Donnerstag, kurz nach 21 Uhr in Friedrichshafen. Es ist dunkel und kalt, nur wenige Menschen sind im Stadtzentrum unterwegs. Geht es nach der Corona-Verordnung des Landes, sollten es noch weniger sein: Denn am Mittwoch lag die Sieben-Tage-Inzidenz im Bodenseekreis zum zweiten Tag in Folge über 500. Das bedeutet: Es gilt seit Donnerstag eine Ausgangssperre für Nicht-Geimpfte zwischen 21 Uhr abends und 5 Uhr morgens. Doch nicht jeder hält sich daran. Und kaum jemand, der an diesem Abend unterwegs ist, findet die Regel gut.

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So auch Peter aus Stuttgart: Der mehrfache Vater ist auf dem Weg zu seinem Hotel. Er ist beruflich nach Friedrichshafen gekommen. Geimpft ist er nicht – und von der Ausgangssperre hat er noch nichts gehört. Was hält er von der Regel? „Ich finde sie scheiße“, gibt er zurück. „Es wird mit dem Finger auf eine Minderheit gezeigt.“ Er sei kein Impfgegner, betont er. Vielmehr störe ihn der Druck, der auf Ungeimpfte wie ihn ausgeübt werde. Da er wegen seiner Arbeit noch unterwegs ist, gilt für ihn die Sperre indes nicht.

Zurückhaltung bei einigen Befragten

Einige Leute, die an diesem Abend in der Innenstadt unterwegs sind, wollen ihren Namen lieber nicht verraten – oder gar ein Foto von sich machen lassen. Zu aufgeladen erscheint ihnen die Debatte rund um Corona. Zwei junge Frauen zeigen sich überrascht, dass eine Ausgangssperre für Menschen ohne Impfschutz gilt. Sie selbst hätten einen Nachweis, sagen sie. Wie finden sie die Beschränkung? „Man kann die Leute doch nicht einfach einsperren“, sagt eine von ihnen. Die andere räumt ein: „Aber eine Durchimpfung der Bevölkerung braucht man schon.“ Beide sind ratlos, was denn noch helfen könnte, gegen die steigende Infektionszahlen, die Belastung der Krankenhäuser – und gegen die aufgeheizte Stimmung in der Bevölkerung.

Vera Dernbach und Reiner Stenz sind geimpft. Dennoch sehen sie die Ausgangssperre kritisch.
Vera Dernbach und Reiner Stenz sind geimpft. Dennoch sehen sie die Ausgangssperre kritisch. | Bild: Benjamin Schmidt

Auch Vera Dernbach hält nichts von der nun geltenden Regeln. Sie kommt aus dem Ahrtal, ist zu Besuch in der Zeppelinstadt. Sie selbst sei geimpft, sagt sie. „Aber die Ungeimpften wegzusperren wie die Sträflinge, das ist einfach nicht gut. Das spaltet die Gesellschaft.“ Ihre Begleitung Reiner Stenz ergänzt: „Man fängt ja schon an, sich gegenseitig zu kontrollieren.“ Stenz zweifelt an der Wirksamkeit der Ausgangssperre. Wie solle so etwas wirksam überprüft werden?

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Kontrollen finden kaum statt

Und tatsächlich: Die Frage, wer überhaupt die Einhaltung der Regeln kontrolliert, stellt sich. Denn seitens der Polizei heißt es, dass die Beamten keine Schwerpunktkontrollen durchführen – es mangle an einer geeigneten Rechtsgrundlage für eine Aushändigungspflicht des 3G-Nachweises. Sprich: Kein Polizist kann die Vorlage eines Impfnachweises verlangen.

Verwaist stehen die Buden des Häfler Weihnachtsmarktes im Stadtzentrum. Die Bodensee-Weihnacht ist am Dienstsagabend kurzfristig ...
Verwaist stehen die Buden des Häfler Weihnachtsmarktes im Stadtzentrum. Die Bodensee-Weihnacht ist am Dienstsagabend kurzfristig abgesagt worden. Ende der Woche wäre eigentlich Eröffnung gewesen. | Bild: Benjamin Schmidt

Seitens der Stadtverwaltung Friedrichshafen heißt es wiederum, der Gemeindevollzugsdienst kontrolliere überwiegend tagsüber, etwa in Gaststätten. Bei den Corona-Kontrollen sei außerdem die Polizei unterstützend tätig. So richtig zuständig für die Ausgangssperre fühlt ist also niemand.

Auf der nächtlichen Friedrichstraße ist ein Mann mittleren Alters unterwegs. Was hält er von der neuen Regelung? „Nichts“, gibt er nur kurz zurück. Und wieso? „Weil die Geimpften das Virus genauso verteilen“ – diese Aussage stimmt laut Robert-Koch-Institut allerdings nicht. Rückfrage an den Mann: Er selbst ist also nicht geimpft? „Genau“, lautet die kurze Antwort. Dann läuft er schnell weiter.

In Friedrichhafens Innenstadt war am Donnerstagabend wenig los.
In Friedrichhafens Innenstadt war am Donnerstagabend wenig los. | Bild: Benjamin Schmidt

Michael Scholl und Dietmar Albert, beide aus Saarbrücken, wollen sich ebenfalls nicht fotografieren lassen. Auch sie wussten nichts von einer Ausgangssperre. Eine Meinung haben die beiden Geimpften dennoch: „Es ist traurig, dass es zu solchen Maßnahmen kommen musste“, sagt Michael Scholl. „Das haben wir auch den unvernünftigen Leuten zu verdanken, die sich nicht impfen lassen wollen.“ Dietmar Albert stimmt zu, ergänzt aber auch, dass seiner Auffassung nach das Gesundheitssystem unterfinanziert sei – und dass die Politik geschlafen habe. „Die waren alle zu sehr mit Wahlkampf beschäftigt, als sich um die Pandemie zu kümmern.“

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