Herr Blümcke, am 10. März 2025 werden es 100 Tage seit Ihrem Amtsantritt als Oberbürgermeister in Friedrichshafen. Sind Sie als Ex-Hagnauer und Ex-Ravensburger schon ganz im Hafen angekommen?

Physisch ja, aber es gibt gewisse Zerrissenheiten. Aber der Hafen lädt ein und ich bin gern hier.

War Ihnen bewusst, was Sie hier erwartet?

(lacht) Eine der schönsten Mid-Century-Städte Süddeutschlands.

Sie sind als Behördenleiter Chef von über 1500 Mitarbeitern. Wie wurden Sie aufgenommen?

Sehr neugierig und offen. Die Leute haben sich interessiert für mich. Die Newsletter und was wir seither machen, darauf werde ich viel angesprochen. Ich würde sagen, dass ich bisher etwa ein Drittel der Ämter besucht und die Kolleginnen und Kollegen dort kennengelernt habe. Ich möchte mit jeder Mitarbeiterin und jedem Mitarbeiter wenigstens ein kurzes Gespräch haben.

Die ersten 100 Tage gelten als Schonfrist zum Einarbeiten. Hat die Zeit gereicht?

Eine Stadt wie Friedrichshafen ist nichts für den Schongang. Wer Getriebe baut weiß, wenn Metall auf Metall geht, entsteht Kraft und auch Reibung. Wir sind in einer Situation, die keine Schonhaltung zulässt. Wir müssen nach vorne arbeiten.

Jahresempfang der Stadt Friedrichshafen 2025: Der Oberbürgermeister kündigte dort vor großer Kulisse einschneidende Maßnahmen zur ...
Jahresempfang der Stadt Friedrichshafen 2025: Der Oberbürgermeister kündigte dort vor großer Kulisse einschneidende Maßnahmen zur Haushaltskonsolidierung an. | Bild: Hans Peter Klesel

Wie fühlt es sich dann an, als Sparkommissar starten zu müssen und für Bürger unbequeme Wahrheiten und Streichlisten zu verkünden?

Wer ein Streichkonzert dirigieren muss, bekommt keinen Applaus. Ich hätte mir das für die Stadt anders gewünscht, weil wir in der Tat an Aufgaben, Projekte und Leistungen herangehen, die durchaus ein Mehr statt ein Weniger verdient hätten. Jeder kennt das aus seinem privaten Umfeld: Wenn man mehr ausgibt als man hat, dann ist das eine Form von Betrug an den Fakten. Es gibt andere Kommunen, da geht gar nichts mehr. Wir haben einen Haushalt vorgelegt, mit dem wir in zwei Jahren rund 70 Millionen Euro investieren. Das ist ja nicht nix. Wir haben nur klar priorisiert: Kitas, Schulen und Pflichtaufgaben. Dass da ein paar Dinge herausfallen, trifft mich, aber auch jene Bürger, die diese Dinge erwartet haben. Aber bevor wir uns weiter einlullen, müssen wir jetzt auch mal den Mut haben, Nein zu sagen.

Sie sagen es: Viele Kommunen sind in dieser schwierigen Lage. Trotzdem bleibt der Eindruck, dass Friedrichshafen über seine Verhältnisse gelebt hat.

Das ist komplizierter. Geld war eigentlich und ist auch heute noch hinterlegt, zumindest stärker als in anderen Kommunen. Was aus dem Blickfeld geriet, ist die Leistbarkeit. Wir kriegen nur so viel Geld durchs System, wie Mitarbeiter Projekte abarbeiten können. Da war man, glaube ich, schon ein paar Jahre länger nicht ganz ehrlich. Jetzt bin ich kein Schiedsrichter der Vergangenheit. Aber ich finde eine Situation vor, in der wesentlich mehr Projekte beschlossen als personell und nun auch finanziell umsetzbar sind. Wir sind jedenfalls gut beraten, jetzt umsichtig zu sein. Wir haben da mit dem Gemeinderat den gleichen Blick auf die Dinge.

Sie sprechen von einem Haushalt der Wahrheit und Klarheit, von Pflicht vor Kür. Wie passt es da zusammen, dass es beispielsweise für die Sanierung des Graf-Zeppelin-Hauses 21 Millionen Euro gibt, aber viele Schulen und Kindergärten hinten runterfallen?

Einspruch! Erstens sind wir noch nie so viele Schulprojekte angegangen wie in diesem Doppelhaushalt. Zweitens geben wir auch bei den Kitas weiter Vollgas, nur in dem Volumen, wie wir das auch schaffen. Das GZH ist nicht nur nice to have. Da geht es um sehr wichtige energetische Sanierungen, und an einer Stelle regnet es durchs Dach.

Das Graf-Zeppelin-Haus muss saniert werden. 21 Millionen Euro wird die Stadt in den nächsten zwei Jahren in das Kultur- und ...
Das Graf-Zeppelin-Haus muss saniert werden. 21 Millionen Euro wird die Stadt in den nächsten zwei Jahren in das Kultur- und Kongresszentrum investieren. | Bild: Ambrosius, Andreas

Also Augen zu und durch, weil mit der GZH-Sanierung, für die insgesamt 100 Millionen Euro veranschlagt sind, schon begonnen wurde, auch wenn der Haushalt auf Kante genäht ist?

