausgesprochen worden sei. Mitte Dezember hatten mehrere Medien über die Kündigung berichtet, auch der SÜDKURIER. In der offiziellen Pressemitteilung des Klinikums sei dies jedoch nicht erwähnt, so die Leserin.

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Klinik widerspricht dieser Angabe

Zu diesem Leserbrief erhielt die SÜDKURIER-Chefredaktion eine Stellungnahme. Darin wurde darauf hingewiesen, dass das Klinikum Friedrichshafen vor deren Tod keine fristlose Kündigung gegen die Ärztin ausgesprochen habe. Hier geht es nicht um die Kündigung an sich und die Frage, warum diese in der Stellungnahme des Klinikums nicht vorkam, wie die Leserin bemerkt hatte. Es geht hier um das Wort „ausgesprochen“ im Zusammenhang mit der Kündigung. Das Klinikum teilte mit, man habe die vorgeschriebenen Anhörungen durchgeführt, die Kündigung sei jedoch nie ausgesprochen worden. Die Oberärztin sei vor Abschluss des Verfahrens verstorben.

Verfahren war noch nicht abgeschlossen

Es ist korrekt, dass die fristlose Kündigung der Oberärztin vor ihrem Tod nicht ausgesprochen wurde – das bestätigen Weggefährten aus dem Klinikum sowie Detlef Kröger, der Anwalt der Verstorbenen. Demnach habe aber ein Antrag auf fristlose Kündigung vorgelegen. Das heißt: Die Kündigung war formell auf den Weg gebracht, eine dafür notwendige Anhörung und Zustimmung des Betriebsrats stand aber noch aus, um diesen Vorgang auch formell und juristisch korrekt abzuschließen.

Detlef Kröger arbeitet als Jurist in Illertissen. Er vertritt auch nach ihrem Tod noch die Anliegen der Oberärztin.
Detlef Kröger arbeitet als Jurist in Illertissen. Er vertritt auch nach ihrem Tod noch die Anliegen der Oberärztin. | Bild: Benjamin Schmidt

Der Anwalt vermutet: Die fristlose Kündigung wäre ohnehin vollzogen worden, hätte die Oberärztin nicht vorher für sich gehandelt, sprich: Suizid begangen. Nachdem man die Medizinerin darüber informiert habe, habe sie wohl beschlossen, sich das Leben zu nehmen, sagt Kröger. Sowohl der Anwalt als auch mehrere Klinikmitarbeiter bestätigen die Wucht und Wirkung der Kündigung auf die Oberärztin.

Warum sich die Klinik jetzt erst meldet

Bereits im Dezember war nicht nur im SÜDKURIER, sondern in mehreren anderen Medien die Rede von einer vollzogenen fristlosen Kündigung. Warum meldet sich das Klinikum aber erst jetzt? Und wandte sich der MCB auch an andere Medien?

Auf eine offizielle Presseanfrage dazu antwortet aus urlaubsbedingten Gründen nicht die Klinik-Pressesprecherin, sondern Roman Huber, Medizinischer Direktor des Klinikums. Der Arzt unterstreicht in seinem Schreiben, dass der Suizid der Oberärztin und das darauf folgende mediale Echo den Klinik-Verantwortlichen „größtmögliche Anstrengungen“ abgefordert habe. „Schließlich stehen wir als kommunales Unternehmen in der Pflicht, Transparenz gegenüber der Öffentlichkeit zu gewähren.“ Den Klinik-Verantwortlichen sei es nun erst im Nachhinein der zahlreichen Veröffentlichungen möglich gewesen, diese auf rechtmäßige Wiedergabe zu prüfen, so seine Erklärung für den Zeitpunkt der Stellungnahme.

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Roman Huber bestätigt, dass der MCB auch auf andere Redaktionen zugegangen sei. Er möchte dabei betonen, dass man bei diesen Hinweisen „im Sinne eines deeskalierenden Umgangs miteinander“ ausdrücklich keinen rechtlichen Beistand um Unterstützung ersuche, sondern sich im Namen des Klinikums auf regulärem Wege mit der Redaktion in Verbindung gesetzt habe.

Anwalt: MCB sollte sich lieber um Aufarbeitung kümmern

Namen von anderen kontaktierten Medien nennt Huber dabei nicht. Eine Umfrage unter Häusern, die über die Vorwürfe gegen den MCB berichtet haben, ergibt ein gemischtes Bild. Medien, die von einer vollzogenen fristlosen Kündigung schrieben, hätten wohl keine Post vom Klinikum erhalten. Eine andere Zeitung berichtet davon, dass man nach der Veröffentlichung Post von einer spezialisierten Anwaltskanzlei bekommen habe. Die Namen der Medienhäuser werden an dieser Stelle nicht genannt, weil es sich dabei um vertrauliche Schriftwechsel zwischen Redaktionen und Klinikum handelt.

Grundsätzlich hat das Klinikum recht mit der Forderung, dass die fristlose Kündigung nicht ausgesprochen wurde. Für Detlef Kröger macht dieses Detail mit Blick auf die Abläufe im Rückblick aber keinen Unterschied. „Ich bin der Auffassung, dass man sich hier auf Kleinigkeiten einlässt und versucht, einzuschüchtern.“ Der Anwalt sagt: Das Häfler Klinikum sollte sich der Aufarbeitung der Vorwürfe und mutmaßlicher Todesfälle widmen.