Dass es bei der Energiewende noch große Hürden zu nehmen gilt, dürfte mittlerweile jedem Bürger klar sein. Erneuerbare Energien sollen sicherstellen, dass in Deutschland auch ohne Atomkraft und Kohlekraftwerke der Strom nicht ausgeht. Windkraft und Solarenergie sind als feste Erfolgsfaktoren von der Politik eingeplant. In Heiligenberg kann man sich bereits jetzt beruhigt zurücklehnen. In der Gemeinde wird mehr Strom produziert, als verbraucht wird. Man ist also autark. Doch dies gilt nur im übertragenen Sinn. Denn der produzierte Strom wird ins allgemeine Netz eingespeist und von dort kommt auch der Saft für Steckdosen.
Rund 21 Jahre nachdem das Erneuerbare-Energien-Gesetz verabschiedet wurde und neun Jahre nach dem deutschen Atomausstieg ist die Bilanz in Deutschland ernüchternd: Statt den CO2-Ausstoß bis 2020 im Vergleich zu 1990 um 40 Prozent zu senken, schaffte man bislang nur 32 Prozent. Am 3000-Einwohner-Ort Heiligenberg wird es kaum liegen. Denn da ist man gut aufgestellt, wenn es um das Thema Energie geht.
In Rickertsreute ist eine Fotovoltaik-Freilandanlage geplant
Ein gasbetriebenes Blockheizkraftwerk sorgt für warmes Wasser im Freibad und warme Büros im Rathaus. Auf dem großen Parkplatz beim Sennhof kann für Elektro-Autos und E-Bikes Strom gezapft werden und dass die Straßenbeleuchtung bereits auf LEDs umgerüstet ist, das versteht sich von selbst. Der nächste große Schritt soll die Errichtung einer Fotovoltaik-Freilandanlage im Ortsteil Rickertsreute werden.
Diese wird eine erhebliche Menge an Energie erzeugen, und damit rund 300.000 Tonnen CO² einsparen. Geplant sind zehn Megawatt in der Spitze. Je nach Netzverträglichkeit und -einspeisepunkt kann die Größe verringert werden, solange die Wirtschaftlichkeit noch gegeben ist. Größer würde die Anlage während der Planung nicht, da Fotovoltaik-Freiflächenanlagen auf Grün- und Ackerland auf 10 MWp begrenzt sind.
Über Kilowattstunden und Höchstleistungen
Der Gemeinderat hat bereits über das Vorhaben diskutiert und den Privatinvestor einstimmig ermuntert, die Sache weiterzutreiben. Vermutlich im März soll über einen konkreten Bauantrag beraten werden. Sollte die Anlage realisiert werden, wäre sie die einzige ihrer Art im gesamten Bodenseekreis. Die Anlage würde am Standort Rickertsreute rund 11 000 000 Kilowattstunden pro Jahr produzieren. Dies entspricht etwa dem Verbrauch von rund 6500 Privatpersonen.
Und auch diese sind im Luftkurort recht aktiv beim Thema Stromerzeugung. 200 Solaranlagen mit einer Gesamtleistung von 3360 Kilowatt haben im Jahr 2019 3 332 000 Kilowattstunden Strom erzeugt, wie man im Energiemonitor der Netze BW nachlesen kann. Die fünf Biogasanlagen auf Gemarkung der Gemeinde haben zwar nur eine Gesamtleistung von 770 Kilowatt, aber sie produzieren rund um die Uhr Strom. Im Jahr 2019 waren das 4 861 000 Kilowattstunden.
2019 lag die Strom-Erzeugung um drei Prozent über dem Verbrauch
Der Jahresverbrauch an Strom lag in Heiligenberg im Jahr 2019 bei 7 965 000 Kilowattstunden. Vergleicht man das mit der gesamten Energieerzeugung von 8 339 000 Kilowattstunden, dann liegt die Erzeugung um drei Prozent höher als der Verbrauch. Man darf dabei aber nicht vergessen, dass es im Luftkurort keine Industriebetriebe mit hohem Stromverbrauch gibt. Der meiste Strom wird in den Haushalten verbraucht.

Und wie sieht die Zukunft aus? Die Berechnungen von Netze BW prognostizieren einen weiteren Anstieg von Fotovoltaikanlagen auf 423 Stück im Jahr 2030, 567 im Jahr 2040 und 754 im Jahr 2050. Es wird aber auch neue Verbraucher geben. So soll sich die Zahl der angemeldeten Wärmepumpen von neun im Jahr 2019 auf 122 im Jahr 2030, 192 im Jahr 2040 und 265 im Jahr 2050 steigern. Da es derzeit nur im Gewerbegebiet in Hattenweiler noch freie Plätze für Neuansiedlungen gibt, kann man davon ausgehen, dass es beim Stromverbrauch keinen extremen Anstieg im gewerblichen Bereich geben wird.
Wäre das nicht ein Fall für den European Energy Award?
Mit so positiven Werten fehlt Heiligenberg eigentlich nur noch die Teilnahme am European Energy Award. Kommunen und Landkreise entscheiden sich dabei, ein sichtbares Zeichen für ihr kommunales Engagement bei Klimaschutz und Energieeffizienz zu setzen. „Da werden wird in absehbarer Zeit auf jeden Fall mitmachen“, macht Bürgermeister Frank Amann auf Anfrage des SÜDKURIER deutlich. Die Vorarbeiten für eine entsprechende Zertifizierung seien aber enorm groß und vielfältig. „Da werden viele Personalressourcen gebunden“, weiß das Gemeindeoberhaupt. Und die seien derzeit noch nicht vorhanden.