Wir machen jetzt den ersten Bauabschnitt, für den 21 Millionen Euro im Doppelhaushalt eingeplant sind. Danach möchte ich auch beim GZH alles auf den Prüfstand stellen. Bei diesem Projektvolumen und der Komplexität sind da für mich noch etliche Fragen offen, was wirklich notwendig ist. Deshalb machen wir jetzt das Dach wieder dicht und setzen den Beschluss des Gemeinderats, die Energieversorgung des Hauses klimaneutral zu erneuern, um. Alles andere werden wir uns sehr genau anschauen.

Die Sparliste weist trotzdem Dutzende Projekte im Bereich Schulen und Kitas aus, die bis 2030 in die Warteschleife geschoben werden. Der Platzbedarf ist aber heute da und die Kapazitäten reichen nicht aus. Heißt das für eine ganze Kindergarten- und Schülergeneration: Pech gehabt?

Wir kommen allen Pflichten nach, nur nicht in der Qualität, wie ich mir das vorstelle. Nur: Eine Situation, die über Jahre entstanden ist, lässt sich nicht innerhalb von einem Jahr auflösen. Selbst ein Doppelhaushalt reicht nicht. Wir stemmen parallel zwei riesige Schulprojekte, die Graf-Soden- und die Albert-Merglen-Schule. Damit lösen sich an anderer Stelle gleich ein paar Knoten. Dann hat die Pestalozzischule, die derzeit stark von der Graf-Soden beansprucht wird, wieder Entwicklungsperspektiven. Das heißt: Jedes Kind wird versorgt. Nur sind wir noch lange nicht bei dem, was ich qualitativ für einen ordentlichen Standard halte. Jetzt müssen wir endlich anfangen und Tempo machen, auch bei den Kitas. Hier werden wir stark auf Modulbauten in Holz fokussieren.

Seit Jahren ist klar, dass drei Dreifeldhallen in der Innenstadt für den Schulsport fehlen. Halten Sie es für vertretbar, dass bis 2030 gar kein Neubau mehr geplant wird?

Wir planen und bauen mit der Albert-Merglen-Schule ein komplettes Hallenteil, und abends ist jede Sporthalle auch für die Vereine offen. Stand heute fällt kein Sportunterricht aus. Ja, wir sind bei der Pflichtaufgabe Schulsport eingeschränkt durch teils lange Wege. Aber wir müssen heute keine Schüler heimschicken, weil es keinen Sportunterricht gibt. Der Bedarf ist da, aber noch kein optimaler Standort für ein neues Schulsportzentrum in der Innenstadt. Jetzt geht es erst einmal darum, dass wir die Schulgebäude schaffen. Dann folgen auch die Hallen. Wer sparen will, muss auch zugeben, dass nicht alles gut läuft. Hier hätte ich mir persönlich mehr gewünscht. Aber wir haben uns für den Fokus auf Kitas und Schulen entschieden.

Oberbürgermeister Simon Blümcke bringt den Doppelhaushalt 2025/26 in den Gemeinderat ein und erläutert die Eckpunkte.
Oberbürgermeister Simon Blümcke bringt den Doppelhaushalt 2025/26 in den Gemeinderat ein und erläutert die Eckpunkte. | Bild: Ambrosius, Andreas

In den vergangenen Jahren hat sich der Gemeinderat sehr schwergetan, Gebühren im Kulturbereich, bei Bädern, Parken oder Kitabetreuung zu erhöhen. Warum glauben Sie, dass der Rat diesmal mitzieht?

Weil wir in einer ganz anderen Situation sind. Wenn wir jetzt nicht an allen Schrauben drehen, werden an einzelnen Stellen die Lichter ausgehen, weil wir uns das Eine oder Andere nicht mehr leisten können. Zum Beispiel Kultur: Wir haben ein qualitativ gigantisches Programm des Kulturbüros und schon oft die Frage gestellt bekommen, warum wir das so billig anbieten. Es ist wichtig, für die Bedürftigen immer einen barrierearmen Zugang zu Sport und Kultur zu bieten. Den haben wir. Die es sich leisten können, können auch zwei oder drei Euro mehr für ein Ticket bezahlen.

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Beim Parken beispielsweise geht die geplante Verteuerung der Ticketpreise in der gelben Zone von heute 4,40 Euro auf maximal 17 Euro pro Tag für viele Beschäftigte in der Stadt enorm ins Geld.

Beim Thema Parken geht es nicht nur um die Haushaltskonsolidierung, sondern um eine Steuerungslogik: Bitte geht in die Parkhäuser und hört auf mit dem Parksuchverkehr! Dafür müssen wir Anreize setzen. In der gelben Zone ist diese Erhöhung in der Tat drastisch. Die Botschaft lautet: Nutzt die Parkhäuser. Mit der Grünen Karte vom Stadtwerk haben wir dort super Angebote mit bis zu 40 Prozent Ermäßigung. Klar ist die erste Frage: Spinnt Ihr? Aber es gibt Möglichkeiten bis hin zum 58-Euro-Monatsticket für Bus und Bahn im Nahverkehr, dazu kommen alle Investitionen ins Rad. Wir bleiben also allen Verkehren gegenüber offen in FN!

Nochmal die Frage: In den vergangenen zehn Jahren hat der Gemeinderat gerade beim Parken dafür gesorgt, dass die Tariferhöhung immer wieder verschoben wird.

Wenn wir das wieder tun, haben wir keinen ausgeglichenen Haushalt und bekommen die Aufgabe zurück. Dann stelle ich die Frage, woher das Geld kommt, was dann fehlt, an anderer Stelle.

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