Das Wort Solidarität hat auf dem Neuweiler Hof nahe Kirnbach ganz am nordwestlichen Ende des Heiligenberger Gemeindegebiets seit einiger Zeit eine große Bedeutung. Drei junge Familien haben sich hier niedergelassen, um den alten, abgelegenen Hof durch ein landwirtschaftliches und wohngenossenschaftliches Projekt dauerhaft wiederzubeleben. Die zwölf Hektar Acker und Grünland werden als Solidarische Landwirtschaft (Solawi) biodynamisch bewirtschaftet.
Zwei Wochen lang eine „solidarische Baustelle“
Wer die idyllische Anlage mit ihren um einen baumbestandenen Hof gelagerten Gebäuden besucht, sieht: Manches ist hier schon den neuen Wohn- und Wirtschaftszwecken angepasst, vieles aber ist noch an- und umzubauen, zu installieren und weiterzuentwickeln. Ein Ort im Aufbruch. Sehr gelegen kam es den Projektteilnehmern um Landwirtschaftsmeister Georg Hilsenbek daher, dass sich eine Gruppe von Wandergesellen auf ihrer Walz fand, für rund zwei Wochen an vielen Stellen mit anzupacken und vorübergehend eine „solidarische Baustelle“ einzurichten: „Wir sind begeistert!“, freut sich Georg Hilsenbek.
Ganz unterschiedliche Gewerke haben zusammengefunden
Leni, Kaya und Ferdi – bürgerliche Nachnamen tun ihnen nichts zur Sache – gehören zum Organisationsteam der Gruppe. Sie legen ihre Schaufeln kurz zur Seite und berichten gern von ihrer Wanderschaft und der Arbeit hier auf dem Hof bei Heiligenberg. Die drei sind zwischen 26 und 31 Jahre alt und stammen aus unterschiedlichen Regionen Deutschlands. Kaya ist Landschaftsgärtnerin, auch die beiden anderen haben eine abgeschlossene Ausbildung im Garten- und Gemüsebau. Ihnen ist es wichtig zu betonen, dass nicht nur Gesellen aus holzverarbeitenden Berufen auf der Walz anzutreffen sind, sondern dass auch viele anderen Gewerke vertreten sind.
Blick in fremde Lebens- und Arbeitswelten
Für diese beiden Wochen haben sie sich zu einer kleinen Kommune von rund 20 wandernden Gesellen zusammengefunden, aber sie verstehen sich eher als Individualisten, jeder mit eigenen Ideen und Plänen. Sie haben gemeinsam, dass sie vor Eintritt in eine ortsfeste Stelle einen ausgiebigen Blick in fremde Lebens- und Arbeitswelten werfen wollen. Dabei haben sie auch reichlich Gelegenheit zur Selbstfindung. Die Walz ist ihnen eine Bildungsreise, und so gibt es auf dem Neuweiler Hof auch Vorträge und Lesungen.

Hergezogen hat sie über den szeneinternen „Grün-Gewerke“-Buschfunk der gemeinsame Gedanke der vernetzten Solidarität, am Neuweiler Hof also die Zusammenarbeit zur Verwirklichung eines sinnvollen Projekts. Klischees von Lagerfeuer oder Wandergesellenromantik wollen sie nicht bedienen, sie verstehen sich als inklusiv, quer-freundlich, antirassistisch und feministisch. Aber sie beachten bei ihrem Tun durchaus und mit Überzeugung gewisse überlieferte Regeln, etwa das Meiden motorisierter Verkehrsmittel und digitaler Medien und den Abstand zur Heimat.
Wasserleitung, Treppe und Terrasse entstehen
Während des Gesprächs sind die Kollegen weiter damit beschäftigt, vom nahen Hof her professionell eine Wasserleitung zu den Gewächshäusern zu legen. Dort wurden schon Drähte zum Hochbinden der Tomatenpflanzen gespannt. Besonders wichtig für den Betrieb war es, dass die alte Güllegrube geleert und abgedichtet wurde und nun als Regenwassersammler dienen kann.
Koch- und Bäckergeselle sorgen für die Verpflegung
Wo vorher ein steiler Trampelpfad zwei Arbeitsbereiche verband, ist nun eine solide Treppe angelegt. Eine Gesellin richtet gerade mit Steinplatten kunstvoll eine Terrasse her. Die Neuweiler Hofgemeinschaft hat ihnen die Infrastruktur für ihren Aufenthalt geboten, also eine Wohnunterkunft, hier als Matratzenlager und Gruppenraum ausgestaltet. In einer improvisierten Küche sorgen ein Koch und ein Bäcker – ja, auch diese Gewerke gehen auf die Walz – für das leibliche Wohl der Kollegen. Sogar eine „Baiz“ ist eingerichtet, eine kleine Bar für das Beisammensein nach dem Tagewerk. Dort wird der Besucher mit einem fröhlich traditionellen „Fixe Tippelei!“ in seinen bürgerlichen Alltag verabschiedet. Und die Gesellen werden sich bald wieder einzeln in alle Winde verstreuen.