Sina Schmidt ist Vorsitzende des Vereins der Hundefreunde, der nahe der Häfler Messe sein Trainingsgelände hat. Sie hält einen Hundeführerschein an sich für eine gute Idee, sieht aber bei der Umsetzung noch viele offene Fragen. Sie hofft sehr darauf, dass bei der in Baden-Württemberg geplanten Einführung eines Sachkundenachweises auf die Stimme von Fachleuten gehört wird: „Es bringt ja nichts, wenn da etwas beschlossen wird, was gar nicht umgesetzt werden kann.“

„Ein Hund muss nicht für alles Sympathien entwickeln“

Einer der wichtigsten Lernwerte sei, dass man Hunde lesen könne, betont Schmidt. Das betreffe nicht nur den eigenen Hund: Wenn ein Halter wisse, welche Körperhaltung etwa ausdrücke, dass ein anderer Hund angespannt oder aggressiv sei, könne er entsprechend reagieren. „Es geht hier um die Alltagstauglichkeit und ich hoffe, dass das beim Hundeführerschein auch im Fokus stehen wird“, erklärt sie.

Sina Schmidt befürwortet den Hundeführerschein grundsätzlich, hofft aber auf die Einbindung von Fachleuten für die praktische Umsetzung, ...
Sina Schmidt befürwortet den Hundeführerschein grundsätzlich, hofft aber auf die Einbindung von Fachleuten für die praktische Umsetzung, da hier Einiges berücksichtigt werden müsse; unter anderem auch die Situation von Hunden aus der Nothilfe. | Bild: Lena Reiner

Das sei auch das, was sie auf dem Hundeplatz trainierten: „Ich gehe mit dem Hund an der Leine, es kommen Jogger entgegen oder Radfahrer.“ Mit Raschelfolien trainierten sie außerdem, sich an plötzliche Geräusche zu gewöhnen, auch Gitterböden gehörten zum Training. „Wir haben hier auch vier neue Nachbarn: Kühe auf der Weide. Die sind ein super Training“, schildert sie. Dabei gelte generell die Regel: „Ein Hund muss nicht für alles Sympathien entwickeln. Es reicht, wenn er dem, was er im Alltag begegnet, neutral gegenüber steht.“

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Letztlich gehe es bei weiterem Lernen dann darum, Freiheiten zu gewinnen: „Erst wenn ich weiß, dass mein Hund wiederkommt, wenn ich ihn rufe, kann ich ihn auch von der Leine lassen.“ Dabei gehe es aber immer auch um den Einzelfall. Sie nennt Auslandshunde als Beispiel: „Da würde ich es kritisch sehen, wenn dieselben Maßstäbe angesetzt würden. Ich hoffe, dass die Prüfer da einen Spielraum bekommen.“

Große Menschenmengen, Rolltreppen und andere Stressfaktoren ließen sich im Alltag auch vermeiden: „Ich kann mit einem Hund, der etwa traumatisiert ist, in ruhigen Gegenden spazieren gehen und bestimmte Orte meiden.“ So handhabten es Halter solcher Tiere aktuell sowieso und sie sehe unnötigen Stress für die Halter und vor allem die Hunde darin, es zur Pflicht zu machen, sich solchen Situationen prüfungsbedingt aussetzen zu müssen. „Dann wären viele der geretteten Hunde gar nicht mehr vermittelbar“, befürchtet sie.

„Alle Hunde brauchen ein gewisses Training, gerade auch die Kleinen“

Nicole Bessens Hündin Bella ist kürzlich zum ersten Mal Mutter geworden. Nun wollen sieben Welpen „sozialisiert“ werden. „Es geht nicht nur darum, dass sie andere Hunde und Menschen kennenlernen, sondern dass sie sich beispielsweise auch an Wasser gewöhnen“, erklärt die Eriskircherin. Ihre eigene Hündin sei damals nicht so aufgezogen worden. Daher wisse sie, wie wichtig das sei: „Ich fahre auch mit ihnen Auto.“ Vor einigen Wochen habe sie davon erfahren, dass in Baden-Württemberg ein Hundeführerschein eingeführt werden solle: „Mein erster Gedanke war ganz kurz und knapp: super.“

Nicole Bessen aus Eriskirch mit Hündin Bella, die vor acht Wochen zum ersten Mal Welpen geworfen hat.
Nicole Bessen aus Eriskirch mit Hündin Bella, die vor acht Wochen zum ersten Mal Welpen geworfen hat. | Bild: Lena Reiner

