Zwei Jahre lang haben Waldrapp-Jungvögel in den vergangenen Sommern bei Hödingen fliegen gelernt und sind von dort in Begleitung ihrer Ziehmütter in das Winterquartier nach Italien aufgebrochen. Dieses Jahr werden Projektleiter Johannes Fritz und seine Mitarbeiter erstmals beim Segelfluggelände in Heiligenberg ihr Camp und Trainingslager aufschlagen. Ihre ersten Übungsflüge werden voraussichtlich 32 Jungvögel im Alter von vier bis fünf Wochen ab Mitte Mai am Rand des Höhenluftkurorts absolvieren.

Die erste Überlinger Waldrappgeneration bei Flugübungen in Hödingen.
Die erste Überlinger Waldrappgeneration bei Flugübungen in Hödingen. | Bild: Hanspeter Walter

Der Umzug hat einen guten Grund. In Hödingen hat sich das Waldrappteam zwar gut umsorgt und schnell zu Hause gefühlt. Doch könnte es in diesem Frühsommer möglicherweise zu einer Begegnung von zwei Jahre alten ersten Rückkehrern mit der diesjährigen Generation kommen.

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„Wenn diese Wildvögel mit den Küken zusammentreffen, könnte das für Verwirrung bei beiden sorgen und die Arbeit beeinträchtigen“, erklärt Johannes Fritz die Wahl eines neuen Standorts. Denn wenn Tiere aus ihrem Winterquartier zurückkommen, finden sie laut Johannes Fritz „fast punktgenau“ ihren Startplatz wieder und tauchen bald wieder dort auf.

Schon bis Südtirol geflogen

Geschlechtsreif und brutfähig sind Waldrappe zwar erst nach dem dritten Winter, das heißt, die erste Überlinger Generation wird erst 2020 um Nachwuchs bemüht sein. „Doch die Wahrscheinlichkeit ist vielleicht 50 zu 50, dass einige schon in diesem Jahr an den Bodensee zurückkommen“, sagt der Biologe.

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Dafür spricht auch die Beobachtung, dass die Tiere in der Toskana ihren Kompass schon richtig ausgerichtet haben. „Wir haben schon im letzten Jahr bei der Überwachung der Tiere gesehen, dass einige der Vögel schon in Richtung Nordnordwest bis nach Südtirol geflogen sind“, berichtet Johannes Fritz.

Waldrappe und ihre Begleiter.
Waldrappe und ihre Begleiter. | Bild: Hanspeter Walter

Die Tiere der beiden ersten Brutkolonien in Burghausen am Inn und in Kuchl bei Salzburg müssen dagegen ihren Kompass auf Nordnordost stellen. Von dort sind mittlerweile einige Tiere auf eigene Faust und ohne Begleitung in das Winterquartier geflogen – zuletzt sogar einige in der Rekordzeit von drei Tagen. Ungefährlich ist die Reise allerdings nicht. Mehrfach wurden Tiere in Italien von Jägern abgeschossen. Im vergangenen Jahr starben zudem allein vier Vögel an einem ungesicherten Strommast in Österreich an einem Stromschlag.

Die erste Überlinger Waldrappgeneration über Hödingen.
Die erste Überlinger Waldrappgeneration über Hödingen. | Bild: Hanspeter Walter

Selbst wenn einige vorwitzige Rückkehrer in den nächsten Monaten nach Hödingen zurückkehren sollten, werden sie noch nicht reif für den ersten Nachwuchs sein. Damit rechnen Johannes Fritz und sein Team erst im Frühjahr 2020. Bis dahin wollen sie an den Molassefelsen auf einem städtischen Grundstück erste Bruthilfen anbringen, auf denen die Waldrappe ihre Eier ablegen können. Nach dem Schlüpfen werden sie dann von den Biologen in natürliche Felshöhlen „verlegt“.

Waldrappe sollen bald wieder am Bodensee landen.
Waldrappe sollen bald wieder am Bodensee landen. | Bild: Hanspeter Walter

Erstmals sollen im April 2020 die Küken in noch jüngerem Alter nach Überlingen kommen. Während der ersten Wochen der Landesgartenschau werden die Ziehmütter auf dem Gelände bei Goldbach die jungen Vögel weiter aufpäppeln, um interessierten Besuchern die Handaufzucht der Tiere bis zur Flugreife zu demonstrieren.

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Dann wird auch die vierte Bodenseegeneration aus dem gleichen Grund zum Training wieder nach Heiligenberg umziehen, während am Seeufer – so hoffen die Biologen – die ersten Eier von Rückkehrern des Jahrgangs ausgebrütet werden könnten.

Neue Ziehmütter und alte Bekannte

Wenn das Waldrappteam in vier Wochen nach Heiligenberg kommt, wird neben Anne-Gabriela Schmalstieg mit Helena Wehner auch eine neue Ziehmutter vor Ort sein. Vorgängerin Corinna Esterer hat mit dem Monitoring der österreichischen Population eine neue Aufgabe übernommen.

Ein Waldrapp beim Flug über die Alpen.
Ein Waldrapp beim Flug über die Alpen. | Bild: Hanspeter Walter

Mit Rolf und Hedi Gesine Elsing wird Johannes Fritz in Heiligenberg alte Bekannte wieder treffen. Denn der Vorsitzende des Segelflugvereins und seine Frau sind selbst in Hödingen zu Hause und garantieren damit einen sicheren Brückenschlag.

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Zum anderen sind die Ultraleichtflieger bei den Übungsflügen 2017 und 2018 schon mehrfach in Heiligenberg zwischengelandet. „Dort kann das Waldrappteam auch die vorhandene Infrastruktur des Vereins nutzen“, sagt Hede Gesine Elsing. „Mit Wasser versorgen wird sie Dominik Sonntag vom Lärchenhof.“

Vorahnung in der Fastnacht

War es eine unbewusste Vorahnung oder hatten es die Waldrappe, die schon seit zwei Jahren über dem Bodenseeufer ihre Runden drehten, den Heilgenberger Narren so angetan, dass sie am Schmotzigen Dunnschtig einen neuen Flugplatz für die krummschnäbeligen Vögel ausriefen.

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Letzteres scheint bei Naturfreund Fritz Blum der Fall gewesen zu sein, der damals mit einer Waldrappgruppe auf den Plan trat. Von den Absichten des Teams konnte er noch gar nichts gewusst haben, denn die Entscheidung von Projektleiter Johannes Fritz fiel erst später im März.

Als ob sie es geahnt hätten, hatten sich mehrere Heiligenberger in der Fastnacht als Waldrappe verkleidet.
Als ob sie es geahnt hätten, hatten sich mehrere Heiligenberger in der Fastnacht als Waldrappe verkleidet. | Bild: Bernhard Conrads

Tatsache ist auch, dass das Rathaus bei der Nachfrage zur Willkommenskultur für Waldrappe ins Straucheln geriet und noch im Dunkeln tappte. „Ich weiß davon nichts“, sagt Muff, der für den Tourismus zuständig und zugleich Assistent des Bürgermeisters ist: „Und Herr Amann weiß das, glaube ich zumindest, auch noch nicht.“

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Ungeachtet dessen freut man sich auch im Heiligenberger Rathaus auf die neue Attraktion. „Ich habe natürlich schon einiges gelesen und auch im Fernsehen darüber gesehen“, erklärt Thomas Muff.