Herr Fuhrmann, warum haben Sie diesen offenen Brief geschrieben?
Ab 1. März gibt es mit Frau Fritz eine neue Leiterin im Stadtplanungsamt. Da kommt frischer Wind von außen auf diesen wichtigen Posten im Rathaus. Um diesen Einstieg zu markieren und unsere Position erneut zu verdeutlichen, will ich sagen: Der Fuhrmann ist nach wie vor nicht glücklich über die Schwerpunkte der Stadtplanung. Ich möchte gern über einen neuen Ansatz diskutieren.
Was meinen Sie damit?
Mir geht es darum, wie und was in Friedrichshafen gebaut wird, ob nur Neubau oder mit Fokus auf den Bestand, ob nachverdichtet wird und wo. Dazu müssen wir Bebauungspläne modernisieren beziehungsweise überhaupt aufstellen. Damit dieser Wildwuchs gebremst wird.
Ziehen die Kollegen im Gemeinderat da nicht mit?
Nein, über diese Ausgestaltung der Stadtentwicklung wird eigentlich nicht gesprochen. Leider hat die Nachverdichtung durch private Bauträger immer noch Vorfahrt. Städtische Gesellschaften wie Zeppelin Wohlfahrt und SWG sind mit ihrem sozialen Wohnungsbau zumindest am Rednerpult in unsere Mitte gerückt. Aber das muss auch durch Bebauungspläne und eine andere Bodenpolitik umgesetzt werden. Und da sehe ich noch nichts. Insofern bezwecke ich mit dem Brief ein Nachdenken über zeitgemäße Stadtplanung.
Ihrer Meinung nach herrscht in der Stadt also immer noch das Diktat der privaten Bauträger?
Genau. Die dürfen auch gern bauen, aber möglichst im bezahlbaren Mietwohnungsbau, weil daran mangelt‘s. Es ist immer einfach, die Dinge laufen zu lassen. Wohnungen werden schon gebaut. Aber ob die vermietet sind oder als Ferienwohnung das halbe Jahr leer stehen, interessiert noch zu wenige.

Nur ist für Bauträger wie Junker, Ostermann oder Löffler der bezahlbare Mietwohnungsbau nicht der Geschäftszweck…
Wenn wir schon die Planungshoheit haben, dann würde ich doch gern alle Hebel in Bewegung setzen, über Bebauungspläne oder Gestaltungssatzungen oder den Ankauf von Flächen. Die Materie ist sicher komplex. Deshalb plädiere ich dafür, dem Stadtplanungsamt die nötigen Ressourcen zu geben. Sonst läuft diese Stadt Gefahr, in der Zukunftsentwicklung auf dem Abstellgleis zu landen. Ich hoffe, dass wir auf die Überholspur kommen.
An diesem Punkt der Diskussion wird immer auf das Integrierte Stadtentwicklungskonzept ISEK verwiesen.
Die Stadt braucht einen Masterplan, und den habe ich zumindest mal wieder ins Gespräch gebracht durch den offenen Brief. Wir müssen eine neue Perspektive entwickeln. Wie gehen wir vor, um Wohnungsmangel im bezahlbaren Bereich zu beheben? Wie gestalten wir ein Stadtbild, bei dem Tradition und Moderne eine gute Verbindung eingehen? Welche Straßen werden als nächstes so umgebaut, dass sie auch für Radfahrer und Fußgänger attraktiv sind? Man hat es versäumt, in strategischen Schritten zu denken, und man wollte das auch nicht. Macht ja Arbeit und es wird überprüfbar.
Warum ist das so wichtig für Sie?
Ohne Bebauungspläne zerrinnt alles unter unseren Händen, weil die Verwaltung Bauten genehmigen muss, selbst wenn sie sich nur unzulänglich ins Stadtbild einfügen. Das Baugesetz ist so schwammig, dass das dritte oder vierte Geschoss eben immer draufgesetzt wird. Und darüber sind keine Flachdächer, sondern hässliche Deckel. Es ist eigentlich das Hauptgeschäft des Stadtplanungsamts, über genau solche Dinge zu diskutieren und Qualität ins Baugeschehen zu bringen. Sonst brauchen wir nur ein Bauordnungsamt, das schaut, ob sich ein Vorhaben irgendwie in die Nachbarschaft einfügt, und dann lassen wir‘s laufen. So war es ja.
Haben Sie dafür ein Beispiel?
Das Haus neben dem Schinacher war eigentlich zum Abriss freigegeben. Die Firma Junker wollte hier das dritte ihrer Würfelhäuser in der Friedrichstraße bauen. An dem Punkt haben wir i

m Bauausschuss gesagt: Jetzt kommt die Veränderungssperre, jetzt wird am Bebauungsplan vom Bahnhofsplatz bis zum Metzquartier weitergearbeitet. Auch die Verwaltung hat gesehen, dass uns sonst die Friedrichstraße baulich in die falsche Richtung läuft.

Sie meinen die Neubauten am Platz des ehemaligen Schöllhorn-Hotels, für dessen Erhalt Sie ja gekämpft haben?
Was da bisher gebaut wurde, ist ein Waterloo für die Stadtplanung. Was auf dem Schöllhorn-Areal und daneben als wichtig erkannt und im Rahmenplan formuliert war, wurde einfach nicht umgesetzt. Weil nach Bauherren-Art gebaut wurde. Es wurde weder der 1. Preis aus dem Architektenwettbewerb umgesetzt noch hat man grüne Inseln im Rückraum geschaffen, die öffentlich sind. Ganz zu schweigen von dieser Dachlandschaft. Da sind gröbste Fehler passiert. Jetzt kommt der Bebauungsplan, der ein „weiter so“ nicht mehr möglich macht. Und so hat sich die Firma Junker entschieden, das Haus neben dem Schinacher doch nicht abzureißen, sondern zu sanieren. Die Arbeiten laufen.