„Hallo Oma, ich bin‘s, deine Enkelin. Es ist etwas Furchtbares passiert. Ich habe einen Unfall verursacht, bei dem jemand gestorben ist. Wenn ich nicht die Kaution von 30.000 Euro hinterlegen kann, muss ich ins Gefängnis! Kannst du mir bitte helfen?“ Wer solche Worte am Telefon hört oder auf dem Smartphone liest, verfällt bisweilen in einen Schockzustand. Vernünftiges Handeln wird dann schwierig und das eigene Geld ist schnell weg.

Jürgen Neuschwander wohnt in Immenstaad und ist Professor für Informatik an der Hochschule Konstanz. Als Experte für IT-Sicherheit ist es ihm ein Anliegen, die Menschen für betrügerische Maschen zu sensibilisieren.

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Was sind sogenannte Schockanrufe?

Wie der Name verrät, sollen die Opfer am Telefon durch eine vorgetäuschte und dramatische Notlage in einen Schockzustand verfallen. Dafür nutzen Kriminelle das Vertrauen und die Hilfsbereitschaft der Menschen aus und setzen auf ihre Ängste und Sorgen. In allen Fällen fordern die Täter hohe Geldbeträge, die übergeben werden sollen. Um den psychischen Druck zu erhöhen, halten sie die Betroffenen teilweise stundenlang am Telefon. „So haben sie nicht mal die Zeit, darüber nachzudenken und das Ganze zu hinterfragen“, sagt Jürgen Neuschwander.

Nachrichten wie diese führen am Ende oft dazu, dass die Betrüger um Geld bitten.
Nachrichten wie diese führen am Ende oft dazu, dass die Betrüger um Geld bitten. | Bild: Lisa Sperlich

Warum fallen wir auf solche Maschen rein?

„In einem Schockzustand wie diesem überwiegt das intuitive Handeln unser rationales Denken“, erklärt Jürgen Neuschwander. Das sei eine vollkommen normale Reaktion und entspreche unseren Instinkten: „Die Ursache dafür liegt in unserem Gehirn, genauer gesagt im limbischen System.“ Dieser Bereich ist für Gefühle und Überlebensreaktionen zuständig. Im Falle von Gefahr aktiviert es das vegetative Nervensystem, das den Herzschlag, Stoffwechsel und die Atmung reguliert. Als Folge können Betroffene nicht mehr rational denken, sondern reagieren intuitiv. „Man kann also gar nichts dafür, wenn man dann so reagiert“, sagt der 68-Jährige.

Was mache ich, wenn ich Opfer eines Anrufs werde?

Wie also vorgehen? „Zunächst erst einmal auf Abstand gehen und sich selbst fragen: Kann das wirklich sein?“, empfiehlt Jürgen Neuschwander. Wichtig sei auch, sich Zeit zu verschaffen und sich nicht hinhalten zu lassen. Wer Zweifel hegt, könne auch durch clevere Nachfragen, wie beispielsweise dem Namen eines Haustiers, einen möglichen Betrug entlarven. „Im besten Fall sollte man einfach auflegen, im Endeffekt kann nichts passieren“, sagt der 68-Jährige. „Danach kann man immer noch versuchen, die Person auf der bekannten Nummer zu erreichen.“

Jürgen Neuschwander, Professor für Technik der Informations- und Kommunikationssysteme.
Jürgen Neuschwander, Professor für Technik der Informations- und Kommunikationssysteme. | Bild: Lisa Sperlich

Wer auf die Betrugsmasche hereingefallen ist, sollte sich auf keinen Fall schämen. Viele Opfer erstatten deshalb auch keine Anzeige, daher geht die Polizei von einer hohen Dunkelziffer aus. Für Außenstehende seien die Handlungen der Betroffenen laut Jürgen Neuschwander oft nicht nachvollziehbar. „Deshalb ist die Betreuung durch Angehörige nach einem Betrug umso wichtiger“, sagt er. „Man darf auf keinen Fall in die Opferrolle geraten und Angst davor haben, zukünftig ans Telefon zu gehen.“

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Was kann ich tun, um mich zu schützen?

„Das Einzige, was wirklich hilft, ist die Sensibilisierung“, sagt der IT-Experte. „Alle jüngeren Leute, die Eltern, Omas oder Opas haben, sollen mit ihnen reden und sie aufklären.“ Nur wenn viel darüber geredet werde, können ältere Leute ein Gefühl für Betrugsmaschen entwickeln. Auf demselben Weg will zum Beispiel das Polizeipräsidium Ravensburg durch eine neue Präventionsaktion auf die Betrugsmaschen aufmerksam machen. Dabei sollen Viertklässler durch Postkarten mit Slogans wie „Du bist klüger als die Betrüger“ oder „Da leg ich einfach auf“ ihre Großeltern erreichen und für das Thema sensibilisieren. „Das ist eine gute Idee“, schätzt Jürgen Neuschwander die geplante Aktion ein.