Nur wenige Tage später habe sie dann direkt drei Situationen beobachtet, die durch die Schulung im Rahmen eines Hundeführerscheins eventuell verhindert hätten werden können. „Da ging nicht der Halter mit dem Hund, sondern der Hund mit dem Halter spazieren“, beschreibt sie. Sie selbst wisse sehr gut, was man bei der Hundehaltung alles falsch machen könne, obwohl sie seit Jahren Hunde habe: „Unser erster Familienhund war ein kleiner Mischling und wir dachten, mit dem müsse man ja nicht so viel trainieren.“ Sie lacht, als sie sagt, dass sich das als große Fehleinschätzung erwiesen habe: „Wirklich alle Hunde brauchen ein gewisses Training, gerade auch die Kleinen.“

Auch Bellas Welpen – hier vier der sieben – können sie schon etwas lernen: nämlich, dass Menschen, Wasser und andere Hunde ...
Auch Bellas Welpen – hier vier der sieben – können sie schon etwas lernen: nämlich, dass Menschen, Wasser und andere Hunde keine Gefahr darstellen. | Bild: Lena Reiner
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Auch Carmen Heritier hielt schon als Jugendliche noch im elterlichen Haus ihren ersten Hund. Einen Hundeführerschein hält sie grundsätzlich für eine super Idee: „Es fühlt sich nur so an, als sei die noch nicht komplett durchdacht.“ Es stelle sich etwa die Frage, wer den Schein letztlich abnehmen werde und sie hoffe dabei auf eine gewisse Einheitlichkeit: „Die Prüfung zum Hundetrainerschein nach Paragraf 11 etwa unterscheidet sich zur Zeit von Veterinäramt zu Veterinäramt“, schildert sie.

Carmen Heritier hält selbst Hunde, seit sie eine Teenagerin ist.
Carmen Heritier hält selbst Hunde, seit sie eine Teenagerin ist. | Bild: Lena Reiner

Wichtig finde sie vor allem auch den theoretischen Teil des Scheins. Idealerweise erfolge dieser, bevor sich jemand überhaupt einen Hund anschaffe: „Man lässt sich da ja oft auch vom Optischen leiten und dann hat jemand einen Hochleistungs-Jagdhund zu Hause, ohne es zu wissen.“ Auch Welpen von unseriösen Züchtern stellen aus Sicht von Heritier ein Problem dar. Seriöse Züchter oder Tierheime schauten sich schon heute Halter und zukünftiges Zuhause des Tieres sehr genau an: „Es wäre natürlich toll, wenn der Schein hier etwas verändern kann.“ Das Signal, das die Regierung durch die Ankündigung sende, finde sie daher allein schon sehr gut.

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Der Mensch als Orientierungspunkt und Sozialpartner

Andrea Baasch ist Tierpsychologin und bietet Trainings für Menschen mit ihren Hunden an. Sie hält einen Hundeführerschein grundsätzlich für sinnvoll: „sich bereits vor Anschaffung eines Tieres eingehend über dessen Bedürfnisse und Haltungsanforderungen zu informieren und sich eingehend damit auseinanderzusetzen, ob man einem Hund wirklich ein ganzes Hundeleben lang gerecht werden kann.“ Darüber hinaus sollte auch jeder Hundehalter mit dem Ausdrucksverhalten von Hunden vertraut sein und erkennen können, wenn der eigene, aber auch ein fremder Hund beispielsweise unsicher wird. „So können Situationen durch entsprechendes vorausschauendes Handeln des Halters entschärft werden und es kommt gar nicht erst zu kritischen Situationen“, erklärt sie.

Hundepsychologin und -trainerin Andrea Baasch.
Hundepsychologin und -trainerin Andrea Baasch. | Bild: Lena Reiner

Hunde benötigten neben der Befriedigung ihrer Grundbedürfnisse durch Futter, Wasser und ausreichend Ruhezeiten auch körperliche und geistige, oft rassespezifische Auslastung. Der Mensch sei dabei Orientierungspunkt und Sozialpartner, der für das Wohlergehen des Hundes verantwortlich sei: „All dies könnte im Ansatz durch praktische und theoretische Veranstaltungen zur Erlangung eines Hundeführerscheins vermittelt werden, was sicher auch aus Tierschutz-Sicht wünschenswert wäre“, meint Baasch. „Allerdings ersetzt dies nicht den Besuch einer Hundeschule